wehren sich gegen Viren, indem sie eigene Strategien entwickeln. Sie betreiben taktische, biochemische Kriegsführung, als kleine Generäle mit großem Wirkungsbereich.
Viren sind also keineswegs nur unsere ausgewiesenen Feinde und jene Krankmacher, als die sie heute gelten. Respektsabstand zu ihnen zu halten, ist trotzdem erforderlich. Es geht hier nicht um den Babyelefanten, der mit dem oft kindischen Getöse um die COVID-19-Pandemie bekannt wurde. Es geht um einen gedanklichen Respektsabstand. Viren sind keine Kuscheltiere. Wer zu leutselig mit ihnen umgeht, wird funktionell überrannt.
Die Natur, Lehrmeisterin und Förderin auf unserem Weg, gute Menschen zu sein, besteht also aus mehr als Wiesen, Blumen und Wäldern. Das müssen wir auf dem Charakter-Fitness-Parcours verstehen: Eins mit der Natur zu werden, heißt, eins mit uns selbst zu werden. Wenn wir das schaffen, tragen wir nicht nur zu unserem Glück, sondern zum Glück der Welt bei. Das ist das Biophilia-Gesetz.
Der Respekt vor der Natur
Machen wir an dieser Stelle noch einen kleinen Vorgriff auf den zweiten Teil, in dem es, wie gesagt, darum geht, welchen Nutzen es uns bringt, gut zu sein, und welchen Schaden es bringen kann, wenn wir es nicht sind. Gut zu sein heißt, wie schon angedeutet, nicht nur gut zu unseren Mitmenschen zu sein und sie zu achten, sondern auch gut zur Natur zu sein und sie zu respektieren.
Wiederholt haben Wissenschaftler darauf hingewiesen, dass die COVID-19-Pandemie zustande kam, weil wir die Grenzen zwischen Tier und Mensch überschritten haben. Das war wahrscheinlich immer schon ein Problem, seit Menschen sesshaft sind und Tierzucht betreiben, aber heute ist es offensichtlich so, dass das Übermaß mehr Probleme schafft. Wir kriegen den Rand nicht voll.
Obwohl wir es besser wissen sollten: Das Grippe-Virus kommt von den Schweinen und das hoch ansteckende Rotavirus, die weltweit häufigste Ursache für schwere Durchfallerkrankungen bei Säuglingen und Kindern, von den Kälbern. Wir importieren solche Erreger, seit wir Ackerbau, Viehzucht und vor allem Völlerei betreiben aus dem Tierreich.
Viren mögen unsere ersten und vielleicht wichtigsten Kooperationspartner sein, doch sie können zu Raubtieren werden, wenn wir die Balance stören. Was das bedeuten kann, hat Professor Harald zur Hausen herausgefunden. Er entdeckte, dass Viren Krebs auslösen können und erhielt dafür den Nobelpreis. Er ist auch fest überzeugt davon, dass im Fleisch, das wir essen, so viele RNA-Bestandteile sind, dass deren Konsum für das Kolonkarzinom mitverantwortlich ist. Kurzum: Rotes Fleisch kann Darmkrebs verursachen.33
Am fünften Tag schuf Gott der biblischen Schöpfungsgeschichte zufolge das »Getier« und er gab uns, die er demnach erst tags darauf schuf, den Auftrag, damit wie mit der gesamten Natur respektvoll umzugehen. Was wir nicht tun. Die industrielle Tierhaltung ist nach den von Menschen an Menschen begangenen Genoziden eines der großen Menschheitsverbrechen. Die Industrie und wir alle als Konsumenten begehen es bloß nicht aus böser, unmittelbarer Absicht, sondern aus Gier und Fresslust. Die Folgen mildert das nicht.
