Mirjam Weder

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Durchführung festzuhalten und – auf der Basis der Ergebnisse – für die didaktische Verbesserung des Moduls zu nutzen. Neben den Beobachtungen durch die Dozierende selbst wurden die Werkstattsitzungen von einem weiteren Dozenten besucht. Er war bestrebt, als teilnehmender Beobachter möglichst viele Aspekte der Lerndynamik festzuhalten. In den Resultaten unten werden diese Beobachtungen beschrieben und diskutiert. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen dienen einerseits der Optimierung des Moduls (insbesondere der Sequenz Infografik), sind aber auch als Tipps für Lehrende gedacht, die multimodales Schreiben unterrichten (wollen).

      Resultate – Beobachtungen und erstellte Diagramme

      Im Folgenden beschreiben wir die Beobachtungen der beiden Werkstattsitzungen und spiegeln diese an den – überarbeiteten – Diagrammen, welche die Studierenden als Teil ihres Leistungsnachweis-Portfolios am Ende des Semesters einreichten.

      Beobachtungen aus den beiden Werkstattsitzungen

      In den beiden Werkstattsitzungen fiel auf, dass vielen Studierenden mathematisches Basiswissen fehlt. So bereitete es unerwartet große Schwierigkeiten, Zahlen zwei- oder dreidimensional richtig darzustellen, wie zum Beispiel bei der Verwendung von flächenproportionalen Darstellungen.

      Trotz des Vorbereitungsauftrags fiel es den meisten Studierenden zudem schwer, Themen zu finden und darin Botschaften zu erkennen. Da sie ohne diese Konzeptionsphase begannen, Datensätze in Diagramme zu fassen, hatten sie Mühe mit dem Auftrag, die Aussage einer Grafik auf eine Headline zu verdichten. Das Finden und Aufarbeiten von (zusammenhängenden) Informationen zu Botschaften – also der journalistische Umgang mit den Datensätzen – stellte sich als sehr viel anspruchsvoller dar als erwartet.

      Insgesamt stellte der teilnehmende Beobachter fest, dass die Studierenden sehr unterschiedlich vorgingen. Wie oben erwähnt, waren sie teilweise gegenüber den Datensatz-Tabellen ratlos und suchten Inspiration bei bestehenden Infografiken. Kaum jemand setzte Skizzen ein. Diagrammfunktionen in unterschiedlichen Software-Tools wurden oftmals im Trial-and-Error-Verfahren eingesetzt. Gefiel ein ansehnliches Ergebnis, wurde dieses kaum mehr infrage gestellt.

      Oftmals schien auch eine Vorstellung vom Diagramm zu bestehen, bevor Thema und Botschaft gefunden worden waren, zum Beispiel wenn Studierende mit Landkartendiagrammen arbeiteten. Die Diagramme an sich genügten ihnen, obwohl sie inhaltlich nicht Bestandteil des abzuliefernden Diagrammsets (geschweige denn einer kohärenten Botschaft) waren. In einzelnen Fällen wurden Darstellungen, welche die Statistik-Plattformen (OECD o.J.; Statista o.J.) schon aufbereitet anbieten, als Inspiration genutzt, was teils zu einer gefährlichen Nähe zum Plagiat führte.

      Einzelne Austauschstudierende nutzten die Zeit in den Werkstattsequenzen wenig zielführend und gaben sich zu früh mit inhaltsarmen, rasch erstellten Diagrammen zufrieden. Der Gruppendynamik war dies nicht zuträglich. Diesen voreiligen Fokus auf die Tools konnten wir oft, aber nicht systematisch beobachten. Er führte auch zu falschen Anwendungen im Bereich flächenproportionaler Grafiken (zum Beispiel Baumdiagramme für nicht abgeschlossene Mengen).

      Auffallend waren auch der unsichere Umgang mit Zahlen und Diagrammen und die mangelhafte Überprüfung der scheinbar perfekten Entwürfe. Deren teils verführerisch professionellem Design, das diese Hilfsmittel generieren, steht insgesamt ein wenig gefestigtes mathematisches Verständnis gegenüber, mit dem die aufbereiteten Zahlenzusammenhänge überprüft werden müssen. So wurden zum Beispiel absolute Zahlen angeführt, wo wenn überhaupt nur Anteilswerte verglichen werden konnten. Oder die Ergebnisse wurden keinem Realitätstest unterzogen. Ein simpler Plausibilitätstest – also mit etwas Abstand das Dargestellte betrachten und sich fragen, ob das überhaupt sein kann oder ob das überhaupt Sinn ergibt – wurde nicht ausgeführt.

