Udo Baer

Klingen, um in sich zu wohnen 2


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euch eine Stelle ein, indem ihr den Atem eurer Partnerin oder eures Partners beobachtet, vielleicht entspringt der Impuls aus eurer Resonanz zur Partnerin oder zum Partner …

      Wenn ihr einen solchen Impuls habt, fragt die Partnerin oder den Partner, ob ihr dort die Hand auflegen könnt oder ob ihr lieber die Hand einen Zentimeter über diese Stelle halten sollt. Und dann tut dies …

      Ihr könnt nach einiger Zeit eine weitere Stelle ausprobieren oder aber bei dieser einen Stelle bleiben. Seid frei in euren Impulsen. Auch wenn ihr den Impuls verspürt, z. B. die Füße zu berühren, also Körperregionen, die der Atem anatomisch nicht erreichen kann, folgt ihm. Geht euren Impulsen nach, nehmt sie ernst, nehmt euch ernst, nehmt eure Partnerin oder euren Partner ernst …

      Zum Abschluss probiert noch eine Berührung, die ihr euch noch nicht getraut habt oder die ihr gerne zum Ausklang dieser Partnerarbeit eurer Kollegin oder eurem Kollegen gönnen wollt. Wenn ihr unsicher seid, ob ihr das dürft, fragt eure Partnerin oder euren Partner …

      Löst nun eure Hand langsam in Zeitlupe von der Partnerin oder dem Partner ab …

      Die liegende Person lässt die Berührung nachwirken …

      Die liegende Person kommt nun, mit der Aufmerksamkeit wieder in den Raum zurück. Die Sitzenden streifen ihre Hände ab und tauschen sich mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner über die Erfahrungen, die sie gemacht haben, aus.

      Diese Einheit benötigt mindestens 20 Minuten Zeit und eine Stimmung der Muße. Es empfiehlt sich, anschließend einen Rollenwechsel zwischen den PartnerInnen vorzunehmen.

      Wir haben anfangs schon gesagt, dass die Stimme tönender Atem ist, Atem mit Klang. Doch auch das Atmen selbst ist hörbar und oft ist es sinnvoll, KlientInnen darauf aufmerksam zu machen:

      „Sucht euch einen Platz zum Stehen oder Sitzen und schenkt eurem Atem Aufmerksamkeit …

      Lauscht eurem Atem, hört auf ihn …

      Vielleicht hört ihr Geräusche, vielleicht erahnt ihr nur die Klänge eures Atmens, lauscht ihnen …

      Wenn ihr mit dem Mund geatmet habt, atmet nun durch die Nase und lauscht; wenn ihr durch die Nase geatmet habt, atmet nun durch den Mund und lauscht …

      Was empfindet ihr, wenn ihr euren Atem hört, euer Einatmen und euer Ausatmen?“

      Viele Menschen sind überrascht von den Klängen ihres Atems, manche angerührt, viele bezeichnen das, was sie hören, mit bestimmten Qualitäten wie z. B. zart, fordernd, gelassen, friedlich usw. Manche KlientInnen erinnern sich an störende Klänge ihres Atmens, z. B. beim Einschlafen oder wenn sie in der Nacht durch eigene Schnarchgeräusche erwachen. Und andere können ihren Atem nicht oder kaum hören, weil z. B. der Magen grummelt oder – am häufigsten – das eigene Herz plötzlich so laut wahrnehmbar ist, dass es die Atemgeräusche übertönt. Häufig spüren die KlientInnen, dass in der Achtsamkeit des Atemhörens auch hier eine Weisheit liegt, z. B. die Weisheit, dass das Herz sehr beschäftigt ist, sehr laut ist und gehört werden möchte.

      Aus dem Lauschen der Atemgeräusche kann sich ein Spiel ergeben, in dem wir auffordern, diese Geräusche lauter werden zu lassen und variantenreicher:

      „Spielt nun mit den Atemgeräuschen, die ihr hört, probiert Varianten. Lasst sie lauter oder leiser werden, lauscht der Klangpalette eures Atems …

      Probiert nun Geräusche, indem ihr durch die Nase ausatmet …

      Probiert nun Geräusche, indem ihr durch die Nase einatmet …

      Probiert nun Geräusche, indem ihr durch den Mund ausatmet …

      Probiert nun Geräusche, indem ihr durch den Mund einatmet …

      Probiert nun Geräusche aller Art, egal ob durch den Mund oder durch die Nase, egal ob beim Einatmen oder Ausatmen, probiert Tiergeräusche, probiert anständige und unanständige Geräusche, verliebte und zornige, lasst euren Atem auf unterschiedliche Weise erklingen.“

      Zumeist entsteht in Gruppen eine lebhafte Atmosphäre. Manchmal tritt auch Scham neben spielerischer Lust auf, Kindheitserinnerungen können wach werden, verbunden mit unterschiedlichen Gefühlen oder Stimmungen.

