Bernhard Görg

Dürnsteiner Würfelspiel


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Kein Wunder, dass dir deine Frau davongerannt ist.«

      »Du bist sicher nicht zu mir gekommen, um mir Ratschläge über den Umgang mit Frauen zu geben. Außerdem schaust du wie eine Katze aus, die gerade eine Schüssel Schlagobers geschlürft hat.« Er stand auf und rückte für sie einen Sessel zurecht, dessen Sitzfläche nur mehr Reste eines hellbraunen Furniers erkennen ließ.

      »Der Sessel da hat schon bessere Zeiten gesehen, aber dich wird er noch aushalten.«

      »Kann ich sicher sein, dass ich mich da auf keine Reste von dem drauf setze, was du gerade in deinem Nabel gefunden hast?«

      »Keine Sorge. Wäre nur Abrieb von meinem Pyjama. Macht garantiert keine Flecken. Außerdem habe ich immer in eine ganz andere Richtung gezielt.« Spencer grinste sie an.

      Doris wischte mit ihrer Linken über die Sitzfläche und setzte sich. »Dein Wort in Gottes Ohr.« Sie strahlte. »Stell dir vor, der Marbolt will morgen eine Pressekonferenz machen.«

      »Schon wieder? Die hat er doch erst anlässlich seines Amtsantritts gemacht. Andererseits ist es kein Wunder. Immerhin haben ihn die Journalisten vorige Woche übersehen, so spindeldürr wie er ist.«

      Doris lehnte sich zurück und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. Sie schwieg für ein paar Sekunden, weil sie den kommenden Moment besonders genießen wollte. »Du wirst es nicht glauben, aber er möchte wegen des Skeletts mit der Presse reden.«

      Spencer lehnte sich ebenfalls zurück und begann langsam, seinen Kopf zu schütteln. »Na, da haben wir uns ja einen besonderen Vogel eingehandelt. Ich hoffe, du hast dich geweigert, da dabei zu sein. Wir wissen bis jetzt genau genommen nullkommajosef.«

      »Ich habe mich nicht geweigert.« Nachdem sie das Entsetzen ihres Stellvertreters auf seinem Gesicht gesehen hatte, setzte sie verschmitzt hinzu: »Er will mich ausdrücklich nicht dabei haben.«

      »Das erste Intelligente, was ich von dem Menschen gehört habe.« Dann bekam Spencers Gesicht einen Ausdruck, den die Chefin der Mordkommission nur als Ausdruck der plötzlichen Eingebung und Erleuchtung interpretieren konnte.

      »Lang vor deiner Zeit hat es bei uns einmal eine berühmte Fernsehsendung gegeben. Aktenzeichen XY ungelöst‹, in Deutschland läuft die noch immer. Ich stelle mir gerade vor, wie unser hochverehrter Herr Chef die leere Kondomschachtel in die Kamera hält und sich mit dem verlogen-pathetischen Unterton des damaligen Moderators an die Fernsehzuschauer wendet: Meine Damen und Herren, wenn jemand unter Ihnen ist, der ein Präservativ aus dieser Schachtel verwendet hat, oder jemanden kennt, der das getan hat, dann melden Sie sich bitte. Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle oder unser Aufnahmestudio entgegen. Jeder Hinweis wird natürlich diskret behandelt.« Spencer prustete los.

      »Der rennt noch in sein Unglück.« Doris stand auf und streifte mit beiden Händen über die Rückseite ihres hellbeigen Rocks.

      Bei diesen Worten wurde Spencer wieder ernst. »Vorsicht, Doris. Solche Typen rennen nicht ins Unglück. Sie lassen andere an ihrer Stelle ins Unglück rennen. Dieser Instinkt ist diesen Leuten angeboren. Deshalb machen sie auch Karriere.«

      5. April, 16:00 Uhr

      Sie war pünktlich. Wie immer. Sie hatte schon seit ewigen Zeiten Frauen affig gefunden, die Männer warten ließen. Eine geradezu kindische Art, sich begehrt machen zu wollen. Das hatte sie nie notwendig gehabt. Allerdings nützte jetzt ihre ganze Pünktlichkeit nichts. Die enge Straße in Unterloiben war hoffnungslos zugeparkt. Wie das beim Loibnerhof fast immer der Fall war. Wieder so eine typische Idee des Herrn Stadtparteiobmanns. Wollte den Zusammenhalt seiner Truppe durch den Besuch eines Heurigen fördern. In Loiben noch dazu. Sie hätte an seiner Stelle wenigstens ein Lokal in Krems ausgesucht. Bei den Kremser Wirten würde es nicht besonders gut ankommen, wenn die Partei, die sich die Förderung der Kremser Wirtschaft auf ihre Fahnen geheftet hatte, in Unterloiben fremdging. Aber sie wusste, dass es kaum einen Ort gab, der es mit dem Garten vom Knoll aufnehmen konnte. Bei den zweiundzwanzig Grad, die das Außenthermometer ihres Wagens anzeigte, war der Gastgarten einfach fantastisch. Schade nur, dass die Apfelbäume noch nicht blühten. Die Blüten der Apfelbäume fand sie zehnmal schöner als die der Marillen.

