Dieter Radaj

Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst


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es das Moment des Seins im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung bringt. Sein im welthaften Sinn ist die Manifestation des Seins des Vonwoher. So gesehen ist die Welt nicht mehr bloßes Aggregat vorhandener Dinge und auch kein bloßer gesetzmäßiger Zusammenhang. Die Welt muss als vom Vonwoher ermöglicht begriffen werden. Das führt zur Demut vor der Tiefe der Welt.

      Das zweite Moment ist die Nichtigkeit. Die Nichtigkeit des welthaft Wirklichen, die erst dessen Fraglichkeit ausmacht, muss ebenfalls als durchscheinend verstanden werden, diesmal so, dass sie das Moment der Nichtigkeit im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung bringt. Nichtigkeit im welthaften Sinn, etwa das Verfallensein an Untergang und Tod, ist die Manifestation der Nichtigkeit des Vonwoher. Damit wird es unmöglich, sich an das Bestehende zu klammern. Das scheinbar Gesicherte ist ungesichert. Der Mensch muss dem Vertrauen auf das Sein der Dinge entsagen. Er muss den Tod ebenso wie das Leben achten.

      Das dritte Moment ist das Schweben zwischen dem Sein und der Nichtigkeit. Dieses Schweben des welthaft Wirklichen zwischen Sein und Nichtsein bringt das Moment des Schwebens im Vonwoher und in dessen Vorgehen in Erscheinung. Deshalb lässt sich nicht ein für allemal und in theoretischer Reflexion ausmachen, welches Seiende in seinem Bestehen unterstützt und welches dem Untergang preisgegeben werden soll. Was konkret zu tun ist, lässt sich nur im Augenblick entscheiden.

      Innerhalb der Weltwirklichkeit hat der Mensch besondere Aufgaben. Indem das Vonwoher in seinem Vorgehen die Wirklichkeit als fraglich erscheinen lässt, verlangt es, dass der Mensch darauf antwortet. Das geschieht im Fragen, vorzüglich im radikalen Fragen. Das Vonwoher kann als Ruf in die Frage verstanden werden, was überhaupt erst die fragende Existenz ermöglicht. Da fragend die Distanz zur Weltwirklichkeit gewonnen wird, ist der Ruf in die Frage gleichbedeutend mit dem Ruf in die Freiheit. So ist der Mensch das in seine Freiheit gerufene Wesen, aber zugleich in der Verantwortung vor dem Vonwoher.

      Den vorstehend beschriebenen Haltungen des Menschen gegenüber der Weltwirklichkeit und gegenüber der eigenen Existenz fügt Weischedel zwei Grundbestimmungen hinzu: die Haltung der Offenheit und die Haltung des Loslassens, von Weischedel »Abschied« genannt.

      Die Offenheit ist Voraussetzung für das Fragen. Sie ist unabdingbares Postulat für den, der sich vom Vonwoher bestimmt weiß. Im konkreten Dasein bedingt das die Bereitschaft zum Gespräch und die Respektierung des Gesprächspartners. Offenheit heißt aber auch, sich für die Fraglichkeit aller Wirklichkeit zu öffnen.

      Das Loslassen schließt das Wagnis ein, sich auf das Ungewisse einzulassen. Es umfasst den Mut zur Selbstaufgabe und das Bestreben, im ganzen Bereich des konkreten Daseins seine Freiheit zu erringen und zu bewahren. Diese Haltung hat den Charakter des Schwebens zwischen der Selbstverständlichkeit des Seins und den Verlockungen des Nichtseins. Sie kann als Gelassenheit bezeichnet werden. Sie lässt den Menschen sich selbst finden und führt ihn zu seiner wesenhaften Freiheit. Gelassenheit im Tun bedeutet Sachbezogenheit. Abschließend formuliert Weischedel: »Gott, das Vonwoher, ist Geheimnis, und der Mensch hat es abschiedlich als Geheimnis zu wahren«.

      Bevor eine Wertung der philosophischen Theologie Weischedels versucht wird, wird deren Inhalt nochmals zusammengefasst, um den Überblick zu erleichtern.

      Am Anfang steht bei Weischedel der freie Grundentschluss zum Philosophieren, Letzteres verstanden als Fragen, Infragestellen und Weiterfragen, weiter verschärft zum radikalen Fragen nach Sein und Sinn. Dieser Grundentschluss geht von der philosophischen Grunderfahrung der Fraglichkeit von Weltwirklichkeit und Menschenexistenz aus: Fraglichkeit als ein Schweben zwischen Sein und Nichtsein sowie zwischen Sinn und Sinnlosigkeit. Diese Grunderfahrung wird als »unmittelbar präsent« bezeichnet. Dem heutigen Stand der Philosophiegeschichte entsprechend, erfolgt das radikale Fragen in Form des »offenen Skeptizismus« (kein Verneinen der Möglichkeit von Wahrheit), des »offenen Atheismus« (kein Verneinen der Möglichkeit eines Gottes) und des »offenen Nihilismus« (kein Verneinen der Möglichkeit von Sein und Sinn).

