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Lebendige Seelsorge 4/2014


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und nichts einräumen zu müssen, was nicht passt. Im Evangelium finden sich aber keine Zugbrücken, weil seine Botschaft allen gehört und nicht nur denen, die die Macht haben, andere draußen zu halten und abzuschrecken. Wer noch in der Burg hinter der Zugbrücke lebt in der katholischen Kirche, sollten wir auf Hängebrücken locken, also schwankende Brücken, die leicht anzubringen sind und ohne großen Aufwand den Abgrund des Burggrabens überbrücken. Wer solche Brücken betritt, will schnell an die andere Seite gelangen, weil sie so schwankend sind. Hängebrücken sind wie geschaffen für die, die immer noch in der Kirche hinter Zugbrücken existieren, weil sie sich lieber belagern lassen. Für so manchen in der Hierarchie ist die Hängebrücke angesagt und sie fürchten sich davor. Der Papst schickt gerade jene Bischofskollegen, die sich noch hinter den Mauern verschanzt haben, von der Burgseite her auf diese Brückenart, weil – aus welchen Gründen auch immer –der Ablassmechanismus der Zugbrücke offenbar klemmt. Wir sollten sie im Rüberlaufen nicht allein lassen, sondern ihnen von der anderen Seite her zurufen, dass sie es schon schaffen und dann ganz erleichtert sein werden. Bringen wir keine Sturmleitern, sondern Hängebrücken neben der Zugbrücke an und reden wir den zweifelnden Mitchristen gut zu, dass schon längst keine Belagerung mehr stattfindet.

      Geistlicher Gedanke: Endlich. Ich bin zu Hause. Die Türe schließt sich hinter mir. Meine Räume empfangen mich. Farben, Formen, die mich begrüßen, die mir gut tun. Der Blick in den Garten. Sanftes, sattes Grün. Blühende, bunte Tupfen. Wunderbar. Erleichterung. Angekommen. Es war ein langer Tag. Da höre ich die Türglocke. Nein, ich will jetzt nicht mehr. Einfach überhören? Dabei bräuchte ich keine Sorge zu haben, dass draußen vor der Tür ein pöbelnder Nachbar oder gar ein Gangster mit vorgehaltener Waffe steht. Alles in Ordnung hier. Ich lebe an einem der ruhigsten und sichersten Orte der Welt. Und doch – gerade mal keine Lust auf Welt. Aber das geht vorüber. In unserer Kirche ging es nicht so schnell vorbei. Es war ihr, es war uns zur Gewohnheit geworden, das Schifflein Petri nach allen Regeln der Kunst wasserdicht zu machen, das Schiff, das sich Gemeinde nennt, zu kalfatern, als sei es die Arche Noach und die Welt die große Flut. Zieht die Brücke hoch. Aber sicher!

      Von wem haben wir das nur? Von Gott können wir es nicht gelernt haben. Schöpfung ist Öffnung, ist Raumgeben, ist Strömen, ist Lieben. Schöpfung ist Wagnis, der Schöpfer setzt sich selbst aufs Spiel. Damit wir gewinnen. Gott öffnet die Türe: zum Heil der Welt.

      Fünfter Impuls: Die Donnersbergerbrücke. Für die Stammkundschaft, die ständig die Kirche frequentiert, braucht man eine Christusbrücke, die etwas aushält und die breit genug ist für die täglichen Pendlerströme. Eine Brücke wie die Donnersbergerbrücke in München. Der größte Pendlerstrom in die Kirche ist weiblich; Frauen halten die Kirche am Laufen, alltäglich, bei Wind und Wetter. Sie kümmern sich, obwohl sie es nicht leicht haben mit der Kirche. Es besteht also – wie so oft beim Spannbeton der Donnersbergerbrücke auf dem Mittleren Ring – großer Sanierungsbedarf. Die Kirche lebt da schon längst von der Bausubstanz. Sie muss sanieren – eine Alternative hat sie nicht wirklich. Wenn sie das endlich angeht, dann wird der Pendlerstrom auch wieder zunehmen. Da bin ich sicher. Jetzt wird so manche Frau, wird auch so mancher Mann davon abgehalten, über die alltägliche Kirchenbrücke zu Gott zu pendeln, weil man ja auf der Donnersbergerbrücke zu Genüge die Stellen kennt, an denen die Schilder mit dem „Achtung!“ stehen, die den Sanierungsbedarf nur anzeigen. Die kritischen Stellen, die behoben werden müssen, sind nur zu bekannt, es fehlt aber nach wie vor der Bautrupp. Das lässt so manche(n) über andere Brücken gehen, weil man wegen der nötigen, aber noch nicht durchgeführten Baumaßnahmen immer den eigenen Ärger fürchten muss. Schönheitsmaßnahmen reichen an der Alltagsbrücke zur Kirche nicht mehr. Wird ihre Donnersbergerbrücke aber gründlich saniert, dann haben alle etwas davon – und der Pendlerstrom wird steigen.

      Geistlicher Gedanke: Manchmal habe ich Angst. Wie geht es weiter mit uns – mit Kirche? So viele Sanierungsarbeiten verschleppt, verschlafen, verlogen verleugnet.

      Steht es mit uns, wie es mit manchen unpassierbaren öffentlichen Straßen, mit immer mehr für den Verkehr gesperrten oder teilgesperrten Betonbrücken steht?

