Heinz Gebhardt

König Ludwig II. hatte einen Vogel ...


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von damals waren eben ahnungslose Kulturbaunausen: »Dies zeigen mir aufs neue die Vorschläge des Kultusministers. Ist ein größerer Unsinn je in eines Menschen Gehirn ausgebrütet worden?«, schrieb Ludwig 1865 an Wagner und wie in prophetischer Weitsicht: »Und wenn wir beide längst nicht mehr sind, wird doch unser Werk noch der späteren Nachwelt als leuchtendes Vorbild dienen, das die Jahrhunderte entzücken soll, und in Begeisterung werden die Herzen erglühen!« Und wie Ludwigs Werk uns heute entzücken würde, wenn man seinen phantastisch-märchenhaften Wintergarten auf dem Dach der Münchner Residenz nicht als blödsinniges Überbleibsel dieses »g’spinnerten Königs« einfach abgerissen hätte! Die Himalajalandschaft über dem Odeonsplatz, zu Ludwigs Zeiten ein »Europäisches Wunderwerk, wie es nichts ähnliches in der Welt gab«, wäre heute eine Touristenattraktion höchster Güte, um die München in aller Welt beneidet werden würde. Unter Bananenpalmen würden wie damals Schwäne ihre Dach-Teich-Runden drehen und grellbunte Papageien würden in goldenen Reifen schaukeln, genauso wie die spanische Prinzessin Maria de la Paz es 1883 beschrieb: »Ich war verblüfft, denn ich sah einen riesigen, auf venetianische Art beleuchteten Garten mit Palmen, einem See, Brücken, Hütten und schloßartigen Bauwerken. ›Geh‹, sagte der König und ich folgte ihm fasziniert in sein Paradies. Ein Papagei schaukelte sich in einem goldenen Reif und schrie mir ›Guten Abend‹ entgegen, während ein Pfau gravitätisch vorüber stolzierte.« Ja, König Ludwig II. hatte wirklich einen Vogel, dem er sogar das Sprechen beigebracht hatte: »Guten Abend!«

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      Vom Wintergarten auf dem Dach der Residenz ist heute nichts mehr zu sehen: Nach dem Tod Ludwigs II. wurde er abgerissen.

      »Ein ewig Rätsel will ich bleiben«

      Schon um die Zeugung Ludwigs ranken sich Geheimnisse:

      Wer war sein wirklicher Vater?

      »Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen …«, schrieb König Ludwig II. am 25. April 1876 um 2 Uhr nachts an die Schauspielerin Marie Dahn-Hausmann, ein Satz, der über dem gesamten Leben des »Märchenkönigs« steht bis zum heutigen Tag. Ein Rätsel ist für uns sein ganzes Leben, ein Rätsel blieb sein Tod im Starnberger See und ein Rätsel schwebt auch über seiner Geburt am 25. August 1845: War König Max II. von Bayern wirklich sein Vater? Die Zweifler an seiner Vaterschaft berufen sich dabei auf mehrdeutige Notizen des Architekten Leo von Klenze in seinen »Memorabilien« und an seinem nachweislich schlechten Gesundheitszustand, der seine Ursache in einer Syphilis- oder Tripper-Erkrankung haben könnte, die sich Max in seinen wilden Studentenjahren zugezogen hätte. Die Vaterschafts-Spekulanten konnten aber bisher kein einziges historisch verwertbares Dokument vorweisen, das eine dieser Krankheiten bestätigen würde. Sicher ist jedoch, dass Max II. im Falle einer Infektion seine Frau, Königin Marie, dabei angesteckt hätte – die aber war bis ins hohe Alter kerngesund.

      Hat Tambosi Königin Marie vergewaltigt?

      Als eigentlicher Vater wird bei den Spekulationen der 1794 in Riva geborene Kammerdiener Giuseppe Tambosi ins Spiel gebracht, der zur Zeit der Zeugung Ludwigs II. als Kellermeister in der Hofhaltung tätig war. Ob man aus dem von Klenze zitierten Satz von Max II. über Tambosi, »Ich weiß sehr wohl, dass es ein Betrüger und elender Kerl ist, aber – ich kann ihn zu Allem vortrefflich gebrauchen!«, die Folgerung ableiten kann, dass Tambosi in Hohenschwangau die 17-Jährige, streng christlich erzogene Prinzessin Marie mit Einwilligung des Kronprinzen und mit Wissen mehrerer Hofbeamten erst mit Rotwein betrunken machte, um sich dann an ihr zu vergehen …? Diese Rotwein-Vergewaltigung hätte zudem mehrmals stattfinden müssen, denn am 6. Mai 1843 war Marie schon einmal schwanger, erlitt aber eine Fehlgeburt. Drei Jahre nach Ludwig II. wurde am 27. April 1848 dann Otto geboren – und wenn Max zeugungsunfähig gewesen sein soll, hätte auch hier eine Vergewaltigung stattfinden müssen. Wenn zudem alle drei Zeugungsversuche nicht im »1. Anlauf« erfolgreich gewesen wären, hätte »der Betrüger und elende Kerl« ja fünf Jahre lang Dauergast im königlichen Schlafzimmer gewesen sein müssen …