      Der Inhalt der philosophischen Theologie Weischedels stellt sich in kürzestmöglicher Form wie folgt dar: Die Fraglichkeit der Welt- und Menschenwirklichkeit tritt in Erscheinung als ein Schweben zwischen Sein und Nichtsein sowie zwischen Sinn und Sinnlosigkeit. Das Vonwoher ist das Letzte, wohin das philosophische Fragen in seinem Rückgang hinter die Grunderfahrung der radikalen Fraglichkeit gelangen kann. Das Wesen des Vonwoher ist Geheimnis, aber auch mächtiges Vorgehen, das den ständigen Prozess des Schwebens zwischen Sein und Nichtigkeit in der Wirklichkeit unterhält.

      Als Folgerung ergibt sich, dass die Weltwirklichkeit nicht selbstverständliches Bestehen, sondern Fraglichkeit ist. Die Fraglichkeit besteht in den Momenten des Seins, der Nichtigkeit und des Schwebens zwischen Sein und Nichtigkeit. Die als fraglich angesehene Weltwirklichkeit verschafft dem Menschen eine absolute Distanz, die die wesenhafte Freiheit des Menschen begründet. Weitere Haltungen zur Weltwirklichkeit sind Demut vor der Tiefe der Welt, Achtung vor Tod und Leben sowie angemessene Augenblicksentscheidungen. Die besondere Aufgabe des Menschen besteht in dem Ruf in die Frage, der zum Ruf in die Freiheit wird, eine vor dem Vonwoher zu verantwortende Freiheit. Zwei Grundbestimmungen werden von Weischedel hinzugefügt: die Haltung der Offenheit im Gespräch und die Haltung des Loslassens aller Gewissheit.

      Die philosophische Theologie Weischedels gibt sich also bescheiden. Das Problem des Brückenschlags von der Endlichkeit zur Unendlichkeit bleibt zwar ungelöst, aber der vom Endlichen her rational verantwortbare Brückenkopf ist errichtet. Mehr ist dem radikal fragenden Menschen nicht möglich. Hervorzuheben ist, dass die Fraglichkeit bereits im Vonwoher anwesend ist, also keinen nur innerweltlichen Defekt darstellt.

      Nunmehr sei nach dem Wert von Weischedels philosophischer Theologie gefragt. Zunächst stellen deren Rationalität und Bescheidenheit einen Wert an sich dar. Die Theologie des Vonwoher dürfte für jeden denkenden Menschen unabhängig vom kulturellen und religiösen Herkommen einsichtig sein. Andere Kulturen beinhalten andere Sprachen, andere Sprachen eine andere Begriffswelt besonders im Bereich der abstrakten Allgemeinbegriffe. Die Theologie des Vonwoher dürfte bei Übersetzungen und damit bei fremdkultureller Rezeption kaum Schwierigkeiten bereiten, weil die verwendeten Begriffe nicht abstrakt, sondern anschaulich und elementar sind.

      Damit wird aber nicht behauptet, die philosophische Theologie des Vonwoher sei eine kulturunabhängige Sicht der Wirklichkeit. Es wird lediglich gesagt, dass sie dem nachdenkenden Menschen kulturunabhängig einsichtig sein dürfte. Der philosophische Weg des fragenden Nachdenkens bleibt dennoch eine spezifisch abendländische Vorgehensweise. Eine ganz andersartige geistige Welt der Zielsetzungen, Begriffe und Analogien entfaltet sich beispielsweise in den »philosophischen« Grundtexten des Buddhismus. Diese Grundtexte sind eher psychisch fundierte Wegweisungen für das Erwachen zur eigentlichen Wirklichkeit.

      Der unmittelbare Wert der philosophischen Theologie des Vonwoher im Bereich der Offenbarungstheologie ist in dreierlei Hinsicht gegeben. Sie gibt erstens der Offenbarungstheologie vor, was an ihr rational erfassbar sein könnte und was dem Bereich der unausgewiesenen Spekulation zuzuordnen ist. Sie bringt somit Vernunft und Glauben in ein vertretbares Verhältnis. Sie verweist zweitens auf das Geheimnis hinter der als fraglich erfahrenen Wirklichkeit und mahnt damit zu bescheidenem Lebensvollzug. Sie betont drittens die Freiheit des Menschen in der Verantwortung vor dem Vonwoher, was der Sinngebung der menschlichen Existenz dienen kann.

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