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Lebendige Seelsorge 5/2015


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sind, mit einem gemeinsamen, ja mehreren Kindern, die sich in ihrer Rolle ganz harmonisch aufeinander abstimmen, Verantwortung für einander übernehmen und ohne Reibung und Konflikte ein glückliches Leben führen. Und irgendwie bleibt immer die traurige Frage: können zum Beispiel Alleinerziehende, ledige Väter und Mütter, Paare ohne Trauschein oder Menschen nach einer Scheidung dann überhaupt noch christliche Familie sein? Oder noch vorsichtiger gefragt: können sie zumindest etwas von dem verwirklichen, was mit diesem Ideal angesprochen ist? Ganz zu schweigen von denen, die heute als „Regenbogenfamilie“ beschrieben werden: gleichgeschlechtliche Paare mit (ihren) Kindern? Josef Römelt

      Aber auch Christen leben heute mit all den Spannungen, welche das moderne Leben mit sich bringt. Wenn „christliche Familie“ heißt, es geht um Familien, in denen Christen leben, dann gibt es sie auch heute in einer ganz großen Vielfalt.

      Auch Christen suchen zum Beispiel im Zerbrechen der Partnerschaft und des familiären Zusammenhalts nach hilfreichen Formen partnerschaftlicher Liebe und familialer Lebenskultur als Quelle der menschlich sinnvollen Bewältigung der Scheidungskonflikte. Das heißt: neue Modelle des gelungenen Zusammenlebens zwischen (Stief-)Eltern und Kindern, durch Scheidung entstehender Restfamilien und „Patchworkfamilien“ entstehen. Gerade aus einem bleibenden moralischen Anspruch heraus, der sich auch dann dem fordernden Wort Jesu und des Evangeliums verpflichtet fühlt, wenn eine Partnerschaft nicht gelingt und eine Familie zerbricht. Hier geht es gerade um Bewährung und Bewährung der Christlichkeit in der Krise, nicht ihre Aufgabe und ihren Verlust aufgrund der Spannungen, die ein Auseinandergehen von Partnern bedeutet und mit sich bringt!

      Und auch Christen erfahren – um ein weiteres Beispiel zu nennen – die Übernahme und Gestaltung einer gleichgeschlechtlichen Lebensform der freien Bestimmung der Betroffenen anvertraut. In erlittenen und gestalteten, durch Prägungen übernommenen und durch eigene Optionen gewählten Umständen und Konturen, in welche das persönliche Leben gerät und die es zugleich gewinnt, bekennen und entscheiden sie sich dazu, homosexuell zu sein. Wie bei den vielen anderen Seiten der eigenen Biografie – Berufswahl, Wahl des Wohnortes oder Ähnliches – bringen sie darin ihr Recht zum Ausdruck, ihr Leben entsprechend der individuellen Identität entfalten zu dürfen. Weil die Lebensgestaltung so tief mit der unmittelbaren Lebenswahrheit verbunden ist wie in der Wahl der Zahl der Kinder, in der Berufung zu Ehe und Familie oder etwa zum Ordensleben.

      Ja, auch Christen kennen die Sehnsucht nach einer befreienden Balance zwischen den Bedürfnissen aller Familienmitglieder. Sie müssen sich um eine vielfältige Phantasie bemühen, wie in den Rhythmen der modernen Lebenswelt die miteinander konkurrierenden Werte der Familie – die partnerschaftliche Begegnung, die gelungene Erziehung, der berufliche Erfolg, die gestaltete Freizeit – in eine Balance gebracht werden können. Die Anforderungen jedes Lebensbereiches (Beruf, Ausbildung, partnerschaftliche Beziehung, Lebensraum für die Kinder, Fürsorgepflicht) müssen in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Das ist nicht immer leicht! Und gelingt nicht immer einfach nur harmonisch!

      Die Vielfalt im Erleben von Sexualität, Partnerschaft und Familie ist in diesen Entwicklungen Ausdruck einer tiefen Lebendigkeit der freiheitlichen Kultur. Sie hat auch für viele Christen eine Erleichterung gegenüber bedrängenden Vorgaben mit sich gebracht, wie sie in der Vergangenheit gerade das kirchliche Milieu häufig geprägt haben. Eine Befreiung von Gewissensnöten, die eine zu enge kirchliche Moral erzeugt hat und eine Erziehung, welche die Freude an der Vitalität von Sexualität, Liebe und Partnerschaft auch bedroht hat. Und doch scheint die gegenwärtige Offenheit im Umgang mit der Liebe den Menschen nicht nur zu entlasten. Die „Liberalisierung“, die es „mehrfach in diesem Jahrhundert“ gegeben hat, hat zwar „den Abbau von oberflächlichen, bewusstseinsnahen Ängsten“ im Umgang mit menschlicher Sexualität und Liebe „gebracht“, aber sie scheint „auch neue Ängste“ erzeugt zu haben, „die Vertiefung schon vorhandener Ängste und absolut übertriebene Forderungen“. Und es stellt sich die Frage, ob der Mensch heute in Bezug auf die Erfahrungen geschlechtlicher Intimität, partnerschaftlicher Liebe und familiärer Entfaltung nicht mit neuen „Leistungszwängen, Beunruhigungen und Riskierungen“ lebt (Sigusch, 102f.).

