Bob Rotella

Der 15. Schläger


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Auto mit Schaltgetriebe haben, wissen Sie, wovon ich spreche. Wenn man das Autofahren lernt, nutzt man das Bewusstsein. Man achtet genau darauf, wann und wohin man den Schalthebel bewegen muss und darauf, wann und wie man das Kupplungspedal drücken muss. In dieser bewussten Phase ist man kein besonders guter Autofahrer. Der Motor stottert oft und stirbt gelegentlich ab.

      Nach einiger Zeit hat man die mechanischen Abläufe aber so gut verinnerlicht, dass das Unterbewusstsein übernehmen kann. Man denkt nicht mehr daran, wie es geht. Man fährt einfach los, ohne den Motor abzuwürgen. Wenn das Unterbewusstsein die Kontrolle über die Kupplung übernimmt, kann sich das Bewusstsein damit beschäftigen, einen guten Radiosender zu suchen, sich mit dem Beifahrer zu unterhalten oder an die nächste Golfrunde zu denken. Man kommt am Ziel an, ohne zu wissen, wie oft man geschaltet und welche Bewegungen der Körper dabei ausgeführt hat.

      Ein Hauptgrund dafür ist das Selbstbild, das Sie als Autofahrer entwickelt haben. Während Sie noch Fahranfänger waren, hat das Bewusstsein Ihre Leistung bewertet. Sie haben vielleicht gedacht: „Ich habe eben schön flüssig hochgeschaltet. Schon langsam wird es besser. Eigentlich klappt es doch schon ganz gut.“ Gedanken dieser Art wurden zur Grundlage für Ihr Selbstbild als Autofahrer.

      Das Selbstbild ist im Unterbewusstsein verankert, es ist nicht ständig im Bewusstsein präsent. Und uns ist auch nicht immer klar, wie einflussreich unser Selbstbild ist.

      Es gibt bei jedem Menschen verschiedene Selbstbilder, weil wir im Leben ja unterschiedliche Rollen spielen. Wir haben ein Bild von uns selbst als Autofahrer, als Liebhaber, vielleicht auch als Elternteil und von uns selbst im Berufsleben. Solche Selbstbilder können sich sehr voneinander unterscheiden. Es kann gut sein, dass sich jemand als dynamischen und fähigen Rechtsanwalt sieht, gleichzeitig aber auch ein Bild von sich selbst als unsichere und zurückhaltende Person hat, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. Möglich ist auch, dass sich jemand für einen fähigen und talentierten Fotografen hält, jedoch für einen ungeschickten Golfspieler.

      Das Selbstbild ist nicht dasselbe, wie die Selbstachtung. In meiner Vorstellung wird jeder Mensch mit einem gewissen Maß an Selbstachtung geboren. Sie steht in Verbindung mit unserer Würde und unserem Wert als menschliche Wesen. Ohne eine gesunde Selbstachtung wäre es schwierig oder beinahe unmöglich, im Leben zurechtzukommen.

      Das Selbstbild aber ist nicht angeboren. Jeder Mensch muss es erst entwickeln. Es hat unterschiedliche Grundlagen, z.B. das Urteil, das andere Menschen über uns fällen. Deshalb habe ich auch weiter vorne schon gesagt, dass die Eltern von Tiger Woods vieles richtig gemacht haben. Sie haben ihn ganz offensichtlich ständig ermutigt. Tiger hörte auf sie und verinnerlichte ihr Lob als eigenes Selbstbild. Als junger Erwachsener wusste er instinktiv, dass er es weit bringen würde. Dieses Selbstbild war tief in seinem Unterbewusstsein verankert.

      Natürlich wäre es leichter, ein positives Selbstbild zu haben, wenn wir ständig von allen Menschen um uns herum hören würden, wie gut wir sind. Klienten, die sich darüber beklagen, dass ihre Eltern oder Trainer sie nicht ermutigt hätten, haben in gewisser Hinsicht Recht. Aber eben nur in gewisser Hinsicht.

      Wir selbst tragen nämlich am meisten zu unserem eigenen Selbstbild bei und zwar auf unterschiedliche Art und Weise. Wir verarbeiten unsere eigenen Erfahrungen. Wir bewerten sie als Erfolg oder Misserfolg oder als etwas dazwischen. Dieser Vorgang nennt sich Wahrnehmung. Wir erinnern uns an manche Erfahrungen, an andere aber nicht. Verfolgt Sie der kurze Putt, den Sie letztes Wochenende auf dem 17. Grün danebengeschoben haben, ständig in Ihren Gedanken? Oder erinnern Sie sich an die längeren Putts, die ins Loch gegangen sind, und haben den einen kurzen schon vergessen? Oder erinnern Sie sich noch an alle Putts auf der Runde? Die Art und Weise, wie Sie Ihre Erinnerungen verarbeiten, hat einen großen Einfluss auf Ihr Selbstbild.

      Neben der Wahrnehmung und der Erinnerung beeinflussen wir unser Selbstbild auch mit unseren Gedanken und unserer Fantasie. Das, was wir über unser eigenes Golfspiel denken, beeinflusst unser Selbstbild als Golfer. Und das gilt auch für alle Dinge, die wir in unserer Vorstellung tun.