      Nach vergeblicher Suche musste es also der Behindertenparkplatz unmittelbar vor dem Eingang sein. Bestimmt würden sich viele Heurigenbesucher deswegen ihr Maul zerreißen. Hilde Dahlmeyer presste ihren feuerroten Mercedes SLK in die enge Nische. Der Platz war so knapp, dass ihr Auto trotz mehrerer Einparkversuche in die Fahrbahn hineinragte. Verkehrsbehindernd und daher verboten. Beides kümmerte sie wenig. Die rote Farbe erkannte man bei Tageslicht gut. Und länger als zwei Stunden wollte sie sowieso nicht bleiben. Noch dazu war ihr Auto bei der Polizei bekannt. Da machte sie sich auch keine Sorgen.

      Sie hörte im Autoradio noch Elvis und seinen Song »One night with you« zu Ende. Ihr Freund hatte es mehr mit Guns N’ Roses, aus denen sie sich wiederrum überhaupt nichts machte. Aber abgesehen davon war er Extraklasse. Spitze, wie nur ein Achtundzwanzigjähriger Spitze sein konnte.

      Sie schloss das Hardtop ihres Wagens und überprüfte im Innenspiegel noch einmal ihr Make-up. Die Wimpern waren eine Spur zu stark getuscht, aber sonst sehr okay. Dafür war ihr Dirndl ausgesucht dezent. Der Rock reichte weit über ihre Knie. Mit einer Bluse, die auch nicht den kleinsten Einblick in ihr Dekolleté gestattete. Auf den ersten Blick sah alles betont einfach aus. Trotzdem war sie sicher, dass manche der weiblichen Gäste an dem Spalier der Tische, durch das sie gleich hindurchgehen würde, die Raffinesse des Schnitts und die Qualität der verwendeten Materialien sofort erkannten. Der Stoff war dunkelblau mit weißen Blümchen, noch dazu mit Wollborderie. Kenner wussten sofort, dass es sich dabei nur um ein Wachauerdirndl von Gexi Tostmann handeln konnte.

      Die Eifersucht anderer Frauen war am heutigen Abend unbegründet. Die Männer der Stadtpartei lagen alle weit unter ihrer Reizschwelle. Wie beim Kegelklub, dessen Mitglied sie auf Wunsch des Parteiobmanns geworden war. Zudem war seit Neuestem ebenfalls vom Zusammenrücken die Rede. Dort wollte sich dieser unselige Rechnungsprüfer allerdings nicht mit einem Heurigen begnügen. Er war auf die Idee verfallen, die Verbrüderung durch einen gemeinsamen Saunabesuch zu fördern. Sie war alles andere als ein Kind von Traurigkeit, aber sie hatte sich angewöhnt, an den Kegelabenden nur mehr lange Hosen und XL-Pullover zu tragen. Was allerdings diesen Herrn Frisch nicht daran hinderte, schon zu sabbern, wenn er sie nur von weitem sah. Wäre er nicht bei der Polizei gewesen, hätte sie ihn schon längst zur Rede gestellt. Einen wohlgesinnten Revierinspektor konnte man allerdings immer brauchen.

      Sie griff in ihren Kittelsack. Ein Taschentuch war da. Der BH, der fast so eng geschnitten war wie ihr Auto, zwickte beim Aussteigen. So diskret wie es nur ging, rückte sie ihn zurecht. Als sie den sechs Monate alten Mercedes abschließen wollte, fiel ihr Blick auf einen Mann, der etwas aus einem Wagen zu holen schien. Er war ihr in den letzten Jahren schon ein paar Mal über den Weg gelaufen und irgendwie bekannt vorgekommen, ohne dass sie gewusst hätte, wohin sie ihn zuordnen sollte. Sie hatte ihn allerdings mit mehr Haaren in Erinnerung. Die beginnende Glatze passte ihm gar nicht schlecht, denn er besaß einen schön geformten Kopf.

      Als sie endlich den Gastgarten betrat, wusste sie plötzlich, woher sie ihn kannte.

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