Susanne Huggett

Antibiotika-Fibel 2021/22


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am Ort der Infektion (Pharmakokinetik der eingesetzten Arzneimittel, abszedierende Infektionen, Fremdkörperinfektionen).

      

Antibiotikum trotz nachgewiesener In-vitro-Empfindlichkeit in-vivo unwirksam.

      

Resistenzentwicklung unter laufender Therapie (z.B. gegen 3. Generations-Cephalosporine bei Enterobacter cloacae).

      

Schweres Immundefizit.

      

Schwer oder nicht anzüchtbarer Erreger (z.B. M. tuberculosis, Chlamydien).

      

Virus- oder Pilzinfektion.

      

Keine mikrobiologische Ursache eines infektionsähnlichen Bildes (z.B. SIRS, drug-fever, sonstige Ursachen eines Fiebers).

      

Unzureichende supportive oder organprotektive Therapie (Beatmung, Flüssigkeitssubstitution, Ausgleich von Elektrolytstörungen, Kreislaufstabilisierung).

      

Bei fortbestehendem Fieber 2–3 Tage nach Therapiebeginn muss die eingeleitete Antibiotikatherapie überprüft werden. Ggf. sollte ein infektiologisches Konsil veranlasst werden bzw. das ABS-Team eingeschaltet werden.

       Antibiotic Stewardship (ABS) – ein Instrument zur Reduktion der Resistenzentwicklung

      Antibiotika sind für die Behandlung von Infektionskrankheiten (über-)lebenswichtig. Mit der Einführung von Antibiotika entwickelte sich weltweit die inzwischen bedrohlich zunehmende Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika. Neben dem Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin fördert die Antibiotikagabe in der Veterinärmedizin die Resistenzentwicklung. Auch in der Umwelt sind bereits relevante Mengen von Resistenzgenen festgestellt worden.

      Die WHO sieht die Resistenzentwicklung als globale Bedrohung und hat insbesondere durch den Mangel an neuen wirksamen antiinfektiven Wirkstoffe die postantibiotische Ära ausgerufen. Sie hat den Erhalt der Wirksamkeit antimikrobieller Wirkstoffe zur größten Herausforderung der Medizin im 21. Jahrhundert erklärt.

      Die Resistenzentwicklung ist ein multifaktorielles, globales Problem, das nur durch gemeinsame Aktivitäten der Human- und Tiermedizin sowie der Umwelt im Sinne einer One-Health-Strategie gelöst werden kann.

      Alexander Fleming entdeckte 1928 das Penicillin, eine der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Bereits in seiner Nobelpreisrede machte er darauf aufmerksam, welche Gefahr im zu niedrigen Einsatz eines Antibiotikums liegt: Die Entstehung einer Resistenz und damit die Unwirksamkeit des Medikaments mit möglicher Todesfolge.

      Nach Vorhersagen des englischen Ökonomen Jim O‘Neil (2014 und 2016) müssen wir im Jahr 2050 weltweit mit 10 Millionen Todesfällen durch multiresistente Erreger rechnen, mehr als durch Krebserkrankungen (8,2 Millionen). Dabei sind die Risiken auf der Welt unterschiedlich verteilt. Besonders von der großen Zahl von Todesfällen betroffen werden Länder mit instabilen Gesundheitssystemen sein, vor allem in Asien mit ca. 4,7 Millionen Todesfällen und 4,1 Millionen in Afrika. Eine enorme ökonomische Auswirkung ist hierdurch zu erwarten.

      Aktuell sterben weltweit ca. 700.000 Menschen an Infektionen, die durch resistente Bakterien ausgelöst werden, in Europa sind es schätzungsweise jährlich 25.000 Todesfälle.

       Nationale Programme zur Eindämmung der Resistenz: DART

      Die Bundesregierung hat das Problem der zunehmenden Resistenz bereits vor Jahren erkannt und mit der Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie DART 2008 ein Konzept zur Eindämmung der weiteren Resistenzbildung entwickelt. 2015 wurde die aktualisierte Version „DART 2020“ veröffentlicht.

      In der Humanmedizin werden 85 % aller Antibiotika im ambulanten Bereich verordnet. Seit 2007 ist die Menge des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland im ambulanten Bereich stabil, der Anteil an Breitspektrumantibiotika wie Cephalosporine und Fluorchinolone am Gesamtverbrauch steigt jedoch.

      In der Mehrzahl der Verschreibungen von Antibiotika wird auf vorherige mikrobiologische Untersuchungen verzichtet.

      Eine Ursache der dramatisch steigenden Resistenzen und der dadurch schlechter beherrschbaren bakteriellen Infektionen ist unzweifelhaft der breite und z.T. ungezielte Einsatz von Antibiotika.

      Die mikrobiologische Diagnostik ist der Standard für einen Erregernachweis. Bakterienkulturen und Resistenzbestimmungen benötigen allerdings Zeit – in der Regel 48 Stunden. Schnellere, molekulare Bestimmungsmethoden gibt es seit einigen Jahren für den Nachweis von MRSA. Für die Diagnostik (multiresistenter) gramnegativer Erreger stehen „Schnelltests“ zur Screeninguntersuchung bisher noch nicht für die Routine zur Verfügung!! Die rechtzeitige Erkennung auch dieser resistenten Erreger ist wichtig, damit bakterielle Infektionen gezielt behandelt werden können. Deshalb ist die Weiterentwicklung praxistauglicher molekularer Testverfahren notwendig.

      Die Verbreitung von (resistenten) Erregern kann durch entsprechende Hygienemaßnahmen reduziert werden.

      MEDILYS hat einen Antibiotikaausweis entwickelt, der dem Arzt und dem Patienten einen guten Überblick über bisherige Antibiotikabehandlungen, Infektionen, Erreger und Resistenzen gibt. Den Antibiotkaausweis können Sie unter www.medilys.com herunterladen.

       ABS – Maßnahmen zur Eindämmung der Resistenzentwicklung

      „Antibiotic Stewardship“ (ABS) steht für ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Antibiotikaverordnungen. Strukturierte ABS-Aktivitäten sind sowohl im stationären Bereich als auch im ambulanten Bereich notwendig, um die Resistenzentwicklung als globale Herausforderung bewältigen zu können.

      Dazu gehören z.B.

      

die strenge Indikationsstellung für eine Antibiotikatherapie auf der Basis von Leitlinien

      

die gezielte Auswahl des Präparats

      

die korrekte Dosierung und die Anwendungsdauer des Antibiotikums

      

die Festlegung der Indikation zu einer Antibiotikaprophylaxe

      Mit strukturierten Therapiekonzepten auf der Basis von Leitlinien der Fachgesellschaften kann die Resistenzentwicklung im Zusammenhang mit dem reduzierten Verbrauch und damit auch verminderten Kosten günstig beeinflusst werden.

      Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie hat in Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften die S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ erarbeitet. Sie beschreibt die Koordinierung diverser Maßnahmen mit dem Ziel der Optimierung der Antibiotikaverordnungen.

      Die Kommission ART (Antiinfektiva, Resistenz und Therapie) hat im Mai 2020 das Positionspapier „Strukturelle und personelle Voraussetzungen für die Sicherung einer rationalen Antiinfektivaverordnung in Krankenhäusern” veröffentlicht. Hier werden die erforderlichen Voraussetzungen insbesondere für die personelle Ausstattung in Krankenhäusern