      Finalisierte Diagramme der Studierenden

      Betrachten wir die von den Studierenden kreierten Produkte, so widerspiegeln diese teils die oben beschriebenen Schwierigkeiten. Es finden sich aber auch gelungene Botschaften in den Diagrammen. Zur Illustration der Ergebnisse führen wir unten exemplarisch drei Diagramme an.

      Im ersten Beispiel (vgl. Abbildung 9) ist die Headline stimmig; auch im Set ist das Diagramm sinnvoll, da die Studentin in allen Grafiken auf Gesundheitskosten (hier relativ zum Bruttosozialprodukt eines Landes) der OECD-Staaten fokussiert. Ebenso gibt sie die Datenquelle an. Einziger Kritikpunkt ist, dass das Diagramm der Musterlösung, die im Unterricht vorgestellt worden war, formal sehr ähnlich ist. Aber die Studentin hat in den Daten ihre eigene Botschaft gesucht und gefunden.

      

      Abbildung 9: Beispiel aus den Studierendenportfolios – gelungen

      Weniger gelungen ist das Beispiel in Abbildung 10. Die Headline passt nicht zu den Zahlen. Entwicklungen werden üblicherweise als Liniendiagramme dargestellt, wobei der Zeitraum von 2012 bis 2015 zu kurz ist, um die Entwicklung der Lebenserwartung aussagekräftig darzustellen. Das verwendete Säulendiagramm zeigt auch nur einen Ausschnitt der Y-Achse an, was zu einer visuellen Überhöhung der Unterschiede führt. Hier zeigt sich zudem die Schwierigkeit, Diagramme richtig zu interpretieren oder – vice versa – die gefundene Botschaft mit den richtigen Datendarstellungen zu untermauern. So stellt das Diagramm nur Daten des einen inhaltlichen Aspekts dar, während die Headline zwei Themen in Zusammenhang bringt.

      Abbildung 10: Beispiel aus den Studierendenportfolios – misslungen

      Abbildung 10 illustriert weiter eine zentrale Stolperfalle im Umgang mit Daten: Die Korrelation von Daten können einen vermeintlichen Zusammenhang insinuieren. Über die Qualität der Abhängigkeit sagt statistische Korrelation jedoch nichts aus. Trotzdem geschieht es häufig, dass wir in diesen Fällen fälschlicherweise Kausalität ableiten, was dann die Interpretation der Daten entsprechend verzerrt oder gar falsch ausfallen lässt.

      Neben der Schwierigkeit mit den Inhalten zeigen einige Beispiele aus den Portfolios fehlende Überprüfung der Daten bzw. der mathematischen Zusammenhänge. Das dritte Beispiel (vgl. Abbildung 11) illustriert die falsche Verwendung eines Baumdiagrammes, das trotz der Diskussionen während der Werkstattsitzungen in einem der Portfolios doch so verwendet wurde.

      Abbildung 11: Beispiel aus den Studierendenportfolios – falsche Flächenproportionalität

      Flächenproportionale Grafiken wie dieses Baumdiagramm eignen sich, um die Anteile der Kategorien (hier Länder) an einer geschlossenen Menge aufzuzeigen. Geht es jedoch um den Vergleich von Länderkennzahlen, so muss man die Flächen auch visuell möglichst vergleichbar gestalten, sprich unterschiedlich große Quadrate, Kreise oder Balken mit gleicher Breite nebeneinander reihen. Die ausgewählten Kennzahlen geben zwar relative Zahlen wieder, bilden in der Summe aber keine Gesamtheit, was jedoch durch den gewählten Diagrammtyp suggeriert wird. Weitere Schwächen des Beispiels sind fehlende Zahlen zu den Teilflächen sowie eine rein zufällige, nicht funktional begründete Farbgebung.

      Neben den gelungenen und den misslungenen Diagrammen wurden in Einzelfällen auch substanzarme Diagrammsets abgeliefert, besonders von jenen Studierenden, die sich schon während des Werkstattunterrichts kaum auf die Arbeit an den Aufgaben einließen.

      Learnings für die Überarbeitung der Sequenz und des Moduls insgesamt

      Die erste Durchführung des Moduls hat gezeigt, dass unsere Studierenden in ihrem Umgang mit Diagrammen unsicher sind. Es fällt ihnen schwer, Daten zu lesen, sie flüchten sich rasch in elektronische Tools oder sie unterschätzen die Komplexität der Aufgabe. Die Hilfsmittel nehmen es den Autorinnen und Autoren nicht ab, vorgängig Inhalte zu erarbeiten, sprich, die Themen und Botschaften zu finden und die Visualisierung zu konzipieren. Die Darstellungen