Josef Bill

Staunen


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      Josef Bill

       Staunen

      Tor zur Wirklichkeit

       Ignatianische Impulse

      Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Stefan Hofmann SJ

      Band 85

      Ignatianische Impulse gründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.

      Ignatianische Impulse greifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.

      Ignatianische Impulse werden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.

      Josef Bill

      Staunen

      Tor zur Wirklichkeit

      echter

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

      © 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg

       www.echter.de

      E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

      ISBN

      978-3-429-05398-7

      978-3-429-05041-2 (PDF)

      978-3-429-06451-8 (ePub)

       Inhalt

      Vorwort

      Plädoyer für das Staunen – das Wunder der Wirklichkeit

      Staunen – Annäherung durch die Sprache

      Staunen über den »Zauber der Dinge«

      Der Fußballgott – Staunen, Sensation und Fanatismus

      Zappen, innehalten, schauen

      Den Schauplatz bereiten – Öffnen der Sinne

      Wie das Staunen zur Welt kam

      Augenzeugen und Zeugnisse

      Das geheimnisvolle Reich der Tiere

      »Darob staune, was da lebt«

      Gotteserfahrung und Ignatius als neuer Mensch

      Der Gott der Brüder des Ignatius

      Gotteskontakt – im Gebet und »in allem«

      Ehrfürchtige Liebe – das Große groß

      sein lassen

      Größe Gottes und Würde des Menschen

      Musik, in der das Staunen schwingt

      Staunen, lernen, üben

      Beten, schweigen, anbeten

      Jesus – zwischen Staunen und Bestürzung

      Entsetzen – der dunkle Bruder des Staunens

      Staunen und vor Freude nicht glauben können

      Außer sich vor Staunen – das Pfingstwunder des Verstehens

      Pedro Arrupe – von Wundern und Sich-Wundern

      Das Geistwunder – eins und unterschieden

      Navid Kermani – ungläubiges Staunen

      Mit der Bibel staunen

      Anmerkungen

      Vorwort

      Im Jahr 2015 hat das Wort der deutschen Bundeskanzlerin »Wir schaffen das!« zumindest anfangs zum Teil große Zustimmung in unserer Bevölkerung gefunden, im Verlauf aber auch für so manche Aufregung und Irritation gesorgt. Gründe dafür werden bis heute in vielen Diskussionen leidenschaftlich erörtert. Das »Schaffen und Machen« ist zunächst einmal eine Ermutigung, Dinge direkt und gemeinsam anzugehen: »Es gibt viel zu tun, packen wir es an.« Diese Einstellung hat die »Trümmerfrauen« nach dem Krieg zum Wiederaufbau motiviert und beigetragen zum Schaffen von Wohlstand. Auch aller Fortschritt in Technik und Gesellschaft atmet diese Einstellung des Zugreifens. Freilich bekommen wir auch die Kehrseite oder eine Gefahr dieser Haltung, wenn sie zu dominierend wird, zu spüren. Viele Lebensumstände in unseren Breiten sind heute bei vielen fast nur noch von Tempo und Beschleunigung bestimmt: Alle Dinge müssen schnell gehen, am liebsten ganz schnell. Eine vielfach gebrauchte Entschuldigung, die wir nahezu jeden Tag einmal zu hören bekommen, lautet: »Ich habe jetzt keine Zeit, vielleicht später einmal.« Das macht zuweilen den Eindruck einer Unfähigkeit innezuhalten, auf etwas zu lauschen, etwas geduldig zu erwarten, ohne zu meinen, es sofort nach seinem Zweck und Nutzwert befragen zu müssen.

      Wir umschreiben solche Augenblicke des Innehaltens, des Sich-überraschen-Lassens, im positiven Sinn gern als ein Staunen. Das Geltenlassen und Überraschtsein von etwas völlig Unerwartetem. Von etwas, was in sich groß und geheimnisvoll oder auch einfach nur liebenswert und schön ist. Von diesem Staunen soll auf den folgenden Seiten die Rede sein. Diese Rede bzw. Schreibe wird auf verschiedene Wege führen: Es wird auf das Staunen in ganz alltäglichen Situationen verwiesen wie das kleine Staunen über einen unvermutet schönen Sonnentag, einen überraschenden Besuch, eine Entdeckung beim Lesen bis hin zu jenem Staunen, das nach Aristoteles und Plato der Anfang aller Philosophie, allen Denkens ist. Schließlich gibt es ein Staunen, das hinführt zum absoluten Ergriffensein von der eigenen Existenz und der unfassbaren Wirklichkeit Gottes.

      Als eine Veröffentlichung in der Reihe der Ignatianischen Impulse wird an verschiedensten Stellen auf die Rolle des Staunens bei Ignatius Bezug genommen werden. Es ist dies eine Wahrnehmung, die vielleicht nicht als Erstes jedem einfällt bei der Nennung ignatianischer Spiritualität, die aber – vielleicht erstaunlicherweise für manche – als ihre durchgehende Dynamik gesehen werden kann.

      Die direkten Verweise auf Ignatius beziehen sich auf Nummern des Exerzitienbuches (EB), seine Autobiographie, den Bericht des Pilgers (BdP) oder auf Seiten der Werkausgabe der Ignatiusbriefe von Peter Knauer im Echter Verlag (BK).

      Der Beitrag möchte nicht nur eine Art sonntäglich-besinnliche Erörterung über das Staunen mit sprechenden Zitaten sein, sondern auch ein kritischer Blick auf ein wachsendes Schwächeln bzw. fast eine Unfähigkeit zu wirklichem Staunen. Der Text ist gewoben aus menschlichen Erfahrungen, biblischen Verweisen und ignatianischer Spiritualität. Es soll der Blick dafür geöffnet werden, dass das Staunen: Tor zur Wirklichkeit ist.

      Plädoyer für das Staunen – das Wunder der Wirklichkeit

      In einer großen Tageszeitung erschien ein Leitartikel mit der Überschrift »Plädoyer für das Staunen«. Ich war nicht wenig überrascht über das etwas ausgefallen klingende Thema und begann zu lesen. Es handelte sich bei dem Artikel um eine etwas ausführlichere Notiz über die Kasseler Musiktage und die Faszination, die sie auslösten. Es hieß da: »Plädoyer für das Staunen«, und ich fragte natürlich: Was meint eine solche Überschrift? Es hieß da unter anderem: »Die Natur, den Sinnen unmittelbar zugänglich, liefert den Verständniszugang zur Musik. Doch nicht die Erkenntnis ist das Ziel, sondern das Staunen in Umkehrung der These des Aristoteles, dass das Staunen am Anfang der Philosophie stehe. Den Menschen in den Zustand des Staunens zu versetzen ist das Ziel der Kunst, die der Natur folgt. Das Staunen aber ist das Verhältnis des Menschen zur Welt als Schöpfung, in der sich ein unfassbarer Schöpfer offenbart« (FAZ vom 3. November 2016).

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