Der andere versuchte noch in die Limousine zu gelangen. Aber weder den Chauffeur noch Aranjuez kümmerte es, was aus ihm wurde. Der Wagen brauste einfach los, ließ den Mann stehen.
Dieser warf die Waffe weg, hob die Hände.
Ich rappelte mich auf.
Milo feuerte auf die Reifen des Ford.
Er traf erst rechts, dann links. Zwei sehr präzise Schüsse, wie aus dem Lehrbuch. Der Ford brach seitwärts aus, konnte die Spur nicht halten und rammte gegen einen stehenden Gabelstapler, dessen Fahrer längst das Weite gesucht hatte.
Der Chauffeur wurde beim Aufprall nach vorn geschleudert. Der Airbag blies sich auf.
Innerhalb von Augenblicken war der Ford von Agenten des FBI und der DEA umgeben. Die hintere Tür wurde aufgerissen, Handschellen um Aranjuez Gelenke gelegt.
Mir fiel das Schlauchboot auf, dessen Insassen zuvor so getan hatten, als ob sie Rostprimer an das Heck des Schrottfrachters streichen würden.
Der Außenborder heulte auf. Das Boot schnellte einige Meter über die Wasseroberfläche, stoppte dann mit schäumender Heckwelle.
Der Angler mit dem Geldkoffer wurde an Bord geholt.
Der Motor heulte wieder auf. Das Boot ging vorne in die Höhe, brauste über die Wasseroberfläche davon.
Eine Megafonstimme forderte die Flüchtigen auf, sich zu ergeben.
Die Antwort kam in Blei.
Einer der Bootsinsassen holte plötzlich eine MPi hervor und feuerte in unsere Richtung.
Ziemlich ungezielt allerdings. Die Schüsse gingen ins Nichts. Milo und ich rannten bis zur Kaimauer, legten an und feuerten mit unseren SIGs.
Ich hatte höllische Schmerzen beim Atmen, riss mich aber zusammen.
Eine Kugel traf die Außenhülle des Schlauchboots. Mit einem lauten Knall platzte die Luft aus einer der Kammern heraus. Das Boot bekam in voller Fahrt Schlagseite, lief voll Wasser. Der falsche Angler wurde aus dem Boot herausgeschleudert.
Eine Hand krallte sich dabei um den Griff des Geldkoffers.
Noch.
Wahrscheinlich würden Kollegen von uns dieses Beweismittel am Ende mühsam auf dem Grund des Hudson suchen müssen.
Von Süden her näherte sich ein Schnellboot der Hafenpolizei. Die Flucht des Anglers und seiner Helfer war auf jeden Fall vorbei, ihr Boot nicht mehr manövrierfähig. Die Gangster klammerten sich an die verbleibenden Luftkammern, um sich über Wasser zu halten.
Milo senkte die SIG und wandte sich an mich. "Geht's, Jesse?"
Ich atmete tief durch. "Ging schon mal besser." Ich zog die Arbeitsjacke aus und öffnete die Kevlar-Weste. Vorsichtig begann ich damit, meinen Oberkörper zu betasten. "Eine Kugel habe ich definitiv nicht abbekommen!", sagte ich.
"Du wirst mit Sicherheit ein paar große blaue Flecken davontragen!"
"Ich hoffe nur, dass keine Rippe gebrochen ist!"
13
Am nächsten Morgen trafen wir uns in Mister McKees Büro zu einer allgemeinen Lagebesprechung. Außer Milo und mir war noch eine Reihe weiterer G-men anwesend. Darunter Clive, Orry, Leslie und Jay. Außerdem noch unser Innendienstler Max Carter sowie Sam Folder, einer unserer Erkennungsdienstler. Normalerweise nutzen wir zwar den Service der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst sämtlicher New Yorker Polizeieinheiten. Allerdings haben wir darüber hinaus auch eigene Spurensicherer mit entsprechenden Labors zur Verfügung.
Als Gast war Lieutenant Ray Grogan von der DEA zugegen.
Zunächst berichtete Jay Kronburg über die Bilanz des gestrigen Einsatzes am Pier 41.
