zwischen zweiundzwanzig und vierundvierzig Jahre alt. Gerne danke ich auch an dieser Stelle für ihre wertvollen Impulse und ihr Zeugnis.
Stefan Hofmann SJ
Mein Handy, meine Freiheit und … Gott
(Bianca Maier)
Ich trug mein Handy immer bei mir. Kam eine Nachricht, sah ich sofort nach. Auch wenn ich in einer Sitzung war, stellte ich mein Handy nie aus oder in den Flugmodus, sondern nur auf lautlos. Es könnte ja jemand anrufen, was ich sonst nicht wüsste, oder per Nachricht eine dringende Frage an mich haben. Da passierte es schon mal, dass ich deswegen eine wichtige Frage in der Sitzung verpasste und nicht wusste, worum es ging. Mein Handy bekam noch dazu ein Problem mit WhatsApp: Erst wenn ich das Programm öffnete, zeigte es an, dass es neue Nachrichten gab. Deshalb machte ich es noch öfter auf als vorher. Vor kurzem habe ich dann in meinem Handy ein Feature entdeckt, das mir zeigt, wie oft ich mein Handy am Tag/in der Woche entsperre und welche Programme ich wie lange auf dem Bildschirm habe. Ich war wirklich schockiert: Ich verbrachte fünfmal mehr Zeit in den Social Media, als ich dachte. Das hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass ich von meinem Handy abhängig geworden bin. Ich wollte wieder frei werden. Daher beschloss ich, handyfreie Zonen einzurichten. Kein Handy während der Gebetszeiten. Kein Handy, wenn ich mit anderen zusammen bin. Ich schaltete die Pop-up-Benachrichtigungen aus und sehe nur noch zweimal pro Tag nach, was es Neues gibt. Es war anfangs gar nicht so einfach. Aber jetzt fühle ich mich freier und sehe, dass ich dadurch auch aufmerksamer gegenüber den Leuten um mich herum geworden bin.
Ignatius nennt diese Haltung der (inneren) Freiheit in seinem Text »Prinzip und Fundament« auch Indifferenz (vgl. EB 23). Es bedeutet, sich von den Dingen nicht einsperren und sich nicht von ihnen beherrschen zu lassen, sondern sie in richtigem Maße zu benutzen. Denn alles Geschaffene auf der Erde soll mir auf dem Weg zu meinem Ziel helfen. Und das Ziel eines jeden Menschen ist nach Ignatius, Gott zu loben, ihn zu ehren und ihm zu dienen. Man könnte auch sagen, Gott immer näher zu kommen. Hilft mir etwas nicht dabei, so soll ich mich davon trennen. Ich vergleiche es gerne mit der Haltung der offenen Hände. Die Hände offenhalten: sich nichts nehmen und das, was ich in den Händen halte, abgeben. Im tiefen Vertrauen darauf, dass Gott, mein liebender Vater, mir alles gibt, was ich brauche (vgl. Lk 12,30). Mit der Gewissheit, dass Gott für mich nur das Beste will.
Ein weiterer Aspekt der Indifferenz ist der einer gewissen Hierarchie zwischen den Dingen, mir und Gott. Ich stehe nicht auf derselben Ebene wie die Dinge. Sie sind für mich geschaffen. Wie Jesus sagt: »Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat« (Mk 2,27). Die Dinge stehen also nicht über mir, so dass sie mich beherrschen sollen, sondern ich stehe über den Dingen. Der Einzige, der über mir steht, ist Gott. Er hat mich geschaffen. Und mein Lebensziel ist es, ihm nahe zu sein. Zwischen Gott und mir steht also nichts. Falls sich etwas zwischen Gott und mich drängen möchte, habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich lasse es zu oder ich verhindere es. Lasse ich zu, dass sich etwas zwischen mich und Gott stellt, so wird es mir bald die Sicht auf Gott nehmen. Auch wenn es anfangs eine winzige Sache ist, so wird sie – meist unbemerkt – immer größer, bis ich am Ende mein Ziel (Gott) aus den Augen verloren habe. Es ist wie ein winziger Stein, den man beim Wandern auf einmal im Schuh hat. Meist hat man keine Lust, anzuhalten und den Schuh auszuziehen, um den Stein herauszuschütteln. Man geht lieber mit dem Stein im Schuh weiter, auch wenn es ein bisschen unbequem ist und manchmal auch richtig wehtun kann. Erst wenn man am Ende der Wanderung seinen Fuß betrachtet, merkt man, wie viele Spuren und auch Wunden dieser winzige Stein hinterlassen hat. So ist es auch mit Dingen (oder Beziehungen), die ich zwischen mich und Gott kommen lasse. Am Anfang spüre ich noch, dass es etwas unbequem ist und nicht so, wie es sein sollte. Aber irgendwann ignoriere ich dieses unangenehme Gefühl. Es fehlt die Motivation, etwas dagegen zu tun. Und so schlimm scheint es ja nun auch wieder nicht zu sein. So war es bei mir mit dem Handy während der Gebetszeit: Am Anfang las ich die Nachrichten nur, die ich bekommen hatte, ohne darauf zu antworten. Ich spürte, dass das nicht ganz okay war, aber ich tat nichts dagegen. Danach fing ich an, die Nachrichten zu beantworten. Nur ein Smiley … Bald wurde daraus ein Satz. Und irgendwann nahm es so viel Platz ein, dass nicht mehr viel von meiner Gebetszeit übrigblieb. Ich wurde ja immer wieder abgelenkt. Oder besser: Ich ließ mich immer wieder ablenken. Je größer ich die Sache zwischen Gott und mir werden lasse, desto schwieriger wird es, sie wegzuschaffen. Dennoch ist es nie zu spät, damit anzufangen – und Gott kann uns ja auch dabei helfen. In jedem Falle muss ich Stellung beziehen, dafür oder dagegen. Wenn ich nichts tue und vermeintlich keine Stellung beziehe, tue ich es dennoch, da ich die Sache weiterhin an ihrem Platz (wachsen) lasse. Beziehe ich Stellung gegen die Sache und für Gott, braucht es jedoch radikale Taten (in meinem Fall: handyfreie Zonen). Mache ich Kompromisse (Handy nur auf lautlos stellen), stutze ich die Dinge nur zurecht, aber ich schaffe sie nicht aus dem Weg. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder weiterwachsen.
