Katarina Michel

Der Mutigen gehört die Welt


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und Weisen der Menschheit beschäftigt – darunter waren übrigens einige großartige Frauen! Sie alle haben mehr oder weniger tiefsinnige Antworten darauf entwickelt; doch wenn man sich selbst ehrlich und ernsthaft befragt, dann bleiben diese Antworten relativ bedeutungslos für das eigene Leben. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Antworten von Männern nicht unbedingt für Frauen dienlich sind; zum anderen damit, dass diese Antworten abstrakt oder zeitgebunden sind und wenig Bedeutung für die modernen Frauen des 21. Jahrhunderts haben. Als dritter Grund ließe sich noch anführen, dass es allen Antworten an Ehrlichkeit und Klarheit fehlte sowie an dem MUT, das Ungewöhnliche zu denken und das Außergewöhnliche zu tun. Wer sich einer hilfreichen Antwort auf diese Frage nähern will, muss sich vorbehaltlos und bis auf die Knochen ehrlich so anschauen, wie er wirklich ist – nicht so, wie er gerne sein möchte.

      Viele Frauen begehen zwei entscheidende Fehler: Sie tragen ein falsches Selbstbildnis mit sich herum, indem sie ihre eigenen Kräfte, Möglichkeiten und Talente unterschätzen oder überschätzen. Beides ist gleich schlecht!

      Eine Frau, die ihre eigenen Kräfte überschätzt, setzt sich selbst permanent einer enormen Spannung aus, indem sie sich sagt, sie müsse dieses oder jenes schaffen oder müsse diese oder jene Aufgabe schneller und besser als andere vollbringen. Diese Vorgehensweise erzeugt einen geradezu selbstzerstörerischen Stress. Die eigenen Kräfte werden ständig bis zum Äußersten strapaziert, zumal in der Regel die mit letzter Energie verwirklichten Ziele beim nächsten Mal noch um eine Stufe nach oben angehoben werden. Es liegt auf der Hand, dass dieser Weg in eine Sackgasse einmünden muss.

      Eine Frau, die ihre eigenen Kräfte unterschätzt, traut sich einerseits zu wenig oder gar nichts zu und sucht daher, um ihr Selbstwertgefühl zu erhöhen, ständig nach Lob und Anerkennung aus ihrer Umgebung, von Partnern, Freunden oder Kollegen. Da kann schon eine positive Bemerkung über den neuen Rock den ganzen Tag retten. In dem Augenblick, wo eine Frau erkennt, dass ihre Selbsteinschätzung und ihre innere Selbstachtung gänzlich auf solchen weitgehend unbedeutenden Äußerlichkeiten aufgebaut ist, kommt es nicht selten zu einer dramatischen Krise oder gar zu einem völligen Zusammenbruch. Beides ist ausgesprochen hilfreich! Auf dem Erwachen und Erkennen des IST-Zustandes lässt sich aufbauen. Nur wenn die Bestandsanalyse ehrlich ist, kann etwas Neues geboren werden.

      Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Voraussetzungen für diesen Zustand, der die meisten Frauen der westlichen Gesellschaften – und noch viel mehr jene der außereuropäischen Kulturen – betrifft, in vielen Jahrhunderten geschaffen wurden. Bereits ein kurzer Blick in die Geschichte – von Paulus über die Hexenverfolgung bis zum Schweizer Frauenwahlrecht – lässt in unzähligen Fällen erkennen, in welchem unvorstellbaren Ausmaß Frauen in ihren Rechten beschränkt wurden. Die bisherigen Auseinandersetzungen der modernen Emanzipationsbewegung haben sich, was ihren Wert in keiner Weise schmälert, nur mit den äußeren Faktoren befasst. Da die meisten Vorkämpferinnen für die Rechte der Frauen nicht unbedingt „spirituell“ interessiert waren, ist ihnen gar nicht in den Sinn gekommen, es könne auch eine „innere Dimension“ dieses Befreiungsprozesses geben. Erst allmählich setzt sich die Einsicht durch, dass es auch „Energiefelder“ und „Gedankenformen“ gibt, die das Rollenverhalten der Frauen aus einer anderen Wirklichkeitsebene aus mitbestimmen. Wirkliche Befreiung geht für die moderne Frau also nicht nur mit einer äußeren, gesellschaftspolitischen Emanzipation einher, sondern vor allem mit einer Befreiung von inneren Mustern und Prägungen. Eine Frau, die sich zwar äußerlich von Familienzwängen befreit hat, aber innerlich noch darunter leidet – in Form eines aufgezwungenen ‘schlechten Gewissens’ – ist nicht wahrhaft frei.

