Triebfeder mehr für ihn geben.
Die anderen Zuhälterbosse kannten nur sich und ihre Gier, aber er hatte einen Sohn. Für ihn würde er jetzt arbeiten. Patrick würde einmal reich sein und groß rauskommen. Niemand würde es wagen, ihn so zu behandeln wie man seinen Vater behandelt hatte.
Er würde sich selbst um seihe Erziehung kümmern. Nichts würde zu teuer für ihn sein. Wie einen Prinzen wollte er ihn großziehen.
Patrick würde eines Tages stolz auf seinen Vater sein, so wie er stolz auf seinen Sohn sein würde.
Er hatte einen Sohn!
Dieses Wissen machte ihn plötzlich ganz schwindelig. Darüber vergaß er alles, sogar die Mutter des Kindes. Er sah nur Patrick, er betete ihn an.
Ganz behutsam nahm er das Kind aus dem schäbigen Bettchen. Er trug es in seine eigene Wohnung. Dort legte er den Jungen auf das Sofa. Natürlich konnte er dort nicht bleiben. Aber Albert musste jetzt erst einmal gründlich nachdenken. Er zog sich einen Stuhl heran, saß nun vor seinem schlafenden Sohn und betrachtete dessen Gesicht.
»Nun, kleiner Mann du wirst alles haben, das verspricht dir dein Daddy. Und wenn ich dafür einigen Leuten den Hals umdrehen müsste. Ich werde dir ein kleines Imperium schaffen, und eines Tages werden wir beide reich sein, sehr reich. Und die ganz großen Bosse müssen uns anerkennen. Bis dahin ist noch ein weiter Weg, ich weiß es. Aber du bist ja auch noch sehr klein, und es dauert noch eine Weile, bis du alt genug bist, um dich vernünftig mit mir zu unterhalten.«
Patrick hörte natürlich nichts davon und er wusste auch nicht, dass er jetzt keine Mutter mehr, hatte.
Nachdem Albert über eine Stunde lang über sein zukünftiges Leben nachgesonnen hatte, kam er zu dem Entschluss, für Patrick das beste und teuerste Kinderheim der Stadt zu suchen. Ihm würde es an nichts fehlen. Und sobald er alt genug war, um zur Schule zu gehen, würde er ihn in ein Schweizer Internat schicken. Patrick sollte mit den Anrüchigkeiten seines Berufes nichts zu tun haben. Makellos würde seine Weste bleiben. Und bis er alt genug war, um selbständig zu denken, würde er, Albert, schon so hoch stehen, das er sich mit diesen miesen, kleinen Geschäftspraktiken nicht mehr abplagen musste. Dafür würde er dann seine Untergebenen haben.
So suchte er also im Telefonbuch nach der Adresse und rief an. Es machte ihm nichts aus, dass es noch sehr früh war. Die Leiterin war exzentrische Leute gewöhnt. Zum anderen lebte sie davon, und so überraschte sie es keineswegs, als man ihr sagte, man würde gleich ein Kind bringen.
Behutsam wickelte er den Kleinen in eine Decke und trug ihn zum Wagen. Hamburg erwachte zögernd. Als Albert Lanner der Vorsteherin das Kind in die Hand drückte, sagte er mit grollender Stimme: »Es soll ihm an nichts fehlen. Nichts, verstanden!«
»Bei uns werden die Kinder vorzüglich versorgt«, sagte diese etwas spitz. »Wir haben Kinder von Schauspielern und anderen Persönlichkeiten hier. Wären wir nicht gut zu ihnen, so würde man sie nicht bei uns lassen.»
Diese Antwort befriedigte ihn.
Als sie nun seinen Beruf wissen wollte, zögerte er einen Augenblick. Dann sagte er: »Barbesitzer.«
Sie machte einen spitzen Mund. Mit so niedrigen Kreaturen gab sie sich in der Regel nicht ab.
»Mein Herr, haben Sie auch bedacht, wie hoch der Preis monatlich ist?«
Er fauchte sie an. »Glauben Sie, ich würde nicht zahlen können? Pünktlich auf die Minute werden Sie Ihr Geld haben, darauf können Sie sich verlassen!«
»Ich wollte Sie nur daran erinnern wir müssen auch leben. Wir sind kein Wohlfahrtsinstitut.«
Albert knirschte mit den Zähnen. Am liebsten hätte er etwas Scharfes erwidert. Doch er mäßigte sich. »Darf ich sehen, wo mein Sohn leben wird?«
»Selbstverständlich.«
Der Luxus, in dem diese Kinder aufwuchsen, befriedigte ihn dann; er wirkte versöhnlicher.
»Ich werde ihn oft besuchen kommen.«
»Sie sind uns jederzeit willkommen«, säuselte sie.
