Ulrich Wißmann

Tanz mit Schlangen


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wollte Begay wissen.

      „Ja, leider! Einige hatten sich sogar dafür ausgesprochen, den Schlangentanz nicht mehr aufzuführen!“

      „Es ist eine bittere Ironie, dass dein Mann, der sich so für den Erhalt der Zeremonie eingesetzt hat, selbst bei diesem Schlangentanz ums Leben gekommen ist“, meinte Charly traurig.

      Die alte Dame starrte vor sich hin und sagte leise: „Die Ausführung der Zeremonien ist uns von unserem Schöpfer aufgetragen worden. Wenn wir sie vergessen oder nicht mehr durchführen, wird die Welt aus dem Gleichgewicht geraten! Und Albert war sich der Aufgabe bewusst, dass die Zeremonien erhalten bleiben müssen!“

      „Wissen Sie denn, wer zu den Gegnern Ihres Mannes in diesen Fragen gehörte?“, fragte Begay.

      „Ja. Zum Beispiel die Brüder Harold und Rudolph Hongvah. Oder Holden Lomaheftewa. Die haben es mit den alten Sitten nicht mehr so genau genommen und wollten auch die Zeremonien tatsächlich verändern.“

      „Also, wir können feststellen, das, wenn es sich bei Mister Tsajeswas Tod um einen Mord handelt, was ja tatsächlich so aussieht, der Täter zur Schlangenkiva gehören muss. Ein weißer Täter scheidet damit aus beziehungsweise wäre nur als Auftraggeber im Hintergrund vorstellbar“, fasste Caldwalder zusammen.

      „Oh, es gibt sogar einen Weißen im Schlangenklan!“ Misses Tasajeswas Stimme klang neutral, obwohl diese Tatsache eher ungewöhnlich war.

      Begay und Caldwalder sahen sich erstaunt an.

      „Randy Sakwaitiva, früher Randy Miller. Sakwaitiwa bedeutet „Tiere, die auf der grünen Wiese laufen“. Das ist der Name seiner verstorbenen Hopi-Frau“, erklärte Charly. „Er ist ein Weißer, der aber schon seit vielen Jahren bei den Hopi lebt. Eigentlich kann ein Weißer gar nicht in den Stamm aufgenommen werden. Aber Randy hat wohl etwas indianisches Blut. Ein Mischling kann als Erwachsener vom Stamm adoptiert werden, wenn er eine Hopi-Frau heiratet. Er ist in den Stamm aufgenommen worden, spricht fließend Hopi, hat Familie und ist völlig integriert. Er ist übrigens einer der vehementesten Verfechter der alten Traditionen!“

      Begay kannte das: Weiße, die bei Indianerstämmen lebten, wurden oft zu den radikalsten Kämpfern für das, was sie für die indianische Sache hielten.

      „Weil er diese Lebensweise so bewundert, ist er ja zu uns gekommen! Er hat hart darum kämpfen müssen, aber schließlich wurde er von den Hopi akzeptiert. Dass dieser Mann etwas gegen Tasajeswa unternommen hat, halte ich für völlig ausgeschlossen“, erklärte Charly seinen Kollegen.

      Begay beobachtete, wie Misses Tasajeswa zustimmend nickte.

      Es trat ein Moment des Schweigens ein, dann sahen die Polizisten sich an und Charly sagte: „Dann haben wir erst einmal keine Fragen mehr. Vielen Dank, dass du mit uns gesprochen hast!“

      Auch Caldwalder und Begay bedankten sich bei der alten Dame und sie geleitete sie zur Tür.

      Die drei standen zusammen in der Gasse, in der nach der Kühle des Hauses eine drückende Hitze lastete.

      „Bevor wir hier weiter ermitteln, sollten wir nicht mit dem Kikmongwi sprechen?“, überlegte Begay laut.

      Caldwalder schaute ihn fragend an.

      „Das ist der Dorfhäuptling“, erläuterte Charly dem Agenten. „Das ist nicht nötig. Ich habe mit dem Dorfrat gesprochen.“ Er quittierte Begays gute Manieren mit einem Lächeln und fuhr fort: „Wie Sie vielleicht wissen, ist Hotevilla, wie andere traditionelle Hopi-Dörfer auch, nicht im Stammesrat vertreten. Diese Gemeinschaften vertraten immer die Ansicht, dass der Stammesrat nur eine Marionettenregierung der Weißen ist. Daher wurden aus diesen Dörfern keine Repräsentanten in den Rat entsandt. Da aber wiederum unser traditioneller Dorfhäuptling von außen nicht anerkannt wurde, haben wir als Vertretung den Village Board of Directors gegründet. Mit den Verantwortlichen habe ich gesprochen und Ihr Kommen angekündigt.“

      „Gut, dann wäre das geklärt“, meinte Begay.

