INHALT
THEMA
Der Grund meiner Hoffnung – nicht nur in der Klimafrage
Von Ottmar Edenhofer
Die grüne Ersatzreligion
Von Norbert Bolz
Der ökosoziale Dialog als locus theologicus
Von Markus Vogt
PROJEKT
Global, aber gerecht: Klimawandel bekämpfen, Entwicklung ermöglichen
Von Johannes Wallacher
INTERVIEW
Papst Franziskus. Ein Mann seines Wortes (Wim Wenders, 2018)
Ein Film und seine Wirkung
Von Joachim Valentin, Astrid Schilling, Andreas Batlogg und Michael Sievernich SJ
PRAXIS
Das Ignatianische in der Enzyklika Laudato si‘
Von Martin Maier SJ
Laudato si‘ – ein kritisch-wohlwollender Blick
Von Michelle Becka
Von nachhaltiger Klugheit
Wie eine Akademie Verantwortung für die Schöpfung praktiziert
Von Florian Schuller
Der Sonnengesang: ein Gesang von Gott und Mensch
Von Volker Leppin
FORUM
Verbietet das NT „Homosexualität“?
Neutestamentliche Grundlagen zu einer aktuellen Streitfrage
Von Martin Ebner
Von der Aufstiegs- zur Sinnoption
Perspektiven für den Beruf des Priesters
Von Benedikt Jürgens
POPKULTURBEUTEL
Von Bernhard Spielberg
NACHLESE
Von Sibylle Lewitscharoff
Buchbesprechungen
Impressum
EDITORIAL
Erich GarhammerSchriftleiter
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Schlafwandeln in die Katastrophe“ – so eine Formulierung des aktuellen Weltrisikoberichts. Trotz extremer Wetterereignisse, die mit dem menschengemachten Klimawandel zusammenhängen, sei international der Stellenwert des Klimaschutzes gesunken. Ganz anders die Bemühungen von Papst Franziskus: Vor wenigen Jahren noch war nicht auszudenken, dass die Kirche in Sachen „Umwelt“ ein international beachteter Player sein würde. Papst Franziskus hat es mit seiner Enzyklika Laudato si‘ geschafft. Sie hat nicht nur die Weltklimakonferenz in Paris positiv beeinflusst, sie ist mittlerweile auch auf Weltebene im Gespräch. Sie hat den Regisseur Wim Wenders zu seinem Film „Franziskus. Ein Mann seines Wortes“ inspiriert, sie hat viele kirchliche Einrichtungen und Institutionen – wie etwa die Katholische Akademie in München – zum nachhaltigen Wirtschaften ermutigt.
All diese Spuren können Sie in diesem Heft entdecken: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Träger des letztjährigen Guardini-Preises, erzählt von seinem ganz persönlichen Austausch mit Papst Franziskus, Markus Vogt, Johannes Wallacher und Michelle Becka verdeutlichen das Inspirationspotential des päpstlichen Textes für den theologisch-wissenschaftlichen Diskurs und Martin Maier profiliert die jesuitischen Wurzeln des Textes.
In diesem Konzert darf eine kräftige Gegenstimme nicht fehlen: der Kulturwissenschaftler Norbert Bolz erhebt sie mit seiner These, Laudato si‘ lese sich wie die Theologie der Grünen. Die Öko-Religion sei zum neuen Glauben für die gebildete Mittelklasse geworden. Allerdings spricht Laudato si‘ trotz der dramatischen Wahrnehmung der Gefahren nicht aus der Haltung des Alarmismus, sondern aus einer Haltung der Freude und Dankbarkeit für die Gaben der Schöpfung. Ganz im Sinn des Sonnengesangs des hl. Franziskus, den Volker Leppin höchst aktuell auslegt.
Mein Dank gilt Annette Schavan für ihre langjährige Gestaltung der Glosse, die sie mit Freude und großem Engagement und gewinnbringend für unsere Zeitschrift gestaltet hat. Mit diesem Heft beginnt ein neues Format: Re:Lecture. Dabei soll ein Buch vorgestellt werden, das es verdient, ganz neu gelesen zu werden. Den Anfang macht die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff.
Ich wünsche Ihnen eine reiche Entdeckungsreise mit diesem Heft.
Ihr
Prof. Dr. Erich Garhammer
Schriftleiter
THEMA
Der Grund meiner Hoffnung – nicht nur in der Klimafrage
Am 4. Juli 2018 erhielt Ottmar Edenhofer den Romano Guardini Preis der Katholischen Akademie in Bayern. Er bedankte sich in seiner Festrede dafür, lieferte aber auch wichtige Hintergründe für die Bedeutung von Laudato si‘. Deshalb eröffnet die Festrede dieses Heft. Ottmar Edenhofer
Im Jahr 1989 wurden die Risse in der Berliner Mauer unübersehbar – eine friedliche Revolution hat sie schließlich zum Einsturz gebracht. Es schien so, als hätten Demokratie und Marktwirtschaft den Wettbewerb der Systeme endgültig für sich entschieden. Man wähnte das Ende der ideologischen Auseinandersetzungen – das Ende der Geschichte, wie Francis Fukuyama meinte, – zum Greifen nahe. Mit diesem Sieg, dachte man, hätte auch die europäische Aufklärung endgültig den Sieg davongetragen.
Es dauerte nur ein Jahr, bis ich aus diesem Traum aufgeschreckt wurde, wenn ich ihn denn je geträumt habe: Ich war – durch eine Vielzahl überraschender, aber keineswegs zufälliger Ereignisse – Leiter der Flüchtlingshilfe der Jesuiten in Kroatien und Bosnien geworden, die später mein Freund Pater Martin Maier weiterführte. Mitten in Europa wurde ich in einen Krieg hineingeworfen, dessen Ursache ich zu erfassen versuchte. Die Zeichen des Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung, Vertreibung, Plünderung und Vergewaltigung waren überall zu sehen. In die Flüchtlingslager kamen täglich traumatisierte Menschen. Nie werde ich vergessen, wie eines Morgens in der Hafenstadt Split aus einem Schützenpanzer eine junge Frau kletterte, die wenige Stunden vorher mit ansehen musste, wie ihre Kinder von Nachbarn massakriert wurden, während sie selbst von UN Truppen in letzter Minute gerettet worden war.
Wir kümmerten uns damals um Lebensmittellieferungen, richteten Beratungsstellen für Frauen ein, die vergewaltigt worden waren, der kroatische Provinzial der Jesuiten unterstützte mit unserer Hilfe ein muslimisches Krankenhaus. Ich war dankbar, dass ich in diesen Jahren inmitten des nationalistischen und ethnischen Wahnsinns, der sich überall breitmachte, für eine Institution arbeitete, die ihre Identität gerade nicht in der nationalen oder ethnischen Abgrenzung sucht, sondern an die menschliche Würde appelliert, die allen Menschen gemeinsam ist, die also im wahrsten Sinne des Wortes katholisch ist. Es war eine Wohltat, in diesen Jahren mit der Jesuitenkurie in Rom zusammenzuarbeiten. Der Jugoslawienkrieg in den 90er Jahren zeigte mir, dass der Fortschrittsautomatismus der Moderne nicht zutreffend sein kann: Denn ich begann rasch zu begreifen, dass die ethnischen Konflikte und Bürgerkriege nicht Zeichen einer nachholenden Entwicklung sind, sondern die Signatur des beginnenden 21. Jahrhunderts werden sollten. Wenige Ereignisse in meinem Leben haben mich so verstört,