die rein pharmakologische Wirkung von Arzneimitteln zu untersuchen, müsste man folglich sämtliche Reize abschirmen, die ein Patient mit einer therapeutischen Handlung verknüpft. Übrigens können Patienten auch unter Placebos unerwünschte Nebenwirkungen entwickeln.
Ein wissenschaftlich dokumentierter amerikanischer Fall aus den Fünfzigerjahren berichtet von einem kalifornischen Krebspatienten, genannt Mr Wright (unter anderem beschrieben in Howard und Daralyn Brody: Der Placeboeffekt. Die Selbstheilungskräfte unseres Körpers. dtv-Verlag, München 2002, und in Bernie Siegel: Love, Medicine & Miracles. Harper & Row, New York 1986).
Mr Wright hatte Lymphknotenkrebs im Endstadium. Die Tumoren erreichten bereits die Größe von Orangen, und der behandelnde Arzt rechnete mit dem nahen Ende seines Patienten. Als Wright von sensationellen Testergebnissen eines aus Pferdeserum gewonnenen Krebsmedikaments namens Krebiozen erfuhr, bekniete er seinen Arzt, dieses Mittel sofort zu besorgen. Der Arzt kam dem Wunsch nach, und schon kurze Zeit später injizierte er Wright das experimentelle Pferdeserum. Als der Arzt nach dem Wochenende in die Klinik kam, fand er seinen Patienten im Gang, wo dieser prächtig gelaunt mit den Krankenschwestern scherzte. Seine Tumoren verschwanden binnen weniger Tage und „schmolzen wie Schneebälle in der Sonne“. Wright war nach nur zehn Wochen sogar in der Lage, mit seinem Privatflugzeug 4.000 Meter hoch zu fliegen, obwohl er zuvor noch künstlich beatmet worden war und als todkrank galt.
Nach einigen Wochen tauchten in den Zeitungen widersprüchliche Meldungen über die Wirksamkeit von Krebiozen auf. Fast augenblicklich verschlechterte sich Wrights Zustand, der Krebs brach wieder aus. Der Arzt erklärte ihm, er solle nicht an den Quatsch in den Medien glauben, und injizierte ihm eine, wie er es nannte, „extrapotente Neuversion“ des Mittels. Der Erfolg war diesmal noch erstaunlicher. Wright konnte sogar das Spital verlassen. Zwei Monate erfreute er sich bester Gesundheit. Bis er den vernichtenden Endbericht der American Medical Association über die Krebiozen-Studie las. Das Mittel wurde als völlig wirkungslos beurteilt und als glatter Fehlschlag abqualifiziert. Darauf erlitt Wright einen neuerlichen Rückfall und starb innerhalb von zwei Tagen.
Dieser Bericht gilt als gesichert. Doch auch heute noch gibt es zahlreiche eindrucksvolle Schilderungen des Placeboeffekts, welcher übrigens nichts mit Spontanheilung zu tun hat, sondern die Wirkung von Informationen auf den Körper beschreibt. Der zeitgenössische Heidelberger Medizin-Ethnologe Dr. med. Gerhard Heller berichtete im Jahr 2000 von einem Fall im Klinikum Freiburg, wo ein Patient in Selbstmordabsicht Schlaftabletten hortete. Die Pfleger hatten wohl schon mit etwas Ähnlichem gerechnet und gaben ihm Zuckerpillen. Tatsächlich hat dieser Patient dann alle Placebos auf einmal geschluckt. Ärzte und Pfleger haben sich zwar insgeheim darüber lustig gemacht, aber am nächsten Tag war der Mann tot. Die russische Ärztin Tatjana Lackmann betreibt eine Klinik am Bodensee, in der sie innerhalb einer Woche schwer kranke Menschen allein mit angedeuteten chirurgischen Eingriffen erfolgreich und überprüfbar kuriert. Sie benutzt dabei keine Skalpelle, sondern sagt einfach nur, sie würde schneiden und Gewebe entfernen, derweil sie mit ihren Fingern an den zu behandelnden Körperstellen herumnestelt. Ich selbst habe während des Studiums in Dortmund einige Psychologievorlesungen besucht, in denen philippinische Wunderheiler mit ähnlichen Verfahren verblüffende Erfolge erzielten.
Der Placeboeffekt sollte daher nicht unterschätzt werden, er hat viele Gesichter:
Je bedeutsamer der Name des Präparats klingt und je komplizierter die Anweisungen sind, desto größer ist der Heilerfolg. Die Ansprechrate lässt sich dadurch von 20 Prozent bis auf 70 Prozent steigern. Grundsätzlich können Placebos bei allen Krankheiten eine Wirkung zeigen. Schon rein statistisch betrachtet zeigen die meisten Placebos dieselbe Wirksamkeit wie die substanziell orientierten Medikamente. Damit leuchtet auch ein, dass auch Nebenwirkungen unter der Einnahme von Placebos auftreten, darunter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Benommenheit, Verstopfungen, Erbrechen und Hautausschläge.
