Therapeut seine königliche Berührung nicht mehr guten Gewissens zurückhalten konnte.
Das kritische Ereignis in der Therapie trat ein, als Jane einen großen, bedrohlichen Lymphknoten in der Achsel entwickelte. Die Gruppe traf sich am Dienstagabend; zufällig musste sie am Dienstagmorgen eine Biopsie machen lassen und vierundzwanzig Stunden warten, bevor sie erfuhr, ob der Knoten bösartig war. An diesem Abend kam sie in Panik zum Treffen. Sie hatte zuvor niemals über ihren eigenen Tod nachgedacht, und die Sitzung war sehr wirkungsvoll für sie, da die Gruppe ihr half, sich ihren Ängsten zu stellen und sie auszudrücken. Ihre überwältigende Erfahrung war eine schreckliche Einsamkeit – eine Einsamkeit, die sie immer am Rande des Bewusstseins wahrgenommen und immer gefürchtet hatte. Bei dieser Sitzung wurde Jane auf einer tiefen Ebene bewusst, dass sie dem Tod letztlich allein gegenübertreten musste, ganz gleich, was sie tat, ganz gleich, wie sehr sie sich schwach machte – niemand konnte für sie eintreten, niemand konnte ihren Tod für sie sterben.
Am nächsten Tag erfuhr sie, dass der Lymphknoten gutartig war, aber trotzdem waren die psychischen Wirkungen der Erfahrung tiefgreifend. Viele Dinge begannen nun für Jane zu zusammen zu kommen. Sie fing an, Entscheidungen auf eine Art und Weise zu fällen, wie sie es nie zuvor getan hatte, und sie übernahm das Steuer ihres Lebens. Bei einer Sitzung meinte sie: »Ich glaube, ich weiß, was los ist.« Ich hatte ihre ursprüngliche Beschwerde seit langem vergessen, aber jetzt erinnerte ich mich daran und verstand sie schließlich. Es war wichtig für sie gewesen, nicht zu wissen, was los war. Sie hatte versucht, die Einsamkeit und den Tod, der das Erwachsenenleben begleitet, mehr als alles andere zu vermeiden. Auf magische Weise hatte sie versucht, den Tod zu besiegen, indem sie jung blieb, indem sie Entscheidung und Verantwortung vermied, indem sie sich entschied, an den Mythos zu glauben, dass immer jemand da sein würde, der für sie entscheiden würde, der sie begleiten würde, der für sie da sein würde. Erwachsen werden, entscheiden, sich von anderen trennen bedeutet auch, sich der Einsamkeit und dem Tod zu stellen.
Zusammengefasst spielt der Begriff des Todes in der Therapie eine entscheidende Rolle, weil er in der Lebenserfahrung von jedem von uns eine entscheidende Rolle spielt. Tod und Leben sind interdependent: Obwohl die Physikalität des Todes uns zerstört, rettet uns die Idee des Todes. Die Anerkenntnis des Todes trägt zur Würze des Lebens bei, sorgt für einen radikalen Wandel in der Lebensperspektive und kann uns von einem Modus des Lebens, der durch Ablenkung, Beruhigung und kleinliche Ängste charakterisiert ist, in einen authentischeren Modus überführen. In den Beispielen der Personen, die nach der Begegnung mit dem Tod bedeutsame persönliche Wandlungsprozesse erlebten, finden sich offensichtliche und wichtige Implikationen für die Psychotherapie. Was wir brauchen, ist eine Technik, die es dem Psychotherapeuten erlaubt, dieses therapeutische Potenzial mit allen Patienten auszuschöpfen, statt von glücklichen Umständen oder dem Ausbruch einer tödlichen Krankheit abhängig zu sein. Ich werde im fünften Kapitel ausführlich auf diese Fragen eingehen.
Tod und Angst
Angst spielt solch eine zentrale und offensichtliche Rolle in der Psychotherapie, dass es nicht nötig ist, diesen Punkt weiter auszuführen. Der einzigartige Stellenwert der Angst zeigt sich in der traditionellen psychiatrischen Krankheitslehre deutlich daran, dass die bedeutenden psychiatrischen Syndrome »Reaktionen« genannt werden – psychotische Reaktionen, neurotische Reaktionen, psychophysische Reaktionen. Wir betrachten diese Zustände als Reaktionen auf die Angst. Es sind Versuche, wenn auch schlecht angepasste, mit der Angst fertig zu werden. Psychopathologie ein Vektor – die Resultante der Angst und der die Angst bekämpfenden Abwehrmechanismen des Individuums, sowohl der neurotischen als auch der charakterologischen. Die Therapeuten beginnen ihre Arbeit mit einem Patienten meist, indem sie sich auf die manifeste Angst, die Äquivalente der Angst oder die Abwehr, die das Individuum errichtet, um sich vor der Angst zu schützen, konzentrierten. Obwohl die therapeutische Arbeit sich in viele Richtungen hin ausdehnt, benutzen die Therapeuten Angst immer wieder als Leuchtturm oder Kompass. Sie arbeiten auf die Angst hin, decken ihre grundlegenden Quellen auf und versuchen als letztes Ziel, diese Quellen an der Wurzel zu packen und zum Versiegen zu bringen.