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      König Max II. (1811–1864), dessen Vaterschaft an Ludwig II. angezweifelt wird.

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      Prinzessin Marie von Preußen (1825–1889), Königin von Bayern und Mutter Ludwigs II.

      Geheime Zahlungen an Dönniges

      Als zweites Indiz führen die Spekulanten eine monatliche Zahlung von 1000 Gulden an Wilhelm von Dönniges »für geheime Zwecke« an, die im Zusammenhang mit »Liebes- und Affectionsverhältnisse« genannt werden. Dönniges war der älteste Jugendfreund von Max, mit dem er ein wildes und ausschweifendes Studentenleben in Göttingen geführt hatte. Blieben die zahllosen Liebschaften während ihrer »Kavalierstouren« in einer Zeit ohne sichere Verhütungsmittel wirklich ohne Folgen? Die seit der Thronbesteigung monatlich an Dönniges verbuchten »geheimen Zahlungen« sehen mehr nach Alimenten für ein außereheliches Kind aus, für die Tambosi als Geldbote »vortrefflich zu gebrauchen« war. Außerdem flossen die »geheimen Zahlungen« erst ab 1848 – warum sollte Tambosi oder Dönniges erst drei Jahre nach der Geburt Ludwigs II. ein geheimes monatliches Schweigegeld bekommen, wenn es sich um die Rotwein-Zeugung von Ludwig II. gehandelt hätte? Aber es gibt noch einen Dritten im Bunde, der von den Vaterschafts-Spekulanten als möglicher Vater Ludwigs II. angeführt wird und der wie Dönniges ein alter Jugendfreund von König Max II. war: Ludwig von der Tann. Im Frühjahr 1844 hatte er sich erfolgreich wegen einer Münchner Studentin duelliert und wurde deswegen weder bestraft oder sonstwie belangt. Dafür wurde er zwei Wochen später zum persönlichen Adjudanten des Königs berufen und war in der unmittelbaren Umgebung des Königs und der Königin ständig präsent. Im Jahr darauf wurde Ludwig II. geboren und Egon Caesar Conte Corti schrieb, dass von der Tann eine »lange und innige Freundschaft bis zum Tod« mit Max II. verband. Dann könnte man den kryptischen Satz in Klenzes Memorabilien auch auf ihn beziehen:»Der König ist erpressbar«.

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      Wilhelm von Dönniges (1814–1872), Empfänger von Zahlungen »für geheime Zwecke«.

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      War Ludwig Freiherr von der Tann (1815–1881) der Vater Ludwigs II.?

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      Schloss Nymphenburg, 1664 von Kurfürst Ferdinand Maria gebaut, der Geburtsort Ludwigs II.

      Geburt in Schloss Nymphenburg

      Offiziell und amtlich wurde die Geburtsstunde Ludwigs II. auf 0.28 Uhr am 25. August 1845 festgelegt, aber schon am nächsten Tag machte in München das Gerücht die Runde, Ludwig hätte schon zwei Tage vorher am 23. August das Licht der Welt, genauer gesagt das von Schloss Nymphenburg erblickt: Der Geburtstermin wurde angeblich zwei Tage geheim gehalten, weil am 25. August auch sein Großvater Ludwig I. Geburtstag hatte. Die Geburtsnacht 25. August ist jedoch von so vielen in Nymphenburg Anwesenden in unterschiedlichsten Dokumenten festgehalten, dass das Verschiebungsgerücht auch wieder aus dem Reich der Märchenkönig-Märchen entsprungen sein dürfte.

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      Am Morgen des 25. August 1845 donnerten dann 101 Kanonenschüsse über die Stadt und ganz München wusste: Bayern hat einen neuen Thronfolger! Dass aus ihm aber der geheimnisvollste Bayernkönig, ja sogar ein »Märchenkönig« werden sollte, das ahnte natürlich noch niemand.

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      König Max