& Irma Sztáray, 1898
Auszüge aus Irma Sztárays Erinnerungsbuch «Aus den letzten Jahren einer Kaiserin», 1909
Auszüge aus Otto Julius Bierbaums Reisebuch «Eine empfindsame Reise im Automobil», 1903
Auszug aus J. R. R. Tolkiens Brief an seinen Sohn Christopher, 1967
Aus Walter Benjamins «Von der Sommerreise», 1911
Aus Franz Kafkas Reisetagebuch, 1911
Wladimir Iljitsch Lenin & Nadeschda Krupskaja, 1915
Auszüge aus den Briefen von Wladimir Iljitsch Lenin, 1915
Auszüge aus René Schickeles Tagebuch, 1918
Ernest Hemingways Reportage «Die Hotels in der Schweiz», 1922
Auszug aus Leni Riefenstahls «Memoiren», 1987
Auszüge aus Anderl Heckmairs «Die drei letzten Probleme der Alpen», 1949
Auszüge aus Winston Churchills Briefen, 1946
Anhang
Einleitung
Dieses Buch führt zu berühmten Schweizer Sehenswürdigkeiten: auf die Rigi, nach Bad Pfäfers, in die Via Mala, über den Gotthard, zur Eigernordwand, auf die St. Petersinsel, an die Genferseeufer. Es führt aber auch zu Orten und in Gegenden, die immer noch (oder wieder) eher abseits der touristischen Hauptrouten liegen: in die Uhrmacherstadt Le Locle, über den Splügenpass, nach Chamby im Waadtland, in die ärmlicheren Viertel von Genf, über den Griesgletscher, an den Badestrand von Gandria. Die Begleitung auf diesen Reisen könnte exquisiter nicht sein: 35 ausgewählte Persönlichkeiten führen uns kreuz und quer durch die Schweiz. Ihnen gemeinsam sind zwei Dinge: Sie sind (oder waren zu ihrer Zeit) Berühmtheiten, gefeiert in ihren jeweiligen Bereichen – Literatur, Musik, Malerei, Architektur, Philosophie, Fotografie, Film, Sport und Politik. Und sie sind keine gebürtigen Schweizer, Schweizerinnen, sondern kamen aus dem nahen oder fernen Ausland. Diese Reisenden haben sich die Schweiz ganz genau angesehen, wobei das Spektrum der Reaktionen von Verzückung bis Hass so ziemlich alle denkbaren Gefühle umfasst.
Kometenbahnen
«In der Schweiz», schreibt der russische Autor Michail Schischkin in seinem Lese- und Wanderbuch Auf den Spuren von Byron und Tolstoi (2012), «haben sich auf den seltsamsten Wegen Schicksale und Bücher, Gedanken und Welten gekreuzt. Was könnte also den dämonischen Romantiker Byron und den grossen Lehrmeister Tolstoi verbinden? Beide waren sie 28 Jahre alt, als sie an den Genfersee kamen. Und beide gingen sie in die Berge wandern, liefen die genau gleiche Strecke von Montreux über den Col de Jaman ins Simmental, von dort nach Interlaken und Grindelwald. Sie liessen ihren Blick über dieselben Berggipfel schweifen, traten vielleicht auf dieselben Steine, übernachteten vermutlich in denselben Häusern, ruhten sich im Schatten derselben Bäume aus. Und beide schrieben ein Tagebuch, von deren Eintragungen ein direkter Weg zu ihren späteren Texten führt.»
Fährten aufnehmen, Verbindungslinien suchen im Raum – die Theoretikerin Doreen Massey drückt dieselbe Idee mit anderen Worten aus: «Perhaps we could imagine space as a simultaneity of stories-so-far», vielleicht können wir uns Raum vorstellen als eine Gleichzeitigkeit von (allen) bisherigen Geschichten, schlägt sie vor. Durch die Bewegungen von Menschen, Ideen und Objekten wird ein Raum – zum Beispiel ein Land – immer neu geschaffen. Diese ziehen ihre Bahnen («trajectories» nennt Massey das), und dabei entstehen Überschneidungen und Knotenpunkte und immer wieder neue, überraschende Situationen.
Die hier vorgelegten 35 Porträts berühmter Reisender (Lord Byron und Leo Tolstoi sind auch darunter) ergeben zusammen eine Art mehrdimensionalen helvetischen Raum-Zeit-Würfel. In ihm kreuzen sich – Kometenbahnen vergleichbar – Lebenswege und Schicksale, in ihm sind Träume, Pläne, Ängste und Ärgernisse, Entdeckungen und Inspirationen an bestimmte geografische Punkte gebunden. Und manche der Geschichten, die in diesem Buch erzählt werden, von Casanova bis Churchill, von 1760 bis 1946, sind durch unsichtbare Fäden miteinander verknüpft.
Knotenpunkte, Kreuzungen, imaginäre Begegnungen
Ein paar Beispiele: Arthur Conan Doyle und René Schickele versuchen sich beide auf Skiern, 1893 in Davos und 1918 im Diavolezza-Gebiet, beide erzählen von Stürzen im Schnee, beide sind grosse Schriftsteller und schildern dementsprechend diese Vorgänge auf hinreissende Weise, durchaus mit einer Prise Selbstironie. Conan Doyle beschreibt seine Versuche so: «Aber du ziehst sie [die Skier] an und wendest dich mit einem Lächeln nach deinen Freunden um, um zu sehen, ob sie dir auch zuschauen – und dann bohrst du im nächsten Augenblick deinen Kopf wie verrückt in einen Schneehaufen hinein und strampelst wahnsinnig mit beiden Füssen, um, halb aufgestanden, von neuem wieder im gleichen Schneewall unrettbar zu ertrinken; so gibst du deinen Freunden ein Schauspiel, dessen sie dich niemals für fähig gehalten hätten.» – «Ich bin, Kopf voraus, in den Schnee geflogen und lag, mit verquerten Skiern, das Gesicht nach unten, seltsam gekreuzigt auf dem Schnee, ohne mich rühren zu können […]», scheint Schickele zu antworten.
In Genf bekamen zwei Musen grosser Männer ihre Kinder: Marie d’Agoult, die Geliebte von Franz Liszt, brachte 1835 eine Blandine zur Welt, 1867 schenkte Anna Dostojewskaja ihrer Tochter Sonja das Leben – Blandine sollte nur 27 Jahre alt werden, Sonja starb schon als zehn Wochen altes Baby. Felix Mendelssohn