Andreas Schubiger

Berufsfelddidaktik der höheren Berufsbildung


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Ausgangslage: bildungsverantwortliches Handeln an höheren Fachschulen

      Dieser Anspruch verpflichtet die Bildungsgänge an höheren Fachschulen, ihre Bildungsangebote so anzulegen, dass sie zur erfolgreichen Bewältigung und Gestaltung verantwortungsvoller beruflicher Situationen qualifizieren. Eine einseitige, auf den Erwerb von fachlicher Kompetenz hin angelegte berufliche Bildung allein ist demnach nicht mehr hinreichend. Für die Weiterentwicklung der höheren Berufsbildung bedeutet dies, sich von der Fachdidaktik zu lösen und berufsfelddidaktische Konzepte zu entwickeln, die ihre Aufgabe in der Vermittlung der Kompetenz zum beruflichen Handeln sehen. Daraus ergibt sich für Berufsbildungsverantwortliche und Lehrpersonen an höheren Fachschulen die Notwendigkeit, über berufsfelddidaktische Kompetenzen zu verfügen.

      Die Rahmenbedingungen für die Qualifikation der Lehrpersonen sind einerseits in der Verordnung des Department für Wirschaft, Bildung und Forschung WBF (des früheren EVD) über Mindestvorschriften für die Anerkennung von Bildungsgängen und Nachdiplomstudien der höheren Fachschule (MiVo-HF, 2005) und andererseits in den Rahmenlehrplänen für Berufsbildungsverantwortliche definiert (BBT, 2011a).

      Im Rahmenlehrplan für die Lehrpersonen an höheren Fachschulen im Nebenberuf wird in dem Bildungsziel 7 die Fachdidaktik angesprochen. Der Rahmenlehrplan für Lehrpersonen an höheren Fachschulen im Hauptberuf beschreibt darüber hinaus ein Bildungsziel 6, das sich auf den Transfer von der Praxis in die Theorie und von der Theorie in die Praxis bezieht. Unbegründet bleibt aus unserer Sicht die Tatsache, dass ausgerechnet das Bildungsziel 6 keine Verankerung im Rahmenlehrplan für nebenberufliche Lehrpersonen gefunden hat.

      Der Unterricht an höheren Fachschulen soll sich an Arbeitsprozessen orientieren (vgl. BBT, 2011a). Für die Gestaltung beruflicher Bildungsprozesse stellt sich die Frage, ob eine Fachdidaktik ein solches Ziel zu erreichen vermag. Im Zentrum beruflicher Bildung steht weniger ein Fach, als vielmehr das Berufsfeld. Eine Fachdidaktik, die ihre didaktischen Kategorien nur auf schulische Prozesse anwendet, ignoriert die Ansprüche der Berufspraxis. Das im Rahmenlehrplan für Lehrpersonen an höheren Fachschulen im Nebenberuf und im Hauptberuf formulierte Bildungsziel 7 (Die Inhalte des Lehrfaches theoretisch durchdingen und fachdidaktisch aufbereiten, BBT2001, S. 44; 48) bedarf daher der kritischen Reflexion und macht eine Klärung des Selbstverständnisses von Berufsfelddidaktik und damit zugleich auch eine Abgrenzung von der Fachdidaktik erforderlich.

      Die höhere Berufsbildung ermöglicht Berufsleuten mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis eine Spezialisierung und eine Vertiefung ihres Kompetenzbereiches. Sie baut auf beruflichen Erfahrungen auf und verknüpft schulische und berufliche Praxis miteinander. Die Bildungsgänge an höheren Fachschulen (HF) richten sich an Berufsleute aus unterschiedlichen Bereichen resp. Fachrichtungen: Technik, Tourismus, Hotellerie und Hauswirtschaft, Bank und Finanzen, Land- und Waldwirtschaft, Gesundheit, Soziales, Erwachsenenbildung, Künste und Gestaltung, Transport und Verkehr und Sprachen. Diese Heterogenität macht es unmöglich, für jeden Einzelberuf eine Berufsfelddidaktik zu entwerfen.

      Soll eine Berufsfelddidaktik als Leitbild für berufspädagogisches Handeln gelten, so stellt sich einerseits die Frage, wie es einer Berufsfelddidaktik gelingen kann, die berufsspezifischen Gegenstände und Fragestellungen sowie die Besonderheiten einzelner Bereiche resp. Fachrichtungen so aufzunehmen, dass sie einen Referenzrahmen für die kompetenzorientierte Bildung bietet. Andererseits stellt sich die Frage, in welcher curricularen und organisatorischen Form sich dies im Rahmen einer Ausbildung für Berufsbildungsverantwortliche in der höheren Berufsbildung als entsprechende Vorbereitung auf eine solche Funktion niederschlagen kann.