Wir produzieren dabei Tote auf vielfältige Weise. Durch die Zivilisationskrankheiten, die mit übermäßigem Fleischverzehr einhergehen. Durch die genannten Krankheiten, die aus dem Tierreich auf Menschen übergesprungenen sind. Durch die Vernichtung von Regenwäldern, um Anbauflächen für Futtermittel zu schaffen. Durch mangelnde Anbauflächen für den Kampf gegen den Hunger auf der Welt, weil wir sie als Weideland verwenden. Durch die Treibhausgase, die die derzeit lebenden eine Milliarde Rinder, 600 Millionen Schweine und 50 Milliarden Hühner in die Atmosphäre absondern. Durch die Vergiftung des Grundwassers durch tierische Exkremente sogar schon in der bisher noch heilen Welt der Berge und Almen, weil Bauern selbst dort extensive Viehwirtschaft betreiben.34
Zählen wir die Opfer zusammen, die das alles schon gefordert hat und die es noch fordern wird, dann sind das bei Weitem mehr als die Opfer aller Genozide zusammen. Ganz abgesehen davon, dass das alles das Zeug hat, unser Ökosystem kollabieren zu lassen und damit die sogenannte Carrying Capacity des Planeten zu reduzieren. Sinkt sie in einem durchaus realistischen Katastrophenszenario zum Beispiel auf fünf Milliarden, heißt das, dass drei Milliarden Menschen sterben müssen, weil der Planet sie einfach nicht mehr ernähren kann.
Dazu noch einige Fakten: Shefali Sharma vom Institute for Agriculture and Trade Policy wies 2018 in einer Studie nach, dass die fünf weltweit größten Fleisch- und Molkereikonzerne zusammen mehr Treibhausgas-Emissionen verursachen als die drei größten Ölkonzerne Exxon Mobil, Shell und BP zusammen.35
Eine deutsche Studie zeigte 2015, dass 88 Prozent von 57 Putenfleischproben antibiotikaresistente Keime enthielten.36 Eine 2020 publizierte Studie der Northwestern Medicine and Cornell University ergab, dass Personen, die mehrmals pro Woche rotes oder verarbeitetes Fleisch essen, ein bis zu sieben Prozent höheres Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und eines frühzeitigen Todes haben.37
Andere Studien zeigten einen Zusammenhang zwischen Fleisch und Krebserkrankungen, Übergewicht und Depressionen. Letzten Endes sieht die Rechnung so aus: Der Profit aus der Nahrungsindustrie wirkt sich direkt proportional auf unseren Körper, unseren Geist und den ganzen Planeten aus.
Es wäre Unfug zu behaupten, dass Gott uns damit bestraft für unsere krassen Verstöße gegen die Regeln, die er uns in seiner Heiligen Schrift, der Bibel, mitgegeben hat. Es scheint aber doch so zu sein, dass diese Heilige Schrift in Teilen die uralte Verfassung der Natur abbildet. Eine Verfassung, in der alles mit allem verbunden ist und die deshalb gerade uns Menschen, die wir durch unsere Vielzahl und unsere Erkenntnisfähigkeit alles dominieren, Respekt abverlangt. Man könnte es so formulieren: Wir bestrafen uns selbst, wenn wir diese Verfassung mit Füßen treten. Die Industrie, indem sie alles andere ihrer Gewinnmaximierung unterordnet, und wir alle, indem wir möglichst viel möglichst billiges Fleisch essen wollen. Vielleicht straft uns nicht Gott dafür, aber die Natur rächt sich, und wir sehen das noch immer viel zu wenig.
Woraus sich die Frage nach den Alternativen ergibt. In einer Milliardenindustrie, die vegane fleischähnliche Lebensmittel mit fragwürdigen gesundheitlichen Aspekten herstellt, können sie kaum bestehen. Die Alternativen ließen sich, da wir nun schon einmal dabei sind, auch aus der Bibel ableiten. Gott der Herr setzte den Menschen in den Garten, dass er ihn bebaue und bewahre, heißt es darin. Respekt vor der Natur gebietet uns also, die Balance zu halten. Als Allesfresser brauchen wir Fleisch, doch es muss darum gehen, wie viel davon wir brauchen, welches wir essen wollen und wie wir es herstellen.
Konrad Lorenz, der österreichischer Zoologe, Medizin-Nobelpreisträger und Hauptvertreter der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung, war oft bei meinem einstigen Arbeitgeber und Mentor, dem Wiener Kardinal König, zum Mittagessen geladen. Obwohl Lorenz Atheist war, unterhielten sich die beiden immer angeregt. »Es ist der Balanceakt, der den Menschen fehlt«, sagte Lorenz.
Der Balanceakt, den Lorenz meinte, ist es, was uns zu guten Menschen und im Sinne des in der Verfassung der Natur verankerten Gesetzes des Ausgleichs auch zu glücklichen Menschen macht, die gesund, im Wohlstand und in Harmonie mit ihren Mitmenschen, mit sich selbst und mit der Natur leben.
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