Beunruhigend an der Placebodiskussion ist, dass wahrscheinlich die meisten Ärzte sich absolut im Klaren darüber sind, dass die Gedanken und Gefühle des Patienten einen Einfluss auf seine Biochemie, auf seinen Zellstoffwechsel, also letztlich auf seinen gesamten Organismus ausüben, doch scheint es, als sei dieses Wissen unzulässig. Ich frage mich allen Ernstes: Wenn doch die herkömmliche Chirurgie zum einen eine Menge tödlicher Risiken birgt, zum anderen enorme Kosten verursacht und den Ausgang einer Operation nicht vorhersagen geschweige denn garantieren kann, wieso wird die Placeboforschung dann nicht zur Selbstverständlichkeit? Wieso wird Psychologie nicht Schulfach in der Mittelstufe? Sollen wir etwa gar nicht wissen, wie einfach es ist, gesund zu sein?
Medikamente werden von den Pharmakonzernen mit einem ungeheuren finanziellen Aufwand getestet, bevor sie durch die Behörden zugelassen werden. Bevor ein Medikament durch klinische Testphasen geht, muss zunächst am Computer und in Tierversuchen der Nachweis erbracht werden, dass das Präparat für Menschen unbedenklich ist. Überlegen Sie bitte: Viele medizinische Probanden erhalten bis zu 1.000 Euro und durchlaufen in den Studien mehrere klinische Phasen. Hinzu kommen Personalkosten für Ärzte und Schwestern sowie Laboruntersuchungen. Das ergibt alles in allem zusammen Hunderttausende von Euros. Damit sich diese hohen Investitionen für einen Konzern überhaupt rechnen, muss er dafür sorgen, dass seine Vertriebspartner am besten gar nicht erst auf die Idee kommen, es gäbe eine für sie lohnenswerte Alternative zu Medikamenten. Ärzte könnten heilen, wenn sie wollten – allerdings bekämen sie wohl kein Geld dafür, denn den stressreduzierenden Einfluss, den ein Arzt hat, wenn er seinem Patienten Mut und Hoffnung macht, kann man nicht ICD10-verschlüsseln, also nicht im kassenärztlichen Abrechnungssystem unterbringen.
Der Placeboeffekt bedeutet also nichts anderes, als dass statt exogener (äußerer) Einflüsse endogene (innere) Einflüsse unseren Körper steuern, also Gedanken, die unser Gehirn zum Handeln veranlassen.
Auch unseren Muskeln ist es völlig egal, aus welchem Grund das Gehirn die Ausschüttung von Carnitin und den Bau von Muskelfasern veranlasst. Ob ich nun im Fitnessstudio Gewichte hebe oder mir nur bildlich und lebhaft vorstelle, ich stemme eine Hantel, ist für den Muskelaufbau absolut einerlei. Der Sportphysiologe Guang Yue von der Cleveland-Klinik im US-Bundesstaat Ohio bewies im Jahre 2001, dass allein der Gedanke an Sport das Muskelwachstum anregt. Zehn Probanden im Alter zwischen 25 und 35 Jahren mussten fünf mentale Trainingseinheiten pro Woche absolvieren. Die Probanden sollten sich dabei vorstellen, dass sie den Bizeps so stark wie möglich anspannen würden. Die Gehirnaktivität wurde mit Elektroden aufgezeichnet, zudem überwachten die Forscher, dass die Teilnehmer die Muskeln nicht wirklich anspannten. Bereits nach 14 Tagen waren die Muskeln um bis zu 13,5 Prozent gewachsen. Bereits in den späten 1970er Jahren trainierten russische Wintersportler zu 75 Prozent allein mental und erreichten mit 22 Medaillen, davon zehnmal Gold, den ersten Platz bei den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid.
Das können Sie auch: Sie legen sich schön bequem auf eine Liege und stellen sich 20 Minuten lang ganz intensiv und bildhaft vor, Sie würden eine bestimmte Muskelgruppe trainieren, etwa die Bauchmuskeln. Idealerweise machen Sie danach ein paar wenige entsprechende Gymnastikübungen. Sie werden sehen, was dieses Mentaltraining bewirkt. Falls Sie professionelle Unterstützung möchten: Meinem Buch Anti-Aging liegt eine CD bei, mit deren Hilfe Sie mittels Ihres bildhaften Vorstellungsvermögens Ihren Körper gezielt formen und aufbauen können.
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