      In der Einzeltherapie ergibt sich die Arbeit in der Verbindung von Atem und Stimme aus den Themen, die die KlientInnen mitbringen. Eine Klientin hatte darüber geklagt, dass in ihr „viel los“ sei, dass sie aber nicht wisse, was. Auf hier nicht näher zu beschreibenden Wegen war sie dahinter gekommen, dass sie einen Spiegel für ihr Herz suchte. Sie bekam von anderen Menschen häufig Rückmeldungen bezüglich ihres Verstandes, aber nicht bzw. zu selten zu dem, was ihr Herz bewegte. Und wenn sie eine Rückmeldung bekam, verschloss sich ihr Hals, sie fühlte sich leer und taub. Sie suchte nach einer Verbindung zwischen Innen und Außen, zwischen ihrem Herzen und anderen Menschen. Der Therapeut schlug ihr ein Experiment vor:

      „Ich schlage ihnen einen Weg vor, wie Sie aus Ihrem Herzen über Ihren Atem einen Klang entstehen lassen können. Was für ein Klang das sein wird, weiß ich nicht. Lassen Sie sich von Ihrem Atem und von Ihrem Herzen überraschen.“

      Die Klientin stimmte zu. Der Therapeut bat sie, aufzustehen und auf ihren Atem zu achten. Die Klientin tat dies.

      „Legen Sie nun eine Hand oder beide Hände auf Ihr Herz und lauschen Sie weiter Ihrem Atem.“

      Die Klientin legte ihre rechte Hand auf ihr Herz und atmete weiter. Der Atem war sehr aufgeregt, stockte immer wieder und floss dann weiter. Der Therapeut stand ca. zwei Meter von ihr entfernt und fragte die Klientin:

      „Stehe ich hier richtig oder möchten Sie mich an einem anderen Platz?“

      „Da sind Sie zu weit weg. Kommen Sie bitte näher an mich heran. Hier so neben mich, ein bisschen hinter mich.“

      Der Therapeut stellte sich an den gewünschten Platz. Er begleitete mit seinem Atem den Atem der Klientin und versuchte sich auf ihren Atem einzustellen, der nun allmählich ruhiger wurde.

      „Nun bitte ich Sie, sich auf Ihr Ausatmen zu konzentrieren. Nehmen Sie wahr, wie Ihr Ausatmen beginnt, wie es sich weiterentwickelt, wie es endet … Sie brauchen nichts zu verändern, es gibt kein Richtig und kein Falsch, nehmen Sie nur wahr, seien Sie achtsam für Ihr Ausatmen …“

      Und nach einiger Zeit:

      „Begleiten Sie nun Ihr Ausatmen mit einem Summen. Lassen Sie sich überraschen, welcher Klang entsteht, welche Töne kommen. Sie halten eine Hand auf Ihr Herz, Ihr Atem berührt Ihr Herz, Ihr Atem fließt aus Ihnen heraus und so fließt auch etwas aus Ihrem Herzen heraus, lassen Sie es hörbar werden, indem Sie Ihr Ausatmen mit einem Summen begleiten.“

      Die Klientin begann zu summen, erst verhalten, dann immer hörbarer und deutlicher. Nach einigen Ausatemzügen bat der Therapeut:

      „Und nun bitte ich Sie während des Ausatmens und des Summens allmählich den Mund zu öffnen und daraus einen Atemklang entstehen zu lassen. Lassen Sie sich auch hier überraschen, welcher Klang entstehen möchte, vertrauen Sie auf Ihren Atem, vertrauen Sie auf Ihr Herz, vertrauen Sie auf die Klänge, die in Ihnen sind.“

      Die Klientin folgte diesem Wunsch. Es entstanden hauchzarte Töne, die auf den Therapeuten und die Klientin, wie sie später sagte, scheu und kindlich wirkten. Die Klientin musste weinen, als sie diese Klänge hörte. Irgendwann stockte ihr der Atem und sie folgte ihrem alten Muster, in die Starre und die Leere zu gehen.

      Doch der Therapeut, der neben ihr stand, ermutigte sie mit seinem Atem und den Worten:

      „Atmen Sie bitte weiter, lassen Sie erklingen, was erklingen möchte.“

      Das Herz, das wenig gespiegelt worden war, das Herz, das wenig sprechen konnte, das Herz, das wenig Ermunterung erfahren hatte, wurde hörbar. Es fand über den Atem seine Stimme, eine zarte und scheue Stimme, ungewohnt, sich in die Welt hinaus tastend.

      Auf