Neurobiologie, Spiegelneuronen und Resonanz
7.1.4 Neurobiologie und Verraumen
7.1.5 Neurobiologie und Menschenbild
7.1.6 Neurobiologie und Veränderung
8 Kreative Leibtherapie als Verfahren tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie
9 Würde und würdigen: Kreative Leibtherapie und Gesellschaft
Stichwort- und Personenverzeichnis
1 Einführung −
und was man vor dem Lesen wissen sollte
Dieses Lehrbuch erscheint zum 25. Jahrestag der Gründung der Zukunftswerkstatt therapie kreativ bzw. ihrer Vorläuferin, der „Zukunftswerkstatt Tanz e.V.” im Jahr 1987. Zwei Jahre zuvor hatten sich meine Frau Gabriele Frick-Baer und ich sowie einige Kolleg/innen aus dem sozialpädagogischen Bereich zusammengetan, um die Zukunftswerkstatt e.V. zu gründen. Wir alle arbeiteten damals in sozialen Berufen, überwiegend bei Wohlfahrtsverbänden, und waren es irgendwann überdrüssig, uns selbst und andere immer wieder sagen zu hören: „Man müsste mal …” Um dieses „Man müsste mal …” nicht immer wieder in die ferne Zukunft zu verschieben, sondern die Gestaltung der Zukunft in der Gegenwart anzupacken, gründeten wir die Zukunftswerkstatt e.V. Wir waren neben unseren sozialen Berufstätigkeiten alle kreativ tätig, im tänzerischen und musikalischen Bereich, im Theater, in der künstlerischen Gestaltung, und machten dabei zahlreiche und intensive Erfahrungen, wie der künstlerische Prozess das Erleben und Verhalten verändern kann. Wir wollten dies für unsere sozialen Projekte nutzbar machen und mit unseren sonstigen Aktivitäten verbinden.
Von Therapie war in diesem Zusammenhang noch kaum die Rede, auch wenn meine Frau und ich uns damals in therapeutischen Ausbildungen befanden bzw. diese absolviert und therapeutische Erfahrungen gesammelt hatten. Viel gesprochen wurde aber schon von Werten wie Aufrichten, Beziehung und Würde.
Mit der Zukunftswerkstatt e.V. gründeten wir zahlreiche Projekte: ein Gesundheits- und Bewegungszentrum im Duisburger Norden, in dem wir mit schwer sozial benachteiligten Menschen gesundheitsfördernde Angebote durchführten (z. B. „Herzbegleitung” für Menschen nach einem Herzinfarkt, „Rund um die gestresste Wirbelsäule” für Menschen mit Rückenbeschwerden, „Anti-Kopfschmerz-Gruppen”). Wir gründeten eine mobile Orientierungsschule für altersverwirrte Menschen, in der wir Konzepte erarbeiteten und erprobten, Elemente des Tanzes und der Musik in die Arbeit mit Demenzkranken zu bringen. (unter dem Motto „Ich bewege mich – ich lasse mich bewegen”). Wir verknüpften Berufsfortbildungen für türkische junge Frauen mit tänzerischen Angeboten, die im geschützten Rahmen das Selbstbewusstsein stärken halfen). Weil die Erfahrungen dafür sprachen, wurden wir immer mutiger darin, therapeutische Elemente in unsere sozialpädagogische Arbeit zu integrieren, zum Beispiel mit schwer psychisch erkrankten Menschen. Dabei merkten meine Frau und ich, dass vieles von dem, was wir sowohl im Studium als auch in den therapeutischen Aus- und Fortbildungen gelernt hatten, nicht ausreichend „passte” und wir neue Methoden entwickeln mussten. Wir brauchten schließlich auch mehr Kolleginnen und Kollegen, die diese und viele andere Projekte durchführen konnten, und schufen dafür eine einjährige Vollzeitfortbildung, die vom damaligen Arbeitsamt finanziert wurde: die Tanz-Sozialtherapie. Dafür wurde schließlich die Zukunftswerkstatt Tanz e.V. gegründet. Die Ausweitung von deren Aktivitäten auf andere künstlerische Schwerpunkte fand schließlich in der Namensänderung zu „Zukunftswerkstatt Tanz Musik Gestaltung” ihren Ausdruck, bis sie letztendlich mit ihrer zunehmenden Ausrichtung zum Ausbildungsinstitut für leiborientierte Therapie in die „Zukunftswerkstatt therapie kreativ” umbenannt wurde.