Albert stand auf der Straße und schloss seinen Wagen auf. Er fühlte eine tiefe Befriedigung in sich. Jetzt lohnte sich alles. Das ganze verfluchte Leben lohnte sich. Und er würde jetzt überhaupt keine Gnade mehr kennen. Alles war für seinen Sohn gedacht, alles.
Aber zunächst musste er sich um die Beerdigung kümmern. Zuerst hatte er daran gedacht, sie mit möglichst wenig Kosten begraben zu lassen. Aber dann sagte sich Albert: Eines Tages würde der Junge ihn nach der Mutter fragen, das war sicher. Und dann musste er etwas sagen. Ein Grab war immerhin etwas. Aber der Junge würde es nicht verstehen, wenn seine Mutter so erbärmlich vergessen wurde. Albert dachte nur noch an die Zukunft.
So suchte er eines dieser Geschäfte auf und bestellte eine pompöse Beerdigung. Später sollte auf dem Grab ein prunkvoller, weißer Marmorstein aufgestellt werden. Er Unterzeichnete einen Fünfzehnjahresvertrag für die Pflege des Grabes. Für ihn war das alles nur ein Pappenstiel.
Zur Beerdigung selbst gingen nur er, Lie-San und die beiden Dirnen. Es war schnell vorbei. Lie-San dachte, das schlechte Gewissen hätte Albert dazu getrieben, sie jetzt in allen Ehren zu bestatten. Elviras Eltern waren gekommen, tief gebeugt und vom Schmerz gezeichnet. Die Mutter machte einen kränkelnden Eindruck. Albert sprach nicht von Patrick. Und weil sie nicht nach dem Knaben fragten, so war er sicher, dass Elvira ihnen nichts geschrieben hatte darüber.
Hier auf dem windigen Friedhof sahen sich der Richter und der Zuhälter zum letzten Mal. Kurze Zeit später verstarb Frau Schlieven und einige Jahre später der Richter.
17
Patrick Lanner wuchs also im Kinderheim auf. Soweit er sich zurückerinnern konnte, waren immer »Tanten« um ihn gewesen. Aber da gab es auch den Vater. Dieser kam ihn sehr oft besuchen und hatte dann die Taschen voller Geschenke. Patrick liebte seinen Vater abgöttisch. Mit blinder Kinderliebe hing er an ihm und lief ihm jubelnd entgegen, wenn er ihn über den Kiesweg kommen sah. Außer Lie-San wusste niemand von Albert Lanners zweitem Leben. Er hielt seinen Sohn verborgen und sprach mit keinem über ihn.
Während der Kleine also größer wurde und schon ein ziemlich kluges Kerlchen war, boxte sich Lanner in seiner Geschäftswelt durch und kannte keine Gnade. Hart und erbarmungslos regierte er in der Hafengegend. Bald liefen fünfzehn Dirnen für ihn. Er hatte ihnen ein Haus eingerichtet, mit Koberzimmer und kleinem Kontakthof. Sie lebten modern und einfach. Ein Koch sorgte für ihr leibliches Wohl, zwei Putzfrauen hatten sich um die Sauberkeit zu kümmern. Albert kannte die Männer und wusste, dass sie auf Schmutz empfindlich reagierten. Und er sorgte auch dafür, dass sie alle vierzehn Tage von einem Arzt untersucht wurden. Man konnte ihm also nichts nachsagen. Seine Dirnen waren gesund, und bei ihm wurde weder betrogen, noch wurden Freier in irgendeiner Weise belästigt.
Beging eine Dirne mal Beischlafdiebstahl, und das kam heraus, schlug Albert sie höchstpersönlich windelweich und sagte ihr: »Wenn du es noch einmal tust, dann kannst du was erleben. Dann bist du für den Rest deines Lebens erledigt.«
Danach wagten sie es nie mehr. Die Dirnen kamen oft aus der Gosse und waren heilfroh, endlich ein so gutes Zimmer bekommen zu haben. Hier in diesem »Bunker«, wie sie das rote Backsteinhaus nannten, waren sie so etwas wie eine kleine Familie unter sich. Man klönte, man hatte Freundschaften, und es kam jetzt immer häufiger vor, dass sie Stammkunden zu bedienen hatte. Jede Dirne musste pro Nacht fünfhundert Mark verdienen. Hatte sie Übersoll, was leicht zu schaffen war, durfte sie das behalten. Von den fünfhundert Mark bezahlte Albert alles, auch eventuell anfallende Krankenhauskosten für die Dirnen. Solange sie es verstanden, gut zu arbeiten, behandelte er sie gerecht.
Neben seiner Absteige besaß er jetzt auch drei exklusive Clubs, die unter dem Motto liefen: »Hier wird jedem Mann jeder Wunsch erfüllt.«
Obwohl er jetzt so etwas wie einen Geschäftsführer hatte, kümmerte er sich doch ausschließlich selbst um seine Geschäfte. Immer war er unterwegs, immer hatte er etwas nebenherlaufen. Und dann suchte er sich