Der Drogendeal war auf Grund des Einsatzes von Abhörtechnik sehr gut dokumentiert. Lieutenant Grogan von der DEA führte uns auf einem Projektor einige Videoszenen vor, auf denen genau das zu sehen war, was ein District Attorney zur Anklageerhebung brauchte. Ein Koffer voll Geld wurde gegen die Papiere für mehrere Container mit Landmaschinen getauscht. Die Landmaschinen wiederum waren von einer Firma bestellt worden, die Aranjuez gehörte. Die Drogenspezialisten der DEA hatten fast eine halbe Tonne Kokain in den Landmaschinencontainern sichergestellt. Der Stoff hatte eine hohe Reinheitsstufe. Im Verhältnis eins zu zehn mit Mehl aufgekocht hätte man dieses Gift bald an jeder Straßenecke der Bronx als Crack kaufen können. Der Gewinn, der sich damit erzielen ließ, war astronomisch.
Der Geldkoffer hatte von Tauchern der Hafenpolizei sichergestellt werden können. Ebenso wie die Papiere und die Drogenprobe, deren chemische Analyse vermutlich exakt dieselbe Zusammensetzung ergeben würde wie der Stoff, der in den Landmaschinen versteckt gewesen war. So gab es eine lückenlose Kette von Sachbeweisen.
"Gute Arbeit", lobte Mister McKee den Einsatz. Er wandte sich an Grogan. "Insbesondere möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit mit Ihren Leuten bedanken, Lieutenant Grogan."
"Aranjuez wird seinen Kopf kaum aus der Schlinge ziehen können", ergänzte Jay Kronburg. "Die nächsten Jahrzehnte verbringt er mit Sicherheit auf Riker's Island. Aber vielleicht arbeitet er ja mit uns zusammen und wir bekommen endlich eine Handhabe gegen Montalban. Schließlich ist Aranjuez ja nichts anderes als ein gut bezahlter Strohmann."
"Wer war der Informant, der den Tipp gegeben hat?", fragte ich.
"Was spielt das für eine Rolle?", fragte Grogan. "Der Tipp war richtig, das ist das Einzige, was zählt."
"Der Mann heißt Gregory Raquino", gab Mister McKee bereitwillig Auskunft. "Er hat uns seit Jahren zuverlässig mit Informationen versorgt. Ihm gehören drei Frisörläden in Yorkville und Spanish Harlem."
Den Namen Raquino hatte ich schon im Zusammenhang mit anderen Fällen gehört.
Allerdings war ich nie mit ihm persönlich zusammengetroffen.
Ich brachte meinen Verdacht vor, dass in diesem Fall der Tipp vielleicht bewusst lanciert worden war und mit der missglückten Entführung in Zusammenhang stand, der Dolores Montalban unserer Vermutung nach zum Opfer gefallen war.
"Vielleicht weiß dieser Raquino mehr darüber, als er uns bislang verraten hat", vermutete ich. "Und selbst wenn das nicht zutrifft, muss er verdammt gut über das informiert sein, was im Montalban-Clan so hinter den Kulissen vor sich geht. Der Tipp mit dem Deal an Pier 41 ist der beste Beweis dafür. Kann doch sein, dass er das eine oder andere aufgeschnappt hat, was für uns wichtig wäre."
"Zum Beispiel, ob Rick Montalban irgendeine Art von Kopfgeld ausgesetzt hat!", ergänzte Milo.
Mister McKee nickte nachdenklich. "Wenn Sie meinen, dass dieser Informant uns im Mordfall Dolores Montalban weiter bringt, habe ich nichts dagegen, wenn Sie ihn kontaktieren, Jesse", erklärte er nach kurzer Pause. "Allerdings nur unter Einhaltung aller nur denkbaren Sicherheitsvorkehrungen. Wenn Raquinos Zusammenarbeit mit uns bekannt wird, ist er ein toter Mann."
"Natürlich, Sir", sagte ich. Anschließend berichtete ich von dem Gespräch, dass Milo und ich mit Montalban gehabt hatten.
Danach fassten Clive und Orry die Geschehnisse rund um Dolores' Wohnung zusammen.
Es lag inzwischen eine erste Einschätzung der Scientific Research Division und des Fire Service vor.
"Sofern der flüchtige Einbrecher nicht Selbstmord begehen wollte, gibt es nur eine andere Möglichkeit", berichtete Orry. "Im Keller befinden sich Heizungsanlagen. Der Kerl könnte ein Taschentuch oder dergleichen angezündet haben. Dann hat er ein Gasventil geöffnet und ist über einen Zugang zu den Abwasserkanälen geflüchtet."
"Das einzige, was wir sicher wissen ist, dass es eine derartige Fluchtmöglichkeit über die Kanäle gibt", ergänzte Clive. "Außerdem ist die Gasanlage erst vor einer Woche gewartet worden und wir können unterstellen, dass sie in Ordnung war. Tatsache