Bernard S. Otis

Älterwerden ist nichts für Anfänger


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      von Nutzen gewesen waren; er lässt sie unerbittlich zu

      alten Männern und Frauen werden, lässt ihre Herzen und

      Geister aber jung und voller Kraft bleiben.

      Bei solchen Menschen ist der graue Kopf nur Ausdruck

      der Hand des alten Kerls, der sie segnet,

      und jede Falte nur eine Kerbe im stummen Kalender

      eines gut geführten Lebens.«

      — Charles Dickens, Barnaby Rudge

      Mein Name ist Bernard Otis. Und wie heißen Sie?

      Wir wollen einander kennenlernen, nicht wahr? Jede gute Beziehung beginnt mit einem ersten Schritt. Einem Anfang. Was Sie also als Erstes über mich wissen sollten, ist die Tatsache, dass ich in eine große orthodoxe jüdische Familie in Detroit hineingeboren wurde.

      Das Zweite – das vielleicht Ergebnis meiner Erziehung ist, wer weiß? – ist die Tatsache, dass mir immer wieder gesagt wird, ich hätte für einen 85-Jährigen einen ziemlich skurrilen Humor. Hier ein Beispiel:

      Als Jason erfuhr, dass sein 95 Jahre alter Großvater gestorben war, ging er sogleich zu seiner 90 Jahre alten Großmutter, um sie zu trösten. Als er bei ihr ankam, fragte er, was denn passiert war.

      Die Großmutter erklärte, dass ihr Mann gestorben war, während sie Sex gehabt hatten.

      Jason war verdutzt und sagte seiner Großmutter, er sei schockiert darüber, dass sie in ihrem Alter Sex hatten. Er war der Meinung, das sei eine »wirklich schlimme Situation«.

      Die Großmutter antwortete, sie und sein Großvater hätten vor einigen Jahren herausgefunden, dass es für Ältere sicher sei, Sex zu haben, während die Kirchenglocken läuteten.

      Sie sagte, es gehe nur um den Rhythmus – es sei sehr entspannend und sicher, wenn man mit dem »Ding« hinein-, mit dem »Dong« herausgehe. Und dann fügte sie hinzu: »Wenn dieser dumme Eiswagen nicht vorbeigekommen wäre, würde Großvater heute noch leben.«

      Tja.

      Okay, weiter.

      Wir lebten in einem vorwiegend jüdischen Viertel. Wir sprechen hier über einen Stadtteil, der von 75 Prozent Juden, 20 Prozent Katholiken und 5 Prozent von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit bewohnt wurde.

      Ursprünglich wollte ich Architekt werden, doch dieses Ziel gab ich in meinem dreizehnten Lebensjahr wegen meiner schlechten Augen auf. Ich besuchte nicht die örtliche High School (Central High), sondern entschied mich für die Cass Tech, eine sehr angesehene technische Schule, die etwa elf Kilometer von meinem Zuhause entfernt war. Ich besuchte die Cass Tech sehr zum Verdruss meiner Eltern, die mir aber dennoch die Wahlfreiheit ließen. Mit der Straßenbahn und dem Bus fuhr ich hin und zurück – nur nicht an den Streiktagen der Transportgesellschaften, die es häufig gab.

      In diesen Fällen musste ich zu Fuß gehen. Ich hatte keine andere Wahl.

      Doch ungeachtet der gelegentlichen Unannehmlichkeiten erwies sich diese Entscheidung, die ich allein getroffen hatte, als großer Wendepunkt in meinem jungen Leben.

      Die Schüler an der Cass Tech, welche in einem siebenstöckigen Gebäude in der Innenstadt von Detroit untergebracht war, waren junge Menschen, die nicht nur Architekt, sondern auch Künstler, Ingenieur, Musiker, Techniker, Konstrukteur, Chemiker und so weiter werden wollten.

      Es waren alle Rassen, Glaubensrichtungen, Religionen, Ethnien, finanziellen Schichten und gesellschaftlichen Stellungen der Familien vertreten. Hier war ich zum ersten Mal in meinem Leben mit echten Wahlmöglichkeiten für meine Zukunft konfrontiert.

      Und es war eine bunte Mischung von Menschen, die mich in die Lage versetzt hat, in meinem Leben jeden als ebenbürtig zu betrachten.

      WEISHEITS ◇ NUGGET # 1

      Behandeln Sie jeden als ebenbürtig.

      Gewöhnen Sie sich an diese Weisheits-Nuggets. Ich habe jede Menge davon.