Es soll also nichts zwischen Gott und mir stehen. Er soll der »Erstbediente« in meinem Leben sein. Dadurch bin ich in einer Haltung der Indifferenz gegenüber allen Dingen. Ich benutze das, was Gott mir gibt, in Dankbarkeit dafür, dass er es mir gegeben hat. Und gleichzeitig lasse ich ihm die Freiheit, mir diese Dinge wieder zu nehmen. Ich habe meine Hände also nicht zu Fäusten zusammengeballt, sondern halte sie Gott offen hin.
Damit es nicht so abstrakt erscheint, stelle ich fünf Schritte vor, die dabei helfen können, in der Freiheit (nicht nur) in Bezug auf Handy und Medien zu wachsen:
1. Sehen, wo ich nicht frei bin. Jeder von uns hat so seine »Nur schnell«-Fallen: »Ich sehe nur schnell nach, was meine Freunde Neues gepostet haben.« »Ich schaue mir nur schnell diesen einen Teil der Serie an.« Aus den geplanten »Nur schnell fünf Minuten« wird in Windeseile eine Stunde. Nur allzu schnell bin ich im Datennetz gefangen und nicht mehr frei.
Wahrscheinlich habe ich mehr als einen »Freiheitsräuber«. In diesem Falle ist es besser, einen nach dem anderen auszumerzen. Will ich zu viel auf einmal, verliere ich schnell die Motivation und am Ende mache ich gar nichts mehr. Also besser langsam, Schritt für Schritt. Ich kann auch Gott bitten, mir zu zeigen, womit ich anfangen soll.
2. Über die Beziehung zu meinem Freiheitsräuber nachdenken. Welches Ziel verfolge ich damit? Warum schaue ich ständig nach, was meine Freunde posten? Gibt es mir das Gefühl, informiert zu sein, nichts zu verpassen? Oder steckt dahinter vielleicht Neugier, eine Gier nach Neuem?
3. Überprüfen, ob dieses Ziel wirklich erreicht wird. Ich schaue ein Video an, um mich zu entspannen. Die »Nur-schnell«-Falle hat jedoch zugeschnappt und ich habe eine Stunde verloren. Ich bin sauer auf mich selbst, weil ich so viel Zeit verschwendet habe. Am Ende bin ich noch angespannter als vorher. Mein ursprüngliches Ziel habe ich also nicht erreicht.
4. Überlegen, ob es andere Mittel gibt, die mich zum gewünschten Ziel bringen. Möchte ich mich kurz entspannen, genügt es vielleicht, an die frische Luft zu gehen und den Vögeln zuzuhören.
5. Sich einen Aktionsplan überlegen und ihn umsetzen. Am besten auch mit Blick auf mein »höchstes« Ziel, die Nähe zu Gott. Ich habe öfter gerade mal so fünf Minuten und möchte auf andere Gedanken kommen. Bis jetzt war meine Ablenkung immer, in den Social Media nachzusehen, was es Neues gibt. Dabei verlor ich viel mehr Zeit als geplant. Mein Aktionsplan: Das nächste Mal, wenn ich Ablenkung brauche, werde ich meine BibelApp öffnen und einfach ein Kapitel in der Bibel lesen. Dadurch lerne ich nebenbei auch das Wort Gottes besser kennen.
Eine gute Hilfe, innerlich frei zu bleiben, kann auch sein, sich eine Art »Landkarte« anzulegen. Auf dieser Karte trage ich nach und nach die Gefahren ein, die ich erkannt habe, diese Orte, an denen ich meiner Freiheit beraubt werde. Manchmal ist nicht gleich am Anfang der Straße zu sehen, dass sie in eine Gefahrenzone mündet. Nach und nach werde ich jedoch erkennen, wo ich ausweichen muss, wo es besser wäre, einen anderen Weg zu gehen. Manchmal kann sich etwas Gefährliches neutralisieren, weil ich schon gelernt habe, damit umzugehen. Es kann aber auch passieren, dass sich etwas, das harmlos war, durch ein bestimmtes Ereignis zu einer Sache verwandelt, die mir die Freiheit raubt. All das kann ich gut erkennen, wenn ich regelmäßig das Examen, das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit, bete. Das Gute ist, dass ich nie verzweifeln muss. Stecke ich in der Klemme, genügt es, Gott um Hilfe zu bitten. Er kommt und rettet mich – allerdings selten