      Da sind die schrillen, die aggressiven Töne, die lauten, aufgeregten Stimmen derer, die allergisch reagieren auf Ökumene und für die Dialog mit-wem-auch-immer Teufelszeug ist, Abfall vom wahren Glauben. Abfall.

      Und da ist der stille Kahlschlag, der Traditionsabbruch, und der radikale Schwund von Glaubenswissen. Die Bibel hat zwei Teile, das wissen manche noch. Kahlschlag, trotz gefühlter 1.000 Stunden Religionsunterricht. Da ist der Schwund an kirchlicher Glaubwürdigkeit. Die helfen doch nur sich selbst. Was hilft? Wer hilft? Christus hilft, wer sonst. Er, das Mensch gewordene Gotteswort. Das WORT, das in der Todesnot ohne Antwort blieb und ganz gewiss ohne Zauberwort. „Eli, Eli…“.

      Worum geht es? Ich denke, es wird darum gehen, uns selbst zu missionieren, uns selbst zu christianisieren. Nicht allein, sondern getragen von dem, der „in allem uns gleich [wurde], außer der Sünde“ (Hebr 4,15). Getragen von ihm, dem vertrauensvollen Brückenbauer. Dem vertrauensseligen Brückenmenschen. Dem Mittler zwischen Gott und Mensch, Jesus Christus. „Denn einer ist Gott, und einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5). Werden auch wir vertrauensselig! Das wird noch Folgen haben. Auf der Donnersberger Brücke.

      Sechster Impuls: Die Europabrücke. Die hier einheimischen AutofahrerInnen kennen das. Man überquert Richtung Italien die erste Grenze Richtung Süden. Dort steht ein Schild, das auf das Hoheitsgebiet Österreichs hinweist und darunter steht: Hier herrscht Vignettenpflicht! Das ärgert die Bayern so sehr, dass sie gerne mit der Ausländermaut zurückschlagen würden. Ich bin da, obwohl Deutscher, Partei; immerhin wird ein Salzburger Professor von der Republik Österreich bezahlt. Also es sei gesagt: In Österreich sind die Berge doch deutlich höher, so dass die Infrastruktur wirklich sehr kompliziert und teuer ist und deshalb… – Sie wissen schon! Auch die Kirche weiß Brückenbauten wie die Europabrücke am Brenner zu schätzen. Bei ihr heißt die Mautbrücke Kirchensteuer. Die ist deutlich weniger eindrucksvoll als diese sehr schöne Tiroler Brücke, für die die Vignette allein nicht reicht. Das ist so eine Sache, ob bei der Mautbrücke Kirchensteuer wirklich mit Christus gebaut wird, oder nur vorgeblich für ihn, jedoch eigentlich mit anderen verschwiegenen Interessen. Immerhin haben wir ja nun einen Papst namens Franziskus und der lässt es Bischöfen nicht mehr durchgehen, wenn sie oberhalb der Mautbrücke für sich einen Palast errichten, selbst wenn der womöglich nicht von den aktuellen Mauteinnahmen, sondern von früheren, katholisch-gläubig überantworteten Spenden bezahlt wird. Der Fall des Limburger Bischofs ist weltweit bekannt geworden; in Atlanta musste der dortige Bischof wegen des Limburger Falls sein sog. „Diözesanes Zentrum“ verkaufen, das nichts anderes als seine persönliche Residenz war. Deshalb ein Rat aus der Alpenrepublik: Wenn man schon Mautbrücken für die Kirche braucht, dann müssen sie zu allererst einmal allen zugute kommen wie die leichtere Überfahrt über den Brenner durch die Europabrücke. Und besonders Menschen, für die Grenzen schwer zu überquerende Hindernisse sind oder die über hohe Pässe hinwegkommen müssen, also die Armen, die Ausgeschlossenen, die Verfemten, die Verlorenen sind der Gradmesser, ob Mautbrücken sich nicht bloß rechnen, sondern sich rechtfertigen lassen.

      Geistlicher Gedanke: Lieber gar keine Maut, aber wenn schon Maut, dann lieber einnehmen als einzahlen, versteht sich. Doch Jesus, der sich erst einmal einen Denar leihen muss – er hat keinen –, um die Frage nach der kaiserlichen Maut beantworten zu können, versteht es anders, und die großen Gottsucher aller Zeiten haben auch etwas anderes verstanden. Sie wussten um den Sinn der Freigiebigkeit. Und dass wir sie einüben müssen. Sinn und Ziel der geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola ist es, frei zu werden, frei von allen blinden Abhängigkeiten, frei von fremden Zwängen und eingefleischten Hierarchien: frei für den Willen Gottes, eines Gottes, der mir näher ist, so heißt es, als mein eigenes Herz. Eine solche Haltung gleichschwebender Freiheit gegenüber allen angesagten Gütern nennt Ignatius „indiferencia“. Indifferenz, das ist ignatianisch nicht kalte, tote Gleichgültigkeit und auch kein postmodern resigniertes Anything-goes, sondern, im Gegenteil, letzte Entschiedenheit: zur Freiheit von magischen Idolisierungen und mächtigen Idolen. Wenn man dann auch noch weiß und zuinnerst spürt, dass solche entschiedene Freiheit nicht sportlich-asketische