konnten. Weder sterbliche Überreste noch irgendetwas anderes."
"Trotz der Explosion hätte man erwarten können, dass etwas übrig bleibt", sagte Mister McKee. "Knochenfragmente vielleicht oder eine Gürtelschnalle aus Metall! Der Mann trug eine Pistole. Auch davon hätte etwas zurückbleiben müssen!"
Orry konnte dem nur zustimmen. "Deshalb halte ich die Variante, dass er über das Abwassersystem geflohen ist, für nicht ausgeschlossen. Zur Stunde sind Spezialisten des SRD dabei, um in den Kanälen nach ihm zu suchen. Das Ganze ist nämlich in jedem Fall ein Vabanquespiel für den Kerl gewesen. Wenn er nicht schnell genug flüchten konnte, ist es nicht ausgeschlossen, dass er in den Kanalröhren bei lebendigem Leib gegrillt wurde."
Max Carter aus der Fahndungsabteilung meldete sich jetzt zu Wort. Anhand von Orrys und Clives Personenbeschreibung war ein Phantombild erstellt worden, das natürlich durch alle in Frage kommenden elektronischen Suchprogramme geschickt worden war.
Dasselbe war mit den Daten des MPi-Schützen geschehen, der bei der Schießerei in der Wohnung ums Leben gekommen war.
Wir erlebten eine Überraschung.
"Bei dem MPi-Schützen handelt es sich um Nate McGovern", erklärte Max. "Was den zweiten Täter angeht, so gibt es eine 90prozentige Übereinstimmung zwischen Phantombild und den bei der letzten Verhaftung erstellten Fotos von Brett Nolan. Beide wurden zusammen mit Dolores Montalban wegen Kirchenschändung und Verwüstung von Grabstätten angezeigt."
"Wenn das kein Volltreffer ist", raunte Milo mir zu.
"Die beiden waren Teil derselben Satanisten-Szene, in der auch Dolores Montalban sich zu Hause fühlte", ergänzte Max Carter.
"Dann wollten die offenbar verhindern, dass irgendjemand von Dolores die Spur in ihre Richtung aufnehmen kann", sagte Orry. "Dürfte gründlich daneben gegangen sein."
"Habe ich das falsch verstanden oder waren diese Satansjünger bislang nur an relativ harmlosen Vergehen beteiligt?", hakte ich nach.
"Die Betonung liegt auf relativ", erwiderte Max.
"Ist doch trotzdem merkwürdig, dass die jetzt so rabiat zur Sache gehen", griff Clive meinen Gedanken auf. "Gleich mit der MPi loszuballern - und dann der Tote in der Badewanne."
"Ein gutes Stichwort", fand Max. Er zeigte uns mit dem Projektor ein Bild des Toten. "Der Mann heißt Ernesto Estevez und ist ein guter Bekannter. Vorbestraft wegen Körperverletzung und einmal hatte er sogar eine Mordanklage am Hals, die aber niedergeschlagen werden konnte. Er gilt als einer von Montalbans Männern fürs Grobe."
"Wir nehmen an, dass dieser Estevez McGovern und Nolan auf den Fersen war", erläuterte Clive. Er ist den beiden Einbrechern wahrscheinlich schon länger gefolgt und versuchte, sie in der Wohnung zu stellen, was offenbar daneben ging. McGovern und Nolan haben ihn mit der Waffe ins Bad bugsiert. Weil keiner von ihnen einen Schalldämpfer hatte, mussten sie Estevez auf andere Weise töten..."
Max Carter zeigte eine Vergrößerung des Bildes, das den toten Estevez zeigte. Eine Stelle am Hals war besonders markiert.
"Hier ist ein Einstich", erklärte Max.
"Genau wie bei Dolores", stellte Milo fest.
"Die Obduktion von Dolores Montalban hat erste Ergebnisse erbracht", fuhr Max fort. "Wir wissen jetzt, dass der jungen Frau tatsächlich ein muskellähmendes Gift verabreicht wurde. Den lateinischen Namen erspare ich euch. Es handelt sich um eine Substanz, die verschiedenen Schlangengiften sehr ähnlich ist. Man verfällt dabei bei vollem Bewusstsein in eine Art Totenstarre. Bei besonders disponierten Personen kann es den Herzmuskel angreifen oder die Atmung lahm legen. Das ist vielleicht mit Dolores passiert. Allerdings wurde ihr diese Substanz nicht durch eine Injektion verabreicht, sondern oral."
"Und der Einstich?", hakte Clive nach.