Todesangst: Eine einflussreiche Determinante menschlicher Erfahrung und menschlichen Verhaltens
Der Schrecken des Todes ist überall in solchem Ausmaß vorhanden, dass ein beträchtlicher Teil der Lebensenergie für die Verleugnung des Todes aufgebraucht wird. Die Transzendenz des Todes ist ein wesentliches Motiv in menschlicher Erfahrung – von den tiefsten innerpersönlichen Erscheinungen, unserer Abwehr, unseren Motiven, unseren Träumen und Albträumen, bis zu den ganz öffentlichen makrosozialen Strukturen, unseren Monumenten, Theologien, Friedhöfen, Einbalsamierungen, unserer Eroberung des Weltraums, ja unserer ganzen Lebensführung – im Ausfüllen unserer Zeit, in unserer Abhängigkeit von Ablenkungen, unserem unbeirrten Glauben an den Mythos des Fortschritts, unserem Drang »weiterzukommen«, unserer Sehnsucht nach dauerhaftem Ruhm.
Die urzeitlichen Gruppen von Menschen, die Moleküle sozialen Lebens, wurden, wie Freud spekulierte, aus Furcht vor dem Tod gebildet: Die ersten Menschen kauerten sich zusammen aus Angst vor dem Getrennt-Sein und einer Furcht vor dem, was in der Dunkelheit lauerte. Wir halten die Gruppe aufrecht, um uns selbst aufrechtzuerhalten, und die Geschichtsschreibung über die Gruppe ist eine symbolische Suche nach mittelbarer Unsterblichkeit. Tatsächlich ist Geschichte selbst, wie Hegel behauptete, das, was der Mensch mit dem Tod macht. Robert Jay Lifton hat verschiedene Modi beschrieben, mit denen der Mensch symbolische Unsterblichkeit zu erreichen sucht. Betrachten wir ihre durchgängigen kulturellen Implikationen: (1) der biologische Modus – durch seine Nachkommen leben, durch eine endlose Kette biologischer Zugehörigkeit; (2) der theologische Modus – Leben auf einer anderen, höheren Ebene der Existenz; (3) der kreative Modus – durch sein Werk weiterleben, durch die anhaltende Wirkung seiner persönlichen Schöpfungen oder Einflüsse auf andere (Lifton weist darauf hin, dass der Therapeut persönliche Befriedigung aus dieser Quelle schöpft: indem er seinem Patienten hilft, initiiert er eine endlose Kette, da die Kinder und Angehörigen seiner Patienten auf seinen Spuren wandeln); (4) das Thema ewiger Natur – man überlebt, indem man sich den treibenden Lebenskräften der Natur überlässt; (5) der Modus der transzendentalen Erfahrung, indem man »sich selbst verliert« in einen Zustand, der so intensiv ist, dass Zeit und Tod verschwinden, und man im »Kontinuum der Gegenwart«25 lebt.
Diese sozialen Verästelungen der Todesangst und der Suche nach Unsterblichkeit sind so weit verbreitet, dass sie weit über den Rahmen dieses Buches hinausreichen. Unter denen, die über diese Fragen schrieben, haben vor allem Norman Brown, Ernest Becker und Robert Jay Lifton auf brillante Weise gezeigt, wie die Todesangst das Gewebe unserer sozialen Strukturen durchdrungen hat. Mich interessieren hier die Wirkungen der Todesangst auf die innere Dynamik des einzelnen Menschen. Ich stelle die Behauptung auf, dass die Furcht vor dem Tod die primäre Quelle der Angst ist. Obwohl diese Position einfach ist und mit alltäglicher Intuition übereinstimmt, werden wir sehen, dass ihre Auswirkungen auf Theorie und klinische Praxis sehr weitläufig sind.
Todesangst: Definition
Lassen Sie mich zunächst die Bedeutung von »Todesangst« untersuchen. Ich werde abwechselnd verschiedene Begriffe verwenden: »Todesangst«, »Furcht vor dem Tod«, »tödlicher Schrecken«, »Furcht vor der Endlichkeit«. Die Philosophen sprechen von der Bewusstheit der »Zerbrechlichkeit des Seins« (Jaspers), der Furcht vor dem »Nicht-Sein« (Kierkegaard), der »Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten« (Heidegger) oder der ontologischen Angst (Tillich). Viele dieser Ausdrücke beinhalten Unterschiede in der Akzentuierung, da die Menschen die Todesangst auf sehr verschiedenartige Weise erfahren können. Können wir präziser sein? Was genau ist es, was wir am Tod fürchten?
Die Forscher, die diese Frage untersucht haben, weisen darauf hin, dass die Angst aus einer Vielzahl kleinerer, unterscheidbarer Ängste zusammengesetzt ist. Zum Beispiel haben James Diggory und Doreen Rothman eine große Stichprobe (N =563) aus der allgemeinen Bevölkerung gebeten, mehrere Konsequenzen des Todes in eine Rangordnung zu bringen. Dies waren die allgemeinen Ängste im Zusammenhang mit dem Tod nach abnehmender Häufigkeit:
1. Mein Tod würde meinen Verwandten und Freunden Kummer verursachen.