et al. 2008). »All organizations are crazy.« (»Alle Organisationen sind verrückt.«), so formulierte es mir gegenüber einmal ein Mensch aus dem Orient. Meine deutsche, ordnungsliebende, transgenerationale Aufmerksamkeit wollte schon protestieren: So kann man das doch nicht sehen! Aber wenn eine Firma beispielsweise eine sehr kriegerische Mentalität hat, dann wird ein echter Kampf geführt und jeder, der intern nicht stromlinienförmig mitzieht, wird bedroht. Die Regeln des jeweiligen Spiels können eine gleichzeitig vom Menschlichen verschobene und sehr bindende Form haben. Die Frage ist: Wie verhält man sich in einer solchen Organisation, wenn man das Spiel durchschaut, aber dennoch gezwungen ist, weiter mitzumachen? Natürlich nimmt man weiter am Spiel teil. Schließlich müssen sich die meisten Menschen durch Arbeit in Organisationen materiell versorgen und absichern. Aber man sollte sich weder innerlich noch äußerlich (z. B. durch finanzielle Verschuldung im Privatbereich) abhängig von einem bestimmten Arbeitsplatz machen. Und man sollte deutlich zwischen Arbeitsplatz und ›Einkommensplatz‹ unterscheiden. Menschen brauchen einen Einkommensplatz. So war es immer. Dafür haben Menschen lange Zeit sogar Sklaverei in Kauf genommen. Ob sie dort auch ihre persönliche Produktivität zeigen können, hängt von der Anerkennung ab, die sie durch diese Tätigkeit erfahren. Vielleicht kann der eigene Genius besser auf anderen Lebensbühnen gezeigt werden. Dies haben Menschen immer gemacht, sobald sie die Chance zu ›kleinen Fluchten‹ hatten.
Hinzu kommt, dass sich viele aus dem Gemeinschaftsbedürfnis und dem Sicherheitsbedürfnis, das Menschen mitbringen, mit »ihrem« Unternehmen oder »ihrer« Institution identifizieren. Firmen fordern das immer wieder. Aber es ist ein Fehler. Aus der Perspektive der integrierten Achtsamkeit heraus ist einseitige Identifikation, gar mit einem künstlichen Konstrukt wie einer Organisation, falsch. Engagement ja, aber keine Identifikation, sondern konstruktiv-kritische Distanz ist angesagt. Gerade die Identifizierten sehen oft nicht die ›Kollateralschäden‹, die Organisationen verursachen. Ihr eigenes Burn-out ist zum Beispiel so ein ›Nebeneffekt‹. Wenn man spürt, dass es auf Dauer nicht gut tut, in einer Firma zu bleiben, dann sollte man eine Organisation verlassen. Der Verstand wird nicht nur durch Arbeit stimuliert, sondern beschäftigt sich auch ständig damit, dass man sich die täglichen Verrücktheiten vom Hals halten muss. Hier den Helden zu markieren, macht wenig Sinn. Die Cleveren formulieren Lippenbekenntnisse. Die Überlegten bleiben innerlich in angemessener Distanz und sorgen dafür, dass ihr Frieden nicht genommen wird. Die neuere Reifeforschung für das Erwachsenenalter zeigt, dass man sich über das Niveau bestimmter Organisationen menschlich hinausentwickeln kann, sodass man dort nicht mehr arbeiten kann (Loevinger 1985; Binder 2010). Jane Loevinger verdanken wir eine wissenschaftliche Analyse der Entwicklung von erwachsenen Menschen. Interessant ist, dass diese kaum eine Differenz zu alten Weisheitsentwicklungswegen ergibt. Aber: Man kann persönlich zu weit sein, um in bestimmten Organisationen zu arbeiten. Es geht nicht mehr alles. Grob ausgedrückt: Bestimmte Organisation sind für einen selbst dann quasi zu blöd.
Übung: Wie man die eigene Aufmerksamkeit erfasst
Nun übe noch einmal den Zugang zu deinen Aufmerksamkeitsebenen, indem du dir verschiedene Themen wachrufst. Nimm dir folgende Leitsätze zu Hilfe oder wandele sie so um, dass sie für dich stimmen.
Zunächst kehre zur nondualen Aufmerksamkeit zurück:
Ich bin Teil des ganzen Lebens. Und das Leben durch das Fenster des Menschen zu sehen, ist ein kostbares Geschenk. Ich weiß nicht genau, was auf mich zukommt. Aber der Tag gibt mir Möglichkeiten, mich dabei zu erleben und einzubringen. Es wird für mich gesorgt. Ich bin nicht allein. Ich bin verbunden mit allen Lebewesen. Wir wirken alle zusammen. Im Grunde will alles Leben das Leben fördern. Ich begegne auch anderen Menschen so, dass ich das Schöne, das Leben in ihnen sehe. Das ist der Kern von »Ich bin o.k. Du bist o.k.«
Aufmerksamkeit auf der mehrgenerationalen Ebene:
Ich bin mit meiner Mutter und bin mit meinem Vater. Sie sind bei mir. Alle stehen hinter mir, auch die Ahnen der Familie. Viele stehen hinter mir und viele werden kommen. Es ist eine große vertikale Verbindung.
Aufmerksamkeit auf der Ich-Ebene, meinem Persönlichkeitskostüm:
Ich nehme mich mit den Fähigkeiten und Begrenzungen, die ich habe, an. Ich nehme meine Ich-Stärke, die mich auch schützt. Ich freue mich über meine Fähigkeiten, hadere nicht mit meinen Grenzen und entdecke mich selbst. Ich liebe mich.
Aufmerksamkeit auf der Denk-Ebene:
Ich nehme meine Fähigkeit an, zu denken und logische Zusammenhänge zu erschließen. Ich werde in meinen Fähigkeiten, mich aufmeine Lebensbühnen und Rollen welten zu beziehen, weiter dazulernen.
Aufmerksamkeit auf der Gefühls-Ebene:
Ich nehme meine Sensibilität an und bekämpfe sie nicht. Sie ist Teil meiner Art. Ich registriere Gefühle, hafte aber nicht an ihnen.
Aufmerksamkeit auf der Körper-Ebene:
Ich nehme meinen Körper so, wie er im Moment ist. Ich pflege meinen Organismus als das körperliche Fahrzeug, mit dem ich mich durchs Leben bewege.
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