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Lebendige Seelsorge 5/2015


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Gott und der gemeinsame Lebensweg der Partner innerhalb der Gemeinschaft der Kirche. Die theologische Aussage von der Ehe als Sakrament gründet auf der Erfahrung der möglichen Radikalität solcher Liebe. Und diese kann nach dieser Deutung dadurch zum Ort einer einzigartigen Erfahrung belastungsfähiger, durch die ganze Lebensgeschichte tragender Liebe, ja der Nähe Gottes werden – nicht nur für die Partner, sondern auch für ihre Familie, für die Kirche selbst und die Gesellschaft.

      Wirkliche Liebe kann man nicht kaufen. Sie ist nicht Gegenstand von Interesse geleiteter Verhandlung und Abmachung. Sie unterliegt nicht der Macht des Staates und den Einflüssen der Gesellschaft. Aber auch nicht nur den Wünschen und Vorstellungen der Partner, der Eltern, Kinder und familiären Einflüssen. Sondern sie hat ihre Wurzeln in der Tiefe des menschlichen Herzens, in der sich zwei Menschen frei, selbstbestimmt und ohne Bedingungen für einander entscheiden. Und sie ist ein Geschenk Gottes, die Gabe einer Institution, besser eines Hauses, in dem sich die Partner einander Geborgenheit schenken und sie zugleich von Gott verliehen bekommen. Ihre Entscheidung geht in dieser Beheimatung so tief, dass sie sich nach dem gemeinsamen Kind sehnen. Sie denkt nicht an das Scheitern, weil sie die Hoffnung des Glaubens in sich trägt und von der Gemeinschaft der Glaubenden Kraft und Solidarität empfängt. Und so ist sie von der Sinnerfahrung in der Beziehung zu Gott getragen. Sie wird selbst zum Ort, an dem spürbar wird, was Liebe überhaupt meint: Geborgenheit und Offenheit, wie sie menschliches Vertrauen zueinander und zu Gott möglich, ja das Vertrauen Gottes in den Menschen sichtbar machen.

      Kulturgeschichtlich gesehen hat diese Deutung jedenfalls eine ganz wesentliche Aufgabe für die Gestaltung der partnerschaftlichen Liebe, der Familie und ihre menschliche Würde gehabt: Einheit, Konsensgebundenheit (Freiheit), Unauflöslichkeit, Zeugungsoffenheit und Rechtssicherheit haben historisch gesehen die Entwicklung zu einem personalen Verständnis der Paarbeziehung und familiärer Beziehungen überhaupt erst ermöglicht. Das wird heute schnell vergessen. Denn dieses Verständnis erscheint uns – trotz aller Suche nach gewissen Alternativen oder besser Anpassungen an das moderne Leben – als selbstverständlich.

       JENSEITS MORALISCHER BEWERTUNG

      Sicherlich: Die Gefahr einer solchen Sicht der Gestaltung von Partnerschaft, ehelicher Liebe und christlicher Familien – gerade im binnentheologischen und innerkirchlichen Diskurs – ist, dass sie als moralische Bewertung missverstanden wird. Dann wird sie zum Verständnis einer eng umschriebenen Form von Intimität und familiärer Gemeinschaft als einzig wertvoller Lebensform der Liebe.

      Aber es geht gerade nicht um solche Verurteilung, Herabsetzung, Diffamierung und Demütigung. Die im Bild von der christlichen Familie ausgedrückten Grundlagen unserer Beziehungskultur müssen das Geheimnis von partnerschaftlicher Liebe und vom Leben mit Kindern (Familie) von sich selbst her in ihrer tragenden und verbindenden Bedeutung zur Geltung bringen – über alle Konflikte und Reibereien zwischen den unterschiedlichen partnerschaftlichen und familiären Lebensformen hinweg. Weil es da überhaupt nicht um Diskriminierungen geht, nicht um ein Ausspielen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft, nicht um einen Kampf zwischen gemeinsamen Kindern, Patchworkfamilien, Adoptivbeziehungen usw.

      Die Ehe zwischen Frau und Mann und die Familie mit ihren gemeinsamen Kindern wird auch in Zukunft der Kern familialer Lebensformen bleiben. Man muss kein Prophet sein, um das zu sagen. Zugleich ist aber eine Deklassierung anderer Lebensweisen ganz unnötig, ja unmenschlich und ungerecht. Es geht vielmehr um gelassene Ehrlichkeit, die Verschiedenheiten gelten lässt ohne alles gleichmachen zu müssen, um Offenheit in kluger und sachgerechter Abwägung der (auch natürlichen) Rechte von Kindern, Frauen und Männern und in Achtung vor dem Gebot Gottes.