      Muss man diese Risiken des modernen Umgangs mit Liebe und Familie, wenn man sie näher verstehen möchte, vielleicht vor allem in zwei Richtungen suchen? Führt die versuchte Offenheit intimer Beziehungen wohl auch zu Phänomenen psychischer Ausnutzung und Erschöpfung? Der fehlende Mut zur Bindung zur Vertiefung der Einsamkeit der Menschen – mitten in aller Offenheit der Intimität – bis hin zur Isolation? Vor allem aber scheint die Umdeutung der verschiedengeschlechtlichen Ehe heute auch zum Ausdruck einer Verschlossenheit der sexuellen Kultur zu führen. Kann sie die Offenheit der Liebe für Kinder nicht mehr als einen besonders tiefen Teil der Intimität verstehen?

      Wer sich z.B. zu einer gleichgeschlechtlichen Lebensgestaltung entschließt, drückt darin zugleich auch den Verzicht darauf aus, Kinder mit einem Partner (auf natürliche Weise) zu zeugen und ins Leben zu begleiten. Gleichgeschlechtliche Liebe trägt die Distanz zu natürlicher Entfaltung von Weitergabe des Lebens an Kinder und zur Vitalität familiären Lebens in sich. Dieses Faktum lässt sich nicht verdrängen und mit noch so großer Rhetorik von Gleichstellung der Familienformen, Emanzipation und (technisch-gestützter [künstliche Befruchtungshilfen]) Optionsvielfalt innerhalb moderner Gesellschaft verdecken.

      Jedenfalls ringt die gegenwärtige Gesellschaft um den Sinn der Bindung in der Liebe, um die Erfahrung der Beheimatung, die damit zusammenhängt. Und sie kämpft um einen Raum für die Familie, die sie mit ihren eigenen Zwängen weit an den Rand ihres lebendigen Lebens gedrängt hat. Faktum ist: In allen modernen Industrienationen hat mit dem wachsenden Wohlstand und der komplexen Entwicklung der Gesellschaft die Geburtenrate kontinuierlich abgenommen (Werz 2008). Und das gilt trotz aller sozialpolitischen Programme zur Entlastung von Eltern durch Kinderbetreuung, Karenz- und Elternzeit. Viele Paare leben lieber ohne Kinder, um den schwierigen Konflikten des Lebens mit Familie zu entgehen.

       CHRISTLICHE FAMILIE: HUMANÖKOLOGIE DER BELASTUNGSFÄHIGEN UND KINDORIENTIERTEN PARTNERSCHAFT

      Die Kirche erinnert daran, dass die Sexualität und das intime Glück nicht überfordert werden dürfen, damit nicht statt helfender Kraft zerstörerische Leere zurückbleibt. Der Glaube macht Sexualität und Liebe als Gabe Gottes verständlich. So werden sie in ihrer Schönheit, aber auch in ihrer Begrenztheit zugänglich. Und die Freude an der (intimen) Liebe kann das Leben des Menschen bereichern, ohne dass er sich im Rausch verlieren muss – eine Gelassenheit, die so wichtig ist, gerade weil so große Erwartungen für das menschliche Glück an Partnerschaft und Familie geknüpft werden.

      Die Idee der christlichen Familie macht auch heute noch bewusst, dass die Liebe den Mut zu einem verlässlichen Engagement braucht. Ohne Treue verliert sich der persönliche Impuls so merkwürdig rasch in trauriger Einsamkeit und bitterer Isolation. Die Liebe lebt immer auch vom Glauben der beiden Partner an ihre Stabilität, besonders in den Konflikten. So macht sich der Glaube zum Anwalt der Hoffnung, dass das gemeinsame Leben trägt – eine Ressource, die in den raschen Rhythmen des gegenwärtigen Lebens unabdingbar notwendig ist. Sie erhebt Einspruch gegen die Skepsis, die immer schon mit dem Scheitern rechnet.

      Und der Glaube bewahrt mit seinem ureigensten Wissen um das Leben als Geschenk Gottes auch das innerste Gespür dafür, dass es einen durch nichts zu ersetzenden Sinn hat, Kinder zu haben. Diese Fruchtbarkeit der Liebe in den Kindern, welche die Zukunft in ihren kleinen Händen halten, kann durch kein noch so radikales berufliches oder gesellschaftliches Engagement eingeholt werden. Die dankbare Erfahrung der Leben schenkenden Gabe Gottes hält den Zugang zu diesem Eigenwert der Familie offen. Er droht in den Zwängen des differenzierten Lebens immer stärker von den gesellschaftlichen Interessen verdrängt zu werden.

      So entsteht eine vieldimensionale religiöse und menschliche Semantik des Vertrauens und der Sinnerfahrung. Sie bildet die Mitte des Verständnisses christlicher Familie. Der theologische Fachbegriff, der diese Zusammenhänge ausdrückt, spricht von der Sakramentalität ehelicher Liebe. Nach dem Verständnis des christlichen Glaubens gehören zu einer solchen Erfahrung: die eindeutige, vorbehaltlose Intention der Partner, sich in der Liebe aneinander zu binden,