Wir verschwendeten in diesen Anfangsjahren keinen Gedanken daran, neue therapeutische Modelle oder gar Verfahren schaffen zu wollen. Das wurde im Laufe der Zeit anders, weil wir unsere Erfahrungen und damit die Notwendigkeiten der Anpassung der Theorie an unsere Praxis nicht ignorieren konnten. In den Anfangsjahren verstanden sich meine Frau und ich als kreative Gestalttherapeut/innen, fußend auf unsere von uns geschätzten Ausbildungen beim Fritz-Perls-Institut, die durch zahlreiche andere Inputs fachlich ergänzt wurden, die wir uns zielgerichtet suchten. Basierend auf den Wurzeln einer humanistischen Psychotherapie bestand der Schwerpunkt unseres Interesses darin, Elemente all dieser therapeutischen und kreativen Kompetenzen für das soziale, pädagogische und Gesundheitsfeld nutzbar zu machen. Wir wussten, dass die Möglichkeiten des Tanzes, des Musizierens und der künstlerischen Gestaltung dazu einladen, Erfahrungen leiblicher Veränderungen zu machen. Wer einmal in einer Theatergruppe intensiv erlebt hat, wie es ist, aufrecht und würdevoll durch die Welt zu schreiten, wird sich nicht mehr mit der geduckten Haltung begnügen. Wir erlebten, dass Menschen mit Demenz, die mit Worten nicht oder kaum noch ansprechbar waren, über kreative Dialoge Fähigkeiten zeigten, die niemand mehr vermutet hätte. Doch all solche Erfahrungen und Veränderungsprozesse zu begleiten, bedurfte therapeutischer Kompetenzen, die über die künstlerischen Fähigkeiten hinausgingen. Wir nannten diese Kompetenzen, die wir entwickelten und vermittelten, damals Kreative Sozialtherapie und initiierten dafür auch die Gründung eines Verbandes gemeinsam mit anderen Ausbildungsinstituten, die in den 90er-Jahren Therapie für die Arbeit im sozialen Feld nutzbar machen wollten.
Die Erweiterung unserer Praxis im Gesundheitsbereich sowie im Bildungsund Sozialwesen konfrontierte uns in der Folgezeit mit zwei Schwierigkeiten. Die erste bestand darin, dass wir oft mit dem uns zur Verfügung stehenden methodischen Repertoire nicht zufrieden waren und neue Wege beschreiten mussten. Wir gaben uns auch nicht damit zufrieden, wie es damals üblich war, kreative Methoden vor allem als Warm-Ups zu benutzen, um dann die „eigentliche” therapeutische Arbeit mit den klassischen Methoden der Gestalttherapie oder anderer Verfahren durchzuführen. Wir waren uns sicher und die Erfahrungen bestätigten uns, dass in den künstlerischen Prozessen viel mehr therapeutisches Potential vorhanden war, als damals genutzt wurde, und versuchten, dieses zu entwickeln. Die zweite Schwierigkeit bestand darin, dass im zunehmenden Maße die theoretischen Modelle mit den Erfahrungen, die wir machten, nicht mehr übereinstimmten. Viele Worte passten nicht und wir suchten neue Begriffe. Viele Erklärungszusammenhänge und handlungsleitende theoretische Modelle erwiesen sich bezogen auf unsere Erfahrungen als unzureichend. Dies umso mehr, als unsere Aktivitäten sich damals verstärkt auf das Feld der Psychotherapie erweiterten und nun auch Angebote im klinischen Kontext stattfanden.
So fand dieser Entwicklungsprozess um das Jahr 2000 herum seinen Ausdruck darin, dass wir unseren Ansatz als „Kreative Leibtherapie” bezeichneten. Die Bezeichnung „kreative Gestalttherapie” passte nicht mehr, wir hatten uns aus der Gestalttherapie heraus entwickelt. Parallel dazu hatte sich das theoretische Konzept des Fritz-Perls-Instituts zur Integrativen Therapie entwickelt und das FPI sich in seinem Selbstverständnis aus der humanistischen Psychologie verabschiedet – ein Weg, den meine Frau, ich und unsere engsten Kolleg/innen nicht mitgehen wollten. Wir publizierten Praxisberichte und theoretische Beiträge auch unserer Kolleg/innen und Fortbildungsteilnehmer/innen 15 Jahre lang in unserer Zeitschrift (erst „Sozialtherapie”, später „therapie kreativ”) und gaben Sammelbände wichtiger Artikel heraus. 1999 erschien schließlich mein erstes Fachbuch („Gefühlssterne, Angstfresser, Verwandlungsbilder ...”), das nicht nur ein Sammelband war, sondern unseren damaligen theoretischen Stand beschrieb und vor allem die von mir entwickelten kunst- und gestaltungstherapeutischen Methoden vorstellte. In die späteren Auflagen (und die folgenden Fachbücher) flossen die nach der