Bob Rotella

Der 15. Schläger


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ganz verschwunden. Andererseits hat er früher immer sofort gewusst, was schiefgegangen war. Heute weiß er das nicht. Außerdem misslingen jetzt mehr Schläge, als früher. Früher war es egal, ob er ein Fairway rechts oder links entlang spielte, er wusste, dass der Ball im Spiel bleiben würde. Heute weiß er nicht mehr, wohin er zielen soll. Zweifel beginnen an ihm zu nagen, die auch den Rest des Spiels negativ beeinflussen. Er schafft es nicht mehr, aus kürzerer Distanz in zwei Schlägen einzulochen, obwohl das früher fast immer gelang. Es fallen auch nicht mehr so viele Birdieputts wie zuvor, einerseits weil er nicht mehr so viele Birdiechancen hat, andererseits weil der Ball meist viel zu weit vom Loch entfernt liegt.

      Schließlich verpasst er den Cut immer öfter. Die Journalisten und TV-Kommentatoren, die vorher, als alles noch gut lief, immer so freundlich waren, sind auch jetzt noch freundlich. Aber nun fragen sie nach, was denn mit seiner Technik los ist und warum er so schlecht spielt. Erst erzählt er ganz stolz, dass er sehr viel trainiert und gerade einige Dinge umstellt, und alle nicken und notieren eifrig jedes Detail. Nach einigen Monaten machen sich die Reporter aber keine Notizen mehr und sind nicht mehr an den Veränderungen interessiert. Wenn er bei einem Turnier auf der Driving Range steht, spürt er die Blicke der anderen Spieler. Es ist, als würden sich Laserstrahlen in seinen Rücken bohren. Er hört ihr Gemurmel. Er hört, wie die Menschen über ihn reden – andere Spieler, andere Schwungtrainer, Caddies, Vertreter der Ausrüstungsfirmen, der ganze Tour-Zirkus. Sie reden über seine Veränderungen, vielleicht auch darüber, warum sie nicht funktionieren und warum ihm das alles nichts bringt. Sie wollen natürlich nicht, dass er das hört und deshalb sprechen sie besonders leise über ihn. Er glaubt den Ausdruck „armer Hund“ gehört zu haben, und so etwas hat noch nie jemand über ihn gesagt.

      Der Spieler ist aber kein Typ, der schnell aufgibt. Er hält durch. Das ist Teil seines Charakters, eine seiner Stärken. Er arbeitet noch härter. Auch sein Trainer arbeitet noch härter. Golflehrer, die mit Golfprofis arbeiten, sind sehr engagiert und intelligent. Sie wissen alles über den Golfschwung. Sie wissen auch, dass ihre Karriere zumindest teilweise vom Erfolg der Spieler abhängt, die sie betreuen. Wenn sie also beginnen, mit einem bekannten Spieler zu arbeiten, besonders mit einem, bei dem das Spiel nicht gut läuft, dann sind sie bereit, so viel Zeit wie nötig darauf zu verwenden, diesen Spieler wieder zurück in die Spur zu bringen.

      Sehr bald verbringen Spieler und Trainer noch mehr Zeit miteinander. Der Schwungtrainer geht auf den Übungsrunden neben dem Caddie her. Er steht während der Einspielphase vor jedem Turnier neben dem Spieler. Er sitzt bei jedem Abendessen neben ihm. Immer, wenn der Spieler einen Ball schlägt, steht der Lehrer neben ihm und beurteilt seine Ausrichtung, die Haltung, den Griff, den Rückschwung, etc. Die meisten Golflehrer arbeiten heute nach dem Prinzip, dass sich der Spieler während eines Turniers und kurz davor keine Gedanken über mechanische Abläufe machen, sondern nur an sein Ziel denken sollte und darauf vertraut, dass sein Schwung den Rest von selbst erledigt. Doch wenn so viel auf dem Spiel steht, ist es schwer, sich jeden Versuch einer Beeinflussung zu verkneifen. Es ist besonders schwer, einfach nur mit den Achseln zu zucken und keinen Kommentar abzugeben, wenn der Spieler, der den Trainer ja für dessen Hilfe bezahlt, sich nach einem Schlag umdreht und fragt: „Was habe ich falsch gemacht?“

      Und genau das wird passieren. Spieler, die einen Prozess der Veränderung durchlaufen, analysieren jeden Schwung im Detail. Sie werden sehr leicht überkritisch. Sie wollen jeden Schwung zerlegen und bewerten. Diese Denkweise mag ja ganz hilfreich sein, wenn man am Anfang des Verbesserungsprozesses steht und man einige Monate lang keine Turniere spielt, um den Schwung in Ruhe umstellen zu können. Während eines Turniers oder direkt davor ist eine solche Denkweise aber ganz sicher nicht hilfreich. Und doch sehe ich oft Spieler auf der Trainingsrunde vor einem wichtigen Turnier mit ihrem Schwungtrainer im Schlepptau. Und der spricht bei fast jedem Schlag von den mechanischen Abläufen des Schwungs. Ich habe schon Trainer beobachtet, die noch Minuten vor dem ersten Abschlag versucht haben, an der Aufstellung und Ausrichtung eines Spielers zu arbeiten.

