um Missverständnissen vorzubeugen, klar und deutlich zu sagen: Es geht keineswegs um eine Konkurrenz zum – unerlässlichen! – Presbyteramt. Es geht um viel mehr. Es geht darum, dass die Glocken gut angeschlagen werden und nicht die eine oder andere unbeachtet immer übersprungen wird. Es geht für uns alle um das Glück und den hohen Auftrag des Christseins, um das leise Anschlagen unserer königlich priesterlichen und prophetischen Würde und Kompetenz mit Christus, wie sie uns allen persönlich und gemeinsam in der Taufe geschenkt und in der Salbung mit dem Chrisam als Zeichen der Würde der Christusgemeinschaft zugesprochen und zugeeignet ist.
In den letzten Jahren wird von dem noch jungen 21. Jh. als von einem »Jahrhundert der Laien«10 gesprochen.11 Die Grundlage für eine solche begrüßenswerte Perspektive kann nicht nur der Mangel an Presbytern sein, sosehr dieser nach bisher nur schwer in den Blick zu bekommenden Lösungen ruft. Zweifellos ist in dem Wort von einem solchen Jahrhundert auch nicht an einen »Handstreich« des christlichen Volkes gegenüber seinen Amtsträgern gedacht, sondern vielmehr an einen Aufbruch der ganzen Kirche. Die Perspektive eines solchen Jahrhunderts ist nur möglich auf der Basis eines Bewusstseinswandels des ganzen Volkes Gottes, auf der Basis also eines Einverständnisses aller im Bezug auf das, was allen gemeinsam ist. Mit Freude wäre einem Jahrhundert entgegenzusehen, in dem alle Getauften bewusster aus dem einen ihnen allen gemeinsamen Priestertum lebten, mit entsprechendem Lebensraum dafür. Die Perspektive einer solchen Epoche betrifft also – und das darf nicht übersehen werden – nicht nur die »Laien«, sondern ganz ebenso die mit einem Amt in der Kirche / in den Gemeinden Betrauten. Denn Volk, griech. λαός – laós, und damit »Laien« in der Schule Gottes sind wir ja alle gemeinsam.
Ein wichtiger Hinweis auf diese Zusammengehörigkeit findet sich schon ganz am Anfang unseres Glaubens: Dort stehen weder hier Priester/Leitung noch dort Volk/Gemeinde. Vielmehr stehen da Menschen, die Jesus in seine Nachfolge, seinen Dienst und seine Gemeinschaft gerufen hat. Diese Menschen – nicht nur »die Zwölf« hervorgehobenen und Apostel genannten, sondern auch weitere Jünger und Jüngerinnen – sind in den Evangelien sowohl als glaubendes, hörendes und liebendes, in die Schule und Erziehung Jesu genommenes Volk als auch in verschiedener Weise als Offenbarungszeugen und -zeuginnen, als Beauftragte, Bevollmächtigte, zukünftige Leitungsverantwortliche angesprochen. Sie sind mit allen ihren Stärken und Schwächen, die auch die unseren sind, auf dem Weg mit Jesus, hinter ihm her. Sie sind kein »Klerus«! Das ganze Volk Gottes, das in ihnen mit Jesus auf dem Weg ist, ist Anteil (κλ
ρος) des Herrn. Viel zu tief ist die Gemeinsamkeit, die Verbundenheit mit uns allen in ihrer offen einbekannten menschlichen Bedürftigkeit auf ihrem Glaubensweg mit Jesus. Viel zu nahe sind sie uns auch im Bekenntnis ihrer eigenen Schwäche. Sie sind zuallererst Menschen und Christen auf dem Weg, der Jesus ist. Das ist ihre Lebensquelle, die sie ganz erfüllt und dankbar und glücklich macht und sie urmächtig zum Zeugnis drängt. Wie viel mehr hat uns doch in allen christlichen Generationen die selbst eingestandene und weitererzählte Verleugnung und Umkehr des Petrus geholfen als alle Bestrebungen des Erhabensein-Wollens in der Kirchengeschichte bis heute. Welche Geschichte einer Liebe! Das oft zitierte Wort des Bischofs Augustinus, dem wir weiter unten nochmals begegnen werden, ist und bleibt erstaunlich zutreffend: »Wo mich erschreckt, was ich für euch bin, tröstet mich, was ich mit euch bin. Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ. Jenes bezeichnet das Amt, dieses die Gnade; jenes die Gefahr, dieses das Heil.« Im Gemeinsamen also liegen die Gnade und das Heil. Ein Jahrhundert der »Laien«, eine Belebung des Priestertums aller könnte uns allen viel Gnade und Heil bewusst und zugänglich machen.Das Zweite Vatikanum hat das Bild einer Communio-Kirche, einer Kirche des einen »Volkes Gottes« entworfen, in fundamentaler Gleichheit aller, das Bild jener »neuen Gesellschaft«, wie sie von Anfang an war, in der ein Kirchenbild mit einer Gliederung wie z.B. in eine »lehrende« (Klerus) und eine »hörende« (Laien) Kirche keinen Platz mehr hat. Hörende Kirche sollten vielmehr alle sein und werden! Und ebenso lehrende im Sinne des Lebens und Weitertragens der Botschaft.
»Eines ist also das auserwählte Volk Gottes: ›Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe‹ (Eph 4,5); gemeinsam die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit … und ungeteilt die Liebe … Es ist also in Christus keine Ungleichheit aufgrund von Rasse und Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht; denn ›es gilt nicht mehr Jude und Grieche, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid ihr einer in Christus Jesus‹ (Gal 3,28; vgl. Kol 3,11) … alle (sind) zur Heiligkeit berufen … Wenn auch einige nach Gottes Willen als … Hirten für die anderen bestellt sind, so waltet doch unter allen eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi« (LG 32). Das sind Konzilsworte, die noch verbreitet in der Kirche bis hinein in manche Seelsorgepraxis nicht wirklich Boden gewonnen haben. Allein schon atmosphärisch wäre sonst vieles anders.
»Kreative, gleichrangige, wechselseitig wertschätzende Verhältnisse« müssen entstehen, damit das Geschenk des Selbstverständnisses der Kirche als das eine »Volk Gottes« bewusst werden kann. Das ist Auftrag der Kirche und ergeht in erster Linie an das Leitungsamt selbst, also an diejenigen, die im Dienstamt des Presbyters stehen. Denn sie haben die größere Möglichkeit und Mächtigkeit des Gestaltens. Das vorliegende Buch möchte ein Impuls und Beitrag dazu sein, diese Verantwortung wahrzunehmen. Denn ich bin auch überzeugt, dass mit der wirksamen Entdeckung und Wahrnehmung des gemeinsamen Priestertums aller Glaubenden zugleich »die spirituelle Notwendigkeit und das geistliche Geschenk, das im Amtspriestertum steckt«, wieder deutlicher erkennbar wird.12
Unsere gemeinsame Hoffnung verleiht uns ein »stolzes Bewusstsein«, so übersetzt die Einheitsübersetzung in Hebr 3,6. Das ist ein Kennzeichen dieser neuen Gesellschaft. Es verbindet uns alle, ob Amtsträger oder nicht, auf unseren Herrn gestellt in gleicher Weise.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.