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Lebendige Seelsorge 3/2016


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behandelte in der Schöpfungslehre auch die Frage nach dem Zustand der Menschen in einer Welt ohne Sünde, so z.B. F. Suarez (1548-1617) im 5. Band seines Buches über das Sechs-Tage-Werk unter der Überschrift: De statu quem habuissent in hoc mundo viatores, si primi parentes non pecassent. Der Sündenfall ist schließlich freie, kontingente Tat. Er musste nicht sein, er kam Gottes Plänen gewissermaßen in die Quere. Wie wäre es denn mit der Welt gegangen, wenn die Sünde nicht passiert wäre, wenn also das eingetreten wäre, was Gott eigentlich wollte? Wie hätte die Welt nach Gottes Willen ausgesehen? Diese Frage weckt theologische Neugier.

      Thomas von Aquin behandelt sie ausführlich im ersten Teil seiner theologischen Summe (qu. 94101). Er fragt nach der Erkenntnis der Menschen im Unschuldsstand, z.B. ob sie die Engel schauen konnten – nein, jedenfalls nicht in ihrer Wesenheit, und ob sie getäuscht werden konnten (nein; das schränkt allerdings das Fußballspielen schon sehr ein). Er fragt nach ihren Leidenschaften (sie hatten nur solche, die dem Urteil der Vernunft folgten; das würde man sich für Spieler wünschen). Er fragt, ob sie über die Tiere geherrscht hätten (uneingeschränkt ja) und auch über die Menschen (ja, aber nur im Sinne einer Leitung zum Guten), ob sie der Nahrung bedürftig waren (ja), ob sie sich geschlechtlich vermehrt hätten (ja, aber ohne unbeherrschte Begierde), ob auch Mädchen geboren worden wären (ja, notgedrungen, so der ausgemachte Misogyniker Thomas), ob die Kinder sich körperlich und geistig entwickelt hätten (ja), ob sie mit der Urstandsgerechtigkeit ausgestattet gewesen wären (ja) und ob sie darin schon von Geburt an gefestigt gewesen wären (nein) usw.

      Die (neulateinische) Frage „Utrum homines in statu innocentiae folle pedibusque lusissent‘ (ob die Menschen im Stande der Unschuld Fußball gespielt hätten) findet sich zwar nicht, aber sie wäre in dieser Reihe durchaus denkbar gewesen. Wir wollen versuchen, sie im Geist des Aquinaten zu beantworten. Thomas kannte die spätere Bedeutung des Fußballs noch nicht; warum das so ist, wird uns gleich noch beschäftigen.

       Thomas Ruster

      geb. 1955 in Köln, Prof. Dr. theol.; seit 1995 Professor für Systematische Theologie/Dogmatik an der TU Dortmund; Arbeitsschwerpunkte: Religionsunterricht als Ort der Theologie, Theologie der Mächte und Gewalten, Die drei Ämter Jesu Christi und die Ämter in der Kirche.

       DIE BRAUTGABEN DER STARS

      Bei der Suche nach fußballaffinen Stellen in der Dogmatik stößt man auf die Lehre von den Brautgaben (dotes). Und wieder sind wir im Paradies, aberjetzt im Paradies am Ende der Zeiten, in das die Leiber der Erlösten von Gott versetzt werden (vgl. Gutberlet, 878-900; Diekamp, 395397). Der himmlische Bräutigam übergibt den Erlösten eine Mitgift (dos), so die Dogmatik in einer durchaus poetischen Sequenz. Für die Seelen besteht diese in der visio (die Gabe, Gott zu sehen), der comprehensio (die Gabe, ihn zu verstehen) und der fruitio (die Gabe, ihn zu genießen). Diese drei Gaben sind analog zu Glaube, Hoffnung und Liebe auf Erden. Für unseren Zusammenhang sind aber besonders die Gaben von Bedeutung, die der verklärte Leib nach der Auferstehung erhält. Diese sind Klarheit (claritas), Feinheit (subtilitas), Behendigkeit (agilitas) und Leidensunfähigkeit (impassibilitas).

      Und da muss man doch gleich an die großen Stars des Fußballs denken! Machen wir es an dem größten, dem fünffachen Weltfußballer Lionel Messi fest. Welcher Glanz, welche claritas ist um ihn! „Ist Messi der beste Fußballer aller Zeiten? Ich sage: Ja!“, sagt Ottmar Hitzfeld, der ehemalige Trainer des BVB (vgl. unten angegebene Internetadressen). „Messis berühmter Landsmann Diego Maradona reihte sich ein in die Schar der Verehrer: ‚Lionel Messi wird besser, als ich es je war!‘“. Entsprechend glanzvoll ist die Auszeichnungsfeier zur Überreichung des „FIFA Ballon d’Or“. „Geladen sind die allerbesten Spielerinnen und Spieler der Welt – und alle werden da sein, ihre Planung darauf ausrichten, dass sie persönlich vor Ort präsent sein können.“