      Am nächsten Tag beendet der Spieler die erste Runde mit einer 78. Jeder Schwung sieht hölzern aus. Jede Runde scheint ewig zu dauern. Er hat sich ernsthaft bemüht, besser zu werden und ist in Wirklichkeit schlechter geworden. Das ist die Grausamkeit des Golfspiels. Ich will Ihnen dabei helfen, diese Grausamkeit zu vermeiden.

      Wenn man das Drumherum des Profi-Zirkus abzieht und die Anzahl der Trainingsstunden um den Faktor fünf oder zehn reduziert, betrifft dieses Syndrom auch Amateure. Vielleicht möchte ein Spieler endlich Ergebnisse unter 80 erzielen, vielleicht möchte er endlich die Clubmeisterschaft gewinnen, nachdem er einige Male gleich in der ersten Runde geschlagen wurde. Soweit es ihm seine Zeit erlaubt, packt der das Problem auf dieselbe Art und Weise an, wie ein Profi. Er nimmt Stunden bei einem Golflehrer. Er sucht sich einen neuen Pro und nimmt auch bei ihm einige Stunden. Vielleicht hat er in einer Zeitschrift etwas über die neuesten Schwungtheorien gelesen und beschließt, seinen Schwung umzustellen und zusätzlich öfter ins Fitness-Studio zu gehen. Anfangs ist er begeistert.

      Doch wenn es schon für einen Golfprofi, der viel Talent und ausreichend Zeit hat, schwer ist, seinen Schwung radikal umzustellen, dann ist es für einen Amateur doppelt so schwer. Er hat weniger Zeit für das Training, er muss die Stunden beim Pro in seinem Terminkalender unterbringen, und auf der Runde hat er keinen Golflehrer dabei. Außerdem realisiert der Amateur, der sich verbessern möchte, dass seine Belohnung nicht darin liegt, mit dem Golfspiel Geld zu verdienen. Für ihn ist es der Freizeitwert, der steigt, es sind die Runden, die er mit seinen Freunden samstags immer spielt. Also bleibt er diesen Runden treu, versucht sein Handicap zu spielen, während er gleichzeitig daran arbeitet, den Schwung umzustellen. Seine Freunde lachen vielleicht über seinen neuen Schwung oder geben ihm Tipps und kommentieren (meistens falsch), was er macht.

      In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Amateur nicht wirklich vom Profispieler. Man sollte meinen, ein Profi würde es besser wissen und nicht auf jeden Mitspieler hören, der ihm Schwungtipps geben möchte. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, besonders wenn es sich um einen Spieler handelt, bei dem es nicht so gut läuft wie früher, oder wie er es gerne hätte. Ich glaube zwar nicht, dass jemals ein Spieler auf dem Flug zum Austragungsort des nächsten Turniers einen Tipp von einer Stewardess angenommen hat, aber ich kenne einige, für die diese Versuchung sicher sehr groß gewesen wäre. Es gibt bei jedem großen Turnier hunderte von Menschen mit Zugang zu den Spielerbereichen. Die meisten von ihnen wissen zumindest ein paar Dinge über den Golfschwung, obwohl nur die wenigsten tatsächlich so viel Ahnung haben, wie sie glauben. Sie haben nur die besten Absichten und beschließen, dem guten alten Joe, bei dem es in letzter Zeit nicht gut läuft, zu sagen, dass er vor einigen Jahren, als er noch auf der Siegerstraße war, einen viel besseren Schwung hatte als heute. Joe sollte dann eigentlich nur nett und freundlich nicken und solche Aussagen sofort vergessen. Doch genau das tut Joe nicht. Erstaunlicherweise geht er wohl davon aus, dass der nette Zeitgenosse, von dem der Tipp kam, nie ein Fairway verpasst und nie einen kurzen Putt danebenschiebt.

      Beim Amateur ist alles noch schlimmer. Die samstäglichen Flightpartner haben viel mehr Ahnung von Juristerei oder Betriebswirtschaft, als von den Abläufen beim Golfschwung. Und wenn sie einen Tipp geben, dann geht es meistens um Dinge, die ihnen selbst angeblich geholfen haben. Doch das heißt noch nicht, dass auch der Adressat dieses Tipps davon profitieren könnte. Aber ein Spieler, der mit seinem Spiel kämpft – egal ob Joe auf der Profi-Tour oder Joe im Wochenendflight – hat immer ein offenes Ohr.

      Es ist nicht falsch, über die Technik des Golfschwungs zu sprechen. Aber ein Spieler darf nicht vergessen, dass, wenn er nur an der technischen Seite arbeitet, es ist, als würde er beim Gewichtestemmen immer nur das rechte Bein belasten. Wenn er das täte, dann würde er bald humpeln. Wenn Sie beim Golf nur darauf aus sind, technisch perfekt zu werden und nicht gleichzeitig einem mentalen Trainingsplan folgen, der Ihr Selbstbewusstsein fördert, dann hören Sie auch bald auf die falschen Tipps. Und Sie versinken im Chaos.

      In einer solchen Situation stellt ein Profi sehr bald fest, dass er nicht mehr so enthusiastisch und optimistisch ist, wie zu Beginn seines Versuchs, besser zu werden. Er sitzt abends im Hotelzimmer und fragt sich, was er da eigentlich tut. Warum ist er ständig auf Reisen und gibt viel Geld aus, nur damit er einen Cut nach dem anderen verpasst und kein Geld mit seinem Spiel verdient? Wenn er – was oft der Fall ist – verheiratet ist und Kinder hat, fragt er sich,