      Jedenfalls hatte die Cass Tech ein riesiges Auditorium mit 3000 Plätzen, in dem häufig Weltpolitiker und kommunale Führungspersönlichkeiten Vorträge hielten. Als Vorsitzender der Schülervertretung hatte ich das Privileg, diese bei ihren Besuchen zu treffen, mit ihnen zu Abend zu essen und sie vorzustellen.

      Zu den Persönlichkeiten, die ich kennen und respektieren lernte, zählten Walter und Victor Reuther – die Gründer der Gewerkschaft der United Automobile Workers und der Congress of Industrial Organizations -, Senator Hubert Humphrey, Eleanor Roosevelt und zahlreiche andere aus allen Schichten unserer Gesellschaft, darunter auch der interessante Igor Sikorsky, einer der maßgeblichen Luftfahrtpioniere und Entwickler des Hubschraubers. Ja, ich habe Eleanor Roosevelt kennengelernt. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich alt bin. Also tun Sie nicht so überrascht. Aber warten Sie ab, es kommt noch mehr!

      Im Jahr 1946 bat mich der Direktor der High School, Bill Stirton (der später Dekan der Universität von Michigan werden sollte), in Vorbereitung für das Jubiläum anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Automobilindustrie bei der Koordination einer Hauptveranstaltung mitzuwirken, nämlich einer feierlichen Parade durch das Zentrum von Detroit.

      Ich sollte mit dem Baseballstar Connie Mack und dem Autopionier Henry Ford zusammenarbeiten, die beide schon im fortgeschrittenen Alter waren, und einen Wettlauf über die Woodward Avenue, der Hauptstraße von Detroit, organisieren.

      Was für eine aufregende Lernerfahrung für einen Teenager, dessen Leben gerade erst begann! Und das alles in einer Zeit, als die Weltwirtschaftskrise überwunden war und die Folgen des Zweiten Weltkriegs unsere Wirtschaft veränderten. Obwohl mir es zu dieser Zeit natürlich nicht klar war, wurden damals die Weichen für die Krise gestellt, mit der wir es heute in unserem Gesundheitswesen, bei den Lebenshaltungskosten und im Bildungssystem zu tun haben.

      Ich versichere Ihnen, dass ich bald auf diese Themen zurückkommen werde.

      Jeder, der, sagen wir, unter fünfzig Jahre alt ist, hat keine Ahnung, wie schnell das Leben vergeht. Die Vorrunde ist bereits vorüber. Sobald Sie diese Marke des halben Jahrhunderts erreicht haben, rasen die Tage nur so dahin. Glauben Sie mir!

      Victor Hugo, der Autor von Les Miserables und Der Glöckner von Notre Dame, sagte einmal: »Vierzig Jahre sind das Alter der Jugend, fünfzig die Jugend des Alters.«

       Er wusste Bescheid. Auch er wurde alt.

      Und erlauben Sie mir, seine Feststellung zu ergänzen: »Und jede Minute danach? Ist ein Rennen gegen die Zeit.«

      Ich bin jetzt 85 Jahre alt. Ich muss dieses Buch zu Ende schreiben. Ich muss meine Blogs pflegen, um für dieses Buch zu werben. Darüber hinaus muss ich meine Beratungsfirma weiterführen, und vor allem muss ich weiter meine Rechnungen bezahlen.

      Genau wie Sie. Bis ich es irgendwann nicht mehr tun kann. Egal, wie alt Sie sind, Sie und ich, wir unterscheiden uns eigentlich gar nicht so sehr.

      Und so sieht meine Realität ansonsten aus: Ich bin zwar 85 Jahre alt, aber ich fühle mich wie mit 25. Mein Geist und mein Herz sind denen eines durchschnittlichen 25 Jahre alten Amerikaners sehr ähnlich. Aber der Körper … den kann man vergessen!

      WEISHEITS ◇ NUGGET # 2

      Sprechen Sie mit Ihren Kindern. Sie werden es Ihnen später danken.

      Genug der Spielereien. Es ist Zeit, zum Wesentlichen zu kommen. Sie wussten ja, dass es irgendwann so weit sein würde.

      Ab einem gewissen Punkt muss ich zum Ernst der Sache und sogar auf einige hässliche Realitäten zu sprechen kommen. Das Älterwerden ist nicht allzu schön. Doch Ihre zukünftige Lebensqualität hängt von den Entscheidungen ab, die Sie jetzt treffen.

      Für meine Leser, die den fünfzigsten Geburtstag noch vor sich haben, sei gesagt, dass es schon bald so weit sein wird. Und warum?

      »DIE ZEIT VERGEHT SCHNELL!«

      Bevor