"Stellt wohl den missglückten Versuch dar, ihr das Gegengift zu geben."
"Würde zu einer fehlgeschlagenen Entführung, bei der das Opfer unbeabsichtigterweise starb, passen", meinte Milo.
Max Carter fuhr fort. "Estevez erhielt seine Dosis des muskellähmenden Gifts allerdings über die Injektion am Hals. Das steht nach ersten Untersuchungen fest. Der Mann wurde in völlig hilflosem Zustand in die Wanne gelegt. Dann haben die beiden Satanisten das Wasser angestellt. Das Opfer ist jämmerlich ertrunken und konnte noch nicht einmal schreien."
"Eine selten grausame Mordmethode", musste selbst Mister McKee zugestehen, der in seinem langen Dienstleben beim FBI mehr Grausamkeiten miterlebt hatte, als alle anderen im Raum.
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen im Besprechungszimmer.
"Die Satanistenspur ist also wieder heiß", schloss unser Chef schließlich ein Resümee. "Ich möchte, dass wir weiterhin in wirklich alle möglichen Richtungen ermitteln. Noch wissen wir nicht, ob tatsächlich eine missglückte Entführung dahintersteht, die irgendetwas mit einem uns bisher verborgenen Machtkampf im Montalban-Syndikat zu tun hat oder ob Dolores Montalban einfach ein Opfer ihrer satanistischen Freunde wurde, die mit irgendwelchen Giften herumexperimentierten!" Mister McKee wandte sich an Milo und mich. "Sie treffen sich heute mit José Montalban?"
Ich nickte. "Hoffentlich ist er uns gegenüber offener als in Anwesenheit seines Vaters."
"José betreibt unseren Erkenntnissen nach eine Immobilienfirma, die bislang komplett im weißen Sektor der Wirtschaft operiert", sagte Max Carter. Er hob die Schultern. "Sieht man vielleicht von dem kleinen Schönheitsfehler ab, dass diese Firma eine Anschubfinanzierung durch die Drogengelder des Vaters bekam."
"Trotzdem wäre es äußerst ungewöhnlich, wenn sich José von seinem Vater in irgendeiner Form distanzieren würde", gab unser Chef seiner Auffassung Ausdruck. "Jesse, Milo, versuchen Sie aus ihm herauszuholen, was möglich ist."
"In Ordnung, Sir", gab ich zurück. Milo nickte.
"Für wann haben Sie sich mit José Montalban verabredet?", fragte Mister McKee genauer nach.
"11 Uhr. Er hat mir das heute Morgen sogar per Fax bestätigt", sagte ich.
"Ganz der korrekte Geschäftsmann!", kommentierte Milo.
Ich ahnte, dass Mister McKees Frage einen Hintergrund hatte. "Bei der Durchsuchung von Dolores Montalbans Wohnung sind wir auf eine Reihe von Adressen gestoßen. Freunde und Bekannte wahrscheinlich. Wir kommen nicht umhin, sie der Reihe nach abzuklappern, um mehr über ihre Lebensumstände zu erfahren. Können Sie beide eine davon übernehmen, bevor Sie und Milo in die Seventh Avenue fahren?"
"Wenn die betreffende Person nicht gerade am anderen Ende der Stadt wohnt!", erwiderte ich.
"Keine Sorge, Jesse. Alle anderen bekommen übrigens auch ein paar dieser Adressen aufgebrummt." Unser Chef wandte sich an Max Carter. "Haben wir von Nate McGovern und Brett Nolan den aktuellen Wohnsitz?", erkundigte sich Mister McKee bei Max Carter.
Unser Innendienstler aus der Fahndungsabteilung schüttelte den Kopf.
"Sind beide nach der letzten Verurteilung umgezogen."
"Die gegenwärtigen Wohnungen der beiden müssen durchsucht werden, gleichgültig ob Nolan nun noch lebt oder nicht", stellte Mister McKee klar. "Können Sie das in die Wege leiten, Jay?"
"Sicher", nickte der Ex-Cop.
"Brett Nolan hat als Rausschmeißer in einer Gothic-Disco gearbeitet, als er zum letzten Mal mit der Justiz in Berührung kam. Der Name des Ladens muss in den Akten zu finden sein. Vielleicht bringt Sie das weiter, Jay!"
"Ganz bestimmt."
14
"Hey, Brett, wie kommst du denn an das Ding hier?"
Brett Nolan blinzelte.
Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster. Er musste blinzeln, drehte sich im zerwühlten Bett herum. Es roch nach Räucherstäbchen.
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