      Vielleicht lässt sich ein solches Verständnis christlicher Familien als Bewegung der ganzen Kirche beschreiben. Es wäre ein Verständnis, das den Gläubigen in einer zweiten Ehe Mut machen kann, sich einer neuen Zukunft in ihrem Leben zuzuwenden und sich nicht etwa auf die gescheiterten Beziehungen mit den damit verbundenen Schuldgefühlen, Beziehungsängsten und Erschütterungen von Selbstbewusstsein und Vertrauen zu fixieren. Ein Verständnis, das sie vielmehr in das gemeindliche Leben integriert bis hin zu den sakramentalen Vollzügen der Beichte und Eucharistie. Es wäre ein Verständnis, welches die unterschwellige Verachtung der gleichgeschlechtlichen Liebe, die auch in der offenen Gesellschaft als Versuchung nicht einfach verschwunden ist, überwinden hilft. Weil eine Verurteilung völlig unangemessen ist. Weil auch in ihr etwas jenseits dogmatischer, kirchenrechtlicher und liturgischer Hochform von der sakramentalen Würde menschlicher Liebe und Fruchtbarkeit Wirklichkeit wird.

      Umgekehrt ist dieses Verständnis darauf angewiesen, dass sich Menschen in der Krise ihrer familiären Beziehungen, ja auch beim Zerbrechen ihrer Ehe unter das Wort Jesu stellen und ihr Gewissen auf die Verpflichtungen einer verantwortlichen Bewältigung dieser Erfahrungen hin befragen lassen. Es beinhaltet auch, dass die Betreffenden ihre gleichgeschlechtliche Partnerschaft gestalten, ohne Angst zu haben, dadurch diskriminiert zu werden, dass die Ehe zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern in der Kirche einen eigenen (sakramentalen) Sinn hat. Menschen, die ihre gleichgeschlechtliche Liebe zu leben vermögen, ohne dass sie das tiefe Geheimnis des gemeinsamen Kindes verschiedengeschlechtlicher Eltern in Atemlosigkeit bringt. So geht es um eine gemeinsame Glaubenspraxis, welche die Verschiedenartigkeit der Beziehungsformen achtet, indem sie die besondere Stellung der verschiedengeschlechtlichen Ehe, lebensgeschichtlicher Treue und des Mutes zur Familie sowie ihre Bedeutung für die Gesellschaft bewusst hält. Damit tatsächlich ein integrierter Lebenssinn für alle Beziehungsformen erfahrbar wird!

      Josef Römelt

      geb. 1957, Redemptorist, Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt; Gastprofessor an der Accademia Alfonsiana und Gregoriana (Rom).

       LITERATUR

      Sigusch, V., Anti-Moralia. Sexualpolitische Kommentare, Frankfurt a. M. 1990.

      Werz, N. (Hg.), Demografischer Wandel (Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft 25), Baden-Baden 2008.

       Wider das Familienhurra in der Kirche

      Im katholischen und evangelikalen Milieu rechtskonservativer Prägung grassiert ein unreflektierter bis ideologischer Familismus. Er treibt bisweilen groteske Blüten und dient mehr der Selbstbestätigung als der Nachfolge Jesu Christi. Denn das Christentum ist weder Familienreligion noch Fruchtbarkeitskult. Andreas Püttmann

      Beginnen wir mit einigen Schlaglichtern aus dem katholischen Leben:

      

2007 nahm eine mir bekannte Theologin – Anfang 50, ledig, kinderlos – erstmals am Kongress „Freude am Glauben“ des „Forums deutscher Katholiken“ teil, wo ich referierte. Als konservative Katholikin passte sie eigentlich gut dorthin. Dachte ich. Aber als Eva Herman unter frenetischem Beifall ihre Hymne auf Ehe, Mutterschaft und Familie vortrug, wichen Freude und Identifikation meiner Freundin zusehends einer Beklommenheit. Sie fühlte sich unter diesen Familientrunkenen fremd. „Dahin geh’ ich nie wieder; sowas brauch’ ich nicht“, sagte sie später und meinte nicht nur die Rede der konfessionslosen TV-Prominenten, die zur Bannerträgerin der christlichen Sache hochstilisiert worden war.

      

Im November 2009 bescheinigte Martin Lohmann vom „Arbeitskreis Engagierter Katholiken“ in der CDU der jungen Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (später: Schröder) gleich zu ihrem Amtsantritt, „sich selbst weder politisch noch persönlich mit Ehe und Familie befasst“ zu haben – nur weil sie erst verlobt und nicht schon verheiratete Mutter war. Unsinn natürlich, denn jeder Mensch befasst sich von Kind auf mit Ehe und Familie – der eigenen und anderen. Selbst kreuzbrave, ehewillige Spätzünder sind eben nicht davor sicher, wegen „Familien-Defiziten“