      Eines der besonders prägenden Felder ist das sogenannte „Schutzfeld“. Es suggerierte den Frauen über viele Jahrhunderte hinweg, sie seien nicht in der Lage, ohne männlichen Schutz zu überleben. Der Mann galt als Ernährer und Verteidiger – und ohne ihn war das Leben der Frau einer ständigen Bedrohung ausgesetzt. Diese Vorstellung mag vielleicht in der Steinzeit oder in Stammeskulturen berechtigt gewesen sein, mit der Wirklichkeit der westlichen Frau im 21. Jahrhundert hat sie nichts mehr gemein. Eine Frau, die heute noch nach diesem „Schutzfeld“ sucht, verrät ihre eigene Kraft und Selbstständigkeit. Sie begibt sich in eine Abhängigkeit, die ihr in erheblichem Maße ihre eigene Kraft und ihre Würde raubt – und zwar nicht nur in ihren eigenen, sondern auch in den Augen des Mannes! Wer sich immer wieder selbst sagt: „Ich schaffe es allein nicht!“ – der wird es auch nicht schaffen. Dabei liegt der entscheidende Fehler nicht einmal bei den „bösen Männern“, sondern bei den Frauen selbst, die jenes alte „Schutzfeld“ noch immer speisen und damit sich selbst (und allen anderen Frauen!) die Kraft entziehen. Es ist von nicht zu überschätzender Bedeutung, dass sich die moderne Frau ohne jeden Zweifel klar macht, dass sie das Recht, die Kraft und die Möglichkeiten hat, ihre Leben selbstbestimmt und frei zu leben.

      Selbstbestimmung bietet die Wahl, in jeder einzelnen Situation „Ja“ oder „Nein“ zu sagen. Wer sich selbst kennt und weiß, welchen Weg er beschreiten will, setzt gegebenenfalls mit einem „Nein“ auch keine negative Energie in die Welt, sondern beschreibt klar und unmissverständlich die eigene Grenze. Es geht darum, deutlich zu machen, was „meine Pläne“ und welches die Vorstellungen der „anderen“ sind.

      Eine Frau, die sich auf den Weg zu sich selbst begibt, muss die Brille von ihren Augen nehmen, gleichgültig ob diese grüne, rote oder blaue Gläser aufweist. Es gilt, die Augen zu schließen und nach innen zu lauschen. Was sagt der Körper? Was sagt die Seele? Welche Inspiration kommt vom eigenen geistigen Wesenskern?

      Die Antwort gibt dann nicht mehr die Ehefrau, die Mutter, die Geliebte, die Arbeitslose oder die Managerin; sondern die Antwort gibt das wahre ICH BIN.

      Wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich darüber nachdenken, was ich will!

       2.

       Was will ich?

      Es scheint für viele Menschen gleich schwer zu sein, auf diese Frage eine Antwort zu geben wie auf jene des ersten Kapitels. Das hängt natürlich mit dem Umstand zusammen, dass wir in einer Zeit leben, in der es eine schier unüberschaubare Auswahl an Möglichkeiten gibt, um sein Leben zu gestalten.

      Es gibt eine tiefsinnige buddhistische Weisheit, die besagt, dass die Probleme des Menschen weitgehend an drei Schwierigkeiten hängen, die alle mit dem Willen zu tun haben:

      1) Der Mensch will etwas haben, was er nicht bekommen kann.

      2) Der Mensch bekommt etwas, was er nicht haben will.

      3) Der Mensch weiß häufig nicht einmal genau, was er haben und was er nicht haben will!

      Um diese Probleme zu lösen, ist es erforderlich, sich von vielen liebgewonnenen oder bis zum heutigen Tag nicht wahrgenommenen Illusionen zu befreien. Der erste Schritt dazu besteht in einer nüchternen, realistischen Schau auf die Wirklichkeit des eigenen Lebens. Diese wird in der Regel durch vier Themen verstellt: Durch unreflektierte Wünsche, durch irreale Träume, durch unangemessene Erwartungen und durch unerlöste Traumata aus der Vergangenheit. Es erfordert Mut, sich diesen Themen vorbehaltlos zu stellen – wobei bereits die Arbeit mit einem der vier eine große Herausforderung sein kann.

      Wenn man in der Lebensberatung mit Frauen arbeitet, hört man sehr oft die folgende Aussage: „Ich spüre, dass ich in meinem Leben etwas ändern müsste – aber ich weiß nicht wirklich, was es ist. Im Grunde geht es mir gut, und ich habe alles, was ich benötige. Doch eigentlich ist es nicht das, was ich wirklich will!“ Diese ungesunde Situation führt in der Regel zu einer inneren Verwirrung, die sich schnell zur Verzweiflung steigern kann. Das löst dann noch größere Verunsicherung und Enttäuschung über die „Ungerechtigkeit des Lebens“ aus. Betrachtet man das aus einer inneren Sichtweise heraus, so erkennt man unschwer, wie viel Kraft die Einzelne in diesem Prozess lässt. Eine Kraft, die eigentlich benötigt würde, um einen konstruktiven Weg einzuschlagen. Es wäre also dringend erforderlich, sich aus diesem Gefängnis falscher Vorstellungen, Wahrnehmungen und Projektionen zu befreien.

      Der Hauptschlüssel zur Lösung dieser Situation besteht in der Unterscheidung zwischen der eigenen (inneren) Wirklichkeit und jener, die von außen vorgegeben wird. Erst wenn man erkennt,