      Man kann das Selbstbild als die Summe aller Gedanken begreifen, die man sich zur eigenen Person macht. Manche dieser Gedanken kommen von anderen Menschen, doch die meisten kommen aus einem selbst. Diese Gedanken bleiben eine Weile im Bewusstsein und werden dann ins Unterbewusstsein übernommen.

      Das eigene Selbstbild ist also immer wie ein Datenspeicher im Unterbewusstsein, in dem der gesamte gedankliche Input aufbewahrt wird. Man könnte das mit einem Ausdruck aller Daten vergleichen, die in einem Computer gespeichert sind – Informationen, Befehle, etc.

      Das Unterbewusstsein ist nicht sehr hoch entwickelt. Es bewertet den Input nicht und stellt nicht fest, welche Daten richtig sind und welche falsch. In dieser Hinsicht gleicht es einem Computerprogramm zur Berechnung der Steuerschulden. Das Programm arbeitet mit den Zahlen, die Sie eingeben. Es weiß nicht, ob diese Zahlen auch stimmen. Wenn alle Daten eingegeben sind, kommt ein Ergebnis heraus, von dem der Computer annimmt, es sei richtig. Das Computerprogramm macht nie einen Fehler. Es sagt Ihnen immer, wie hoch Ihre Steuerschulden sind – vorausgesetzt, Sie haben die richtigen Zahlen eingegeben. Wenn natürlich jemand nicht sein ganzes Einkommen angibt, käme das Programm zu einem anderen Ergebnis, und diese Diskrepanz könnte bei einer Steuerprüfung ganz schön ärgerlich sein.

      Auch das unterbewusste Selbstbild ist nicht unbedingt ein realistisches Bild Ihrer eigenen Person und stimmt nicht zwangsweise mit dem überein, was Sie selbst über sich denken. Wenn wir uns z.B. über Ihr Golfspiel unterhielten, würden Sie mir in ehrlicher Überzeugung erzählen: „Ich bin ein ziemlich guter Golfer. Natürlich habe ich Schwächen, wie jeder andere Spieler auch. Aber meine Schläge sind gerade und die Putts sind ganz gut. Mein Handicap spiele ich jedes Jahr ein bisschen herunter, und ich werde immer noch besser. Ich spiele gern Turniere und gewinne auch gern.“ Das wäre die Aussage, die Ihr Bewusstsein über Sie macht.

      Gleichzeitig könnten Sie aber ein unterbewusstes Selbstbild haben, das glaubt: „Ich bin ein Versager.“ Dieses Selbstbild wäre nicht besonders realistisch. Es wäre wie das Selbstbildnis einer Magersüchtigen, die sich im Spiegel sieht und denkt: „Ich bin dick.“ Basis wäre wahrscheinlich eine Vielzahl negativer Erinnerungen. Das unterbewusste Selbstbild verlässt sich auf die Daten, die Sie selbst eingeben, und nicht automatisch auf die Realität.

      Was Sie verstehen müssen, ist die Tatsache, dass die Leistung, die Sie unter Druck bringen, nicht durch Ihre bewusste Einschätzung Ihres golferischen Könnens gesteuert wird, sondern durch Ihr unterbewusstes Selbstbild.

      Das Unterbewusstsein wird versuchen, Ihnen das zu geben, was Sie seiner Meinung nach möchten. Wenn Sie ein unterbewusstes Selbstbild haben, das meint, Sie würden unter Druck zusammenbrechen, wird Ihr Unterbewusstsein alles tun, was in seiner Macht steht, um das auch zu erreichen. Und das kann es wirklich gut. Wenn Sie aber ein unterbewusstes Selbstbild haben, das Sie als Sieger sieht, wird Ihr Unterbewusstsein alles daran setzen, das auch Wirklichkeit werden zu lassen. Und auch das kann es wirklich gut.

      Genau darum geht es, wenn man echtes Selbstvertrauen hat: Ihr unterbewusstes Selbstbild, das Sie als ruhigen und fähigen Golfspieler sieht.

      Vor über hundert Jahren schrieb William James, ein Pionier unter den amerikanischen Psychologen, dass im Großen und Ganzen jeder Mensch das erreicht, was er sich selbst zutraut. Und die Funktionsweise des unterbewussten Selbstbilds zeigt, wie Recht James hatte. Im 19. Jahrhundert gab es in Massachusetts, wo er seine Theorien aufstellte, keine Golfplätze. Wenn es aber welche gegeben hätte, wäre er wahrscheinlich nicht im Geringsten überrascht darüber gewesen, wie die mentale Einstellung das Golfspiel beeinflusst.

      Ich konnte bei allen Golfern, mit denen ich bisher gearbeitet habe, feststellen, dass das unterbewusste Selbstbild ihre Leistung beeinflusst. Bei vielen hat das Unterbewusstsein genauso sicher Einfluss auf den Score, wie ein Thermostat Einfluss auf die Wärme in einem Haus hat. Ein Golfprofi hat z.B. ein Selbstbild, das ihn als Spieler zeigt, der regelmäßig Runden zwischen 68 und 74 spielt. Solange er sich nicht zu weit vom Par entfernt, fühlt er sich wohl. Wenn er aber schon am Anfang einer Runde ein Doppelbogey spielt, steht er plötzlich im Konflikt mit seinem unterbewussten Selbstbild. Meistens wird er dann ein paar Birdies spielen, um wieder in seine Wohlfühlzone zurückzukommen, genauso wie die Klimaanlage