      Dabei ist Messi persönlich so bescheiden, so sympathisch. „Wenn Messi sich mit seinem breiten Lächeln und dem so grenzenlos verdienten Ball seiner großen Nacht vor die spanischen Reporter stellt und behauptet, dass er vor allem froh sei, dass die Mannschaft gewonnen hätte, dann glaubt man ihm das. Er ist niemand, der sich zwanghaft profiliert, der sich gerne im Mittelpunkt sieht.“ Seine Fans macht er glücklich, sein Glanz strahlt auch auf sie aus. „Litt Messi als Kind noch unter Hormonmangel, so verursachte er bei seinen Fans einen Überschuss an Glückshormonen.“

      Theologisch bedeutet die claritas „die Beseitigung alles Unschönen, Entstellenden, Beschämenden, positiv einen glanzvollen Lichtschein, den die verherrlichte Seele in dem Leib bewirken wird.“ Sie ist „ein Lichtglanz, die vom verklärten Körper ausgestrahlt wird“, so wie sie von Messis breitem Lächeln ausstrahlt. Auch in Hinsicht auf die subtilitas hat Messi die paradiesische Auszeichnung offenbar schon erhalten. „Diese Eigenschaft besteht wesentlich in der virtus penetrandi, d.i. in der Fähigkeit, körperliche Dinge zu durchdringen.“ „Die rohe grobe Stofflichkeit des Körpers wird beseitigt und den Eigenschaften des immateriellen Geistes genähert.“ Bei Messi: „So elegant und mühelos lässt er seine scheinbar zu Eis erstarrten Gegenspieler stehen. Als sei nichts einfacher auf dieser Welt. Gegen diese Art Fußball zu zelebrieren kann wohl kein noch so schneller und gewitzter Verteidiger etwas ausrichten.“

      Seine virtus penetrandi beweist er vor der gegnerischen Abwehrmauer. Darin zeigt sich zugleich seine agilitas, seine Behendigkeit. „Ihr Grund ist die vollkommene Beherrschung des Leibes durch die Seele, und ihr Inhalt besteht darin, daß der Leib ungehindert und behend dem Geiste in alle Bewegungen und Tätigkeiten zu gehorchen vermag.“ Das ist es doch, was wir bei den großen Spielern bewundern – die traumwandlerische Sicherheit, mit der Pässe ankommen, die unfassbare Leichtigkeit, mit der sie ihre Gegenspieler ausdribbeln. Beim Dribbelkünstler Messi scheint es Zauberei zu sein: „Selbst verzweifelte Versuche den kleinen, so unwahrscheinlich beweglichen Argentinier mit unfairen Mitteln zu bremsen, bleiben oft erfolglos. Zu schnell ist dieser Ballvirtuose, zu sehr liebt er es das runde Leder eng an seinen Zauberfüßen zu führen, als dass er einen freiwilligen Fall in Erwägung ziehen würde.“ „Keine Lobeshymne scheint zu bombastisch für Messis Dribbelkünste, kein Superlativ zu übertrieben für den Ballartisten aus Rosario.“ „Seine perfekte Technik beim Tempo-Dribbling, sein linker Fuß, sein wuchtiger Abschluss, die hohe Spielintelligenz, die Intuition, in noch so schwierigen Situationen das Richtige, das Großartige zu tun, machen Messi einzigartig“ (Hitzfeld).

      Und dann die Leidensunfähigkeit. Sie beeindruckt unsereinen, der mit seinem schwerfälligen und dumpfen Leib (so die Schilderung der Leiber der Verdammten) auf dem Sofa sitzt, immer wieder. Da ist ein Spieler schwer gefoult worden und wälzt sich schmerzverzerrt am Boden. Unsereiner würde einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt in Aussicht nehmen. Aber der Spieler steht wieder auf und spielt weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Und Messi: „Wenn man ihn da so stehen sieht: Verschwitzt, dreckig, mit dem Ball unter dem Arm, dann meint man nur einen kleinen Jungen zu sehen, der gerade von seinem geliebten Fußballspiel kommt und nun seiner stolzen Mutter erzählt, wie glücklich er ist.“ Alle Leiden sind vergessen, als habe es sie nie gegeben. Und dies meint auch die impassibilitas im theologischen Sinne: Sie ist „bei dem glückseligen Zustand der Himmelsbewohner selbstverständlich“, sie verlangt „volle Beseligung an Leib und Seele als dauernde Zuständlichkeit“, sie besteht „in einer vollkommenen Herrschaft der Seele über den auferstandenen Leib, die durch nichts aufgehoben oder beeinträchtigt werden kann“, auch nicht durch die Leiden und Qualen eines aufreibenden Matchs.

      Ich halte diese Entsprechungen zwischen der Lehre von den Brautgaben und den Eigenschaften eines Weltklasse-Fußballers wie Lionel Messi nicht für zufällig, ich halte sie für höchst aufschlussreich. So fern sich die Texte der scholastischen Eschatologie und die Blogs der Fußballbegeisterten auch stehen, sie kommen doch beide aus derselben Sehnsucht: die nach der vollkommenen Harmonie von Leib und Seele, nach Charme und freudigem, ansteckenden Glanz, nach Leichtigkeit und Beschwingtheit, nach einem stabilen Glückszustand, der, wenn er auch oft mühsam erreicht werden muss, alle Leiden vergessen lässt.

      Sicher gibt es auch andere Erfahrungen im Leben, die an den Zustand der verklärten Leiber gemahnen: die Beschwingtheit durch Musik, beim Tanzen, beim ausgelassenen Feiern. Alle