      „So, was haben wir?“, fragte Caldwalder, als die drei Männer durch die Gassen des Dorfes zurückgingen.

      „Nun, wir wissen inzwischen, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um Mord handelt und dass der Täter Zugang zur Schlangenkiva haben muss, das heißt, dass er höchstwahrscheinlich sogar ein Angehöriger dieser Kiva ist. Das schränkt den Kreis der möglichen Täter schon ziemlich ein“, meinte Begay.

      „Wie viele Personen haben denn Zugang zur Schlangenkiva?“, fragte Caldwalder Charly.

      „Nach Tasajeswas Tod gehören noch zwölf Personen dazu“, antwortete der Hopi.

      „Oh, doch ‘ne Menge Arbeit“, stöhnte Caldwalder.

      „Ja, mit denen sollten wir sprechen“, sagte Begay. „Und wir sollten uns ruhig auch einmal bei Peabody Coal umhören!“

      „Klar“, meinte Caldwalder, „Und mit diesem Mister Rivers müssen wir uns auch mal unterhalten!“

      „Genau“, antwortete Begay. „Oder fällt Ihnen noch ein anderes mögliches Motiv ein?“ fragte er an Charly gewandt.

      „Nein, eigentlich nicht“, erwiderte der.

      „Könnten Sie dann eine Liste der Angehörigen der Schlangenkiva erstellen und dieses Leute ansprechen, dass wir mit ihnen reden müssen, vielleicht morgen?“

      Charly bejahte das.

      „Und können Sie, Jack, einen Termin mit Mister Rivers machen?“, fuhr Begay an Caldwalder gewandt fort.

      „Warum immer ich?“ fragte Caldwalder mit gespieltem Ärger.

      „Weil Sie als FBI-Agent da sofort einen Gesprächstermin bekommen, ganz im Gegensatz zu mir“, erklärte Begay.

      „Und könnten wir noch mit weiteren Familienangehörigen der Tasajeswas reden?“, fragte Caldwalder Charly.

      „Ja, ich weiß, wo Ethan seine Felder hat. Wenn Sie wollen, können wir gleich hinfahren. Und später können wir vielleicht auch Emma und den anderen Bruder Ernest zu Hause erreichen.“

      Sie fuhren mit Begays Wagen von der Mesa herunter und der Hopi leitete sie über eine staubige Straße und später durch ein Arroyo, dem Verlauf des ausgetrockneten Bachbettes folgend durch die karge Landschaft. Über ihnen breitete sich der tiefblaue Himmel des Südwestens, an dem die in weiter Entfernung träge dahingleitenden Silhouetten großer Vögel in dieser Mittagsstunde der einzige Hinweis auf Leben waren. Nach ungefähr einer halben Stunde erreichten sie eine unter einer gewaltigen Felswand liegende Pflanzung aus kleinen, einzeln stehenden grünen Schösslingen.

      Sie stellten das Auto zwischen einigen mageren Tamarisken-Büschen im Schatten der Felswand ab und liefen auf Ethan, der nach der Heirat mit seiner Frau nun nicht mehr Tasajeswa hieß, sondern deren Nachnamen trug, zu. Der Mann, der am anderen Ende des Feldes gearbeitete hatte, sah ihnen entgegen und wartete auf seine Hacke gestützt schon auf sie.

      Über einen staubigen Pfad liefen sie entlang der nicht einmal einen halben Meter hohen Maispflanzen, von der jede nur einen einzelnen Kolben trug. Trockene Erde war um die Schösslinge herum aufgehäuft und Blechstücke, an manchen Pflanzen auch glatte Steinplatten, waren neben der Pflanze aufgestellt worden.

      „Das ist unsere Art, Mais anzubauen. An den Blechen schlägt sich morgens ein wenig Tau ab. Damit können diese Pflanzen überleben, selbst wenn es monatelang nicht regnet“, erläuterte Charly Caldwalder auf dessen fragenden Blick.

      „Deshalb sind die Pflanzen auch so klein. Die normalen, größeren Maispflanzen könnten mit so wenig Wasser nicht auskommen“, fügte Begay hinzu.

      „Durch diese Form des Maisanbaus können wir selbst in dieser trockenen Gegend überleben. Für Weiße ist dieses Land einfach nicht ertragreich genug! Deshalb haben sie es uns auch gelassen“, erklärte Charly. „Wir nutzen aber noch viele andere Arten. Wo eine bessere Bewässerung möglich ist, bauen wir auch die großen Maispflanzen an, die Sie kennen“, fügte er lächelnd hinzu.

      Die