      Grundlegend für die Entwicklung einer Berufsfelddidaktik erscheint es daher, ein Modell der Berufsfelddidaktik zu entwickeln, welches auf alle Fachbereiche transformierbar ist und über generische Leitfragen die Entwicklung einer berufsfeldspezifischen Berufsfelddidaktik anregt. Eine Berufsfelddidaktik in einem so verstandenen Sinne gibt also keine Antworten, sondern stellt Fragen und löst so Erkenntnis- und Entwicklungsprozesse aus.

      Berufsfelddidaktisches Handeln findet in sehr differenzierenden Handlungsfeldern statt. Wird in diesem Verständnis »Berufsfelddidaktik« nur als Fach, das zu unterrichten ist, gesehen, so ist dieser Begriff zu reduziert. Eine Berufsfelddidaktik zeigt ihre Leistungen auf verschiedenen Ebenen. Auf Makroebene erfüllt sie wegweisende steuernde und kontrollierende Funktionen und spricht Organisationen der Arbeitswelt (OdA) in Zusammenarbeit mit den Bildungsanbietern an. Auf Mesoebene wohnt ihr eine curriculare Funktion inne und sie richtet sich an Bildungsverantwortliche, die an der Lehrplanentwicklung maßgeblich beteiligt sind. Auf Mikroebene entfaltet sie ihre berufsfeldspezifische didaktische Funktion und leitet Lehrpersonen zum konkreten unterrichtlichen Handeln an.

      Eine Berufsfelddidaktik hat in übergeordnete bildungstheoretische und didaktische Theorien eingebettet zu sein und gleichzeitig über einen Situationsbezug eine Praxisrelevanz zu schaffen. Entsprechend müssen Berufsbildungsverantwortliche und Lehrpersonen an höheren Fachschulen über die nötigen Kompetenzen verfügen, eine eigene Berufsfelddidaktik zu entwickeln. Wenn dies gelingt, wenn eine generische Berufsfelddidaktik mit Qualifikationsprofil erschaffen wird, kann dies gewinnbringend für eine fundierte Bildungspraxis von Bildungsverantwortlichen und Lehrpersonen an höheren Fachschulen sein. Um diesem Anspruch gerecht zu werden,

       • muss die bestehende Berufswirklichkeit erfasst,

       • muss der Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ermittelt,

       • müssen Trends- und Entwicklungsanalysen vorgenommen und

       • die normative, bildungstheoretische Perspektive berücksichtigt werden.

      Das verlangt ein theoretisch reflektiertes und systematisches Vorgehen, das nach derzeitigem Kenntnisstand bis anhin nirgendwo geleistet wurde.

      1 2. Ziele und Ebenen der Berufsfelddidaktik an den höheren Fachschulen

      Im Rahmen des Projektes «Berufsfelddidaktik in der höheren Berufsbildung, im Speziellen an den höheren Fachschulen» soll ein Modell der Berufsfelddidaktik entwickelt werden, das auf die verschiedenen Bildungsgänge der höheren Berufsbildung und deren Fachrichtungen transformierbar ist. Das Modell «Berufsfelddidaktik der höheren Berufsbildung» nimmt die Voraussetzungen, Bedingungen und Perspektiven berufspädagogischen Handelns in den Blick. Es will Anleitungen zur berufsfelddidaktischen Analyse, Beschreibung, Reflexion und Konstruktion von beruflichen Lehr-Lern-Prozessen geben. Übergreifende Konzepte und Aussagen sollen in konkrete didaktische Erkenntnisse in Bezug auf berufliche Bildungsgänge bzw. bestimmte Fächer überführt werden.

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      Abbildung 1: Die Berufsfelddidaktik der höheren Berufsbildung

      Als Bildungsexperten (AdA-Anbieter; AdA = Ausbildung der Ausbildenden) werden Bildungsanbieter bezeichnet, die Lehrgänge für Lehrpersonen an höheren Fachschulen anbieten (z.B. EHB, PHZ, Akademie für Erwachsenenbildung [AEB], PH Zürich, PHSG, IWP-HSG, ZbW). Ihr Verantwortungsbereich ist auf der Metaebene angesiedelt, weil sie als Mittler Berufsfeldexperten wie auch Lehrpersonen im berufsfelddidaktischen Handeln qualifizieren.

      Auf der Makroebene leitet die Berufsfelddidaktik dazu an, normative Grundlagen und didaktische Gestaltungsideen in Rahmenlehrplanvorgaben für die jeweiligen Bildungsgänge zu überführen. Berufsfeldexperten sind die Vertreter der Teilkonferenzen HF und Träger-OdA der Rahmenlehrpläne