Elena Makarova

Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl (E-Book)


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Ward, 1998), erwarten wir Geschlechtsunterschiede bei allen RIASEC-Dimensionen (H2). Jungen berichten über ein höheres praktisch-technisches, intellektuell-forschendes und unternehmerisches Interesse, während Mädchen ein stärkeres soziales, sprachlich-künstlerisches und konventionelles Interesse besitzen. Zusätzlich erwarten wir geschlechtsspezifische Unterschiede in den Entwicklungsverläufen von Mädchen und Jungen. Hoff et al. (2018) fanden für das praktisch-technische Interesse einen stärkeren altersbedingten Abfall bei Mädchen als bei Jungen. Im Hinblick auf das soziale Interesse zeigten Mädchen eine leichte Zunahme, während sich für die Jungen ein deutlicher Abfall nachweisen ließ. Geschlechtsdifferenzen in den Entwicklungsverläufen der anderen RIASEC-Dimensionen wurden bisher nicht empirisch untersucht. Allerdings konnten Maurice und Bäumer (2015) in ihrer Längsschnittstudie mit Grundschulkindern eine altersbedingte Zunahme der Unterschiede in den Interessen von Mädchen und Jungen feststellen. Ausgehend von diesen Befunden erwarten wir Unterschiede in den Entwicklungsverläufen von Mädchen und Jungen im sozialen und praktisch-technischen Interesse (H3).

      2 Methode

      2.1 Stichprobe

      Die Daten wurden zwischen 2015 und 2017 an zehn öffentlichen Primarschulen in der Deutschschweiz erhoben. Die Schulen wurden zufällig ausgewählt und kontaktiert. Schülerinnen und Schüler der vierten bis sechsten Klasse wurden jeweils im Herbst in der Klasse zu ihren Interessen befragt. Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 und 8 wurden postalisch kontaktiert. Die Analysestichprobe besteht aus 248 Schülerinnen und -schülern. Insgesamt wurden 500 Schülerinnen und Schüler befragt. Zum ersten Messzeitpunkt waren die Teilnehmenden zwischen 8 und 13 Jahren alt (M = 10.26, SD = .87) und besuchten die vierte bis sechste Klasse. 50.2 Prozent der Stichprobe sind Mädchen. Analysen zeigen keine bedeutsamen Unterschiede in den beruflichen Interessen zwischen jenen, die an allen drei Messzeitpunkten teilnahmen, und jenen, die nur an einem oder zwei Messzeitpunkten teilnahmen. Schülerinnen und Schüler mit vollständigen Daten waren jedoch etwas jünger als jene mit unvollständigen Daten (t(499) = –12.8, p > .05).

      2.2 Instrumente

      Die beruflichen Interessen der Kinder wurden mit der deutschen Übersetzung des Inventory of Children’s Activities – 3 (ICA-3) von Tracey und Caulum (2015) erfasst. Das ICA-3 besteht aus 30 Aktivitäten, mit denen Kinder vertraut sind (z. B. «Zahlen addieren», «Bilder malen»). Für jede Aktivität geben die Kinder auf einer 5-stufigen Skala (1 = das interessiert mich gar nicht; das tue ich gar nicht gerne, 5 = das interessiert mich sehr; das tue ich sehr gerne) ihr Interesse an. Jeweils fünf Items werden zu einer Interessendimension des Holland-Modells aggregiert. Für die deutsche Übersetzung einer Vorversion des Instruments (ICA-R, Tracey & Ward, 1998) berichten Maurice und Bäumer (2015) interne Konsistenzen zwischen α = .55 und α = .78 in einer Stichprobe von Dritt- bis Fünftklässlern.

      3 Ergebnisse

      3.1 Deskriptive Statistiken

      Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Reliabilitäten sowie Mittelwerte und Standardabweichungen der RIASEC-Dimensionen aufgeteilt nach Geschlecht und Messzeitpunkt. Alle RIASEC-Dimensionen besitzen eine ausreichende bis gute interne Konsistenz (α = .68 – .81).

      Bemerkung: Mädchen (N = 126), Jungen (N = 121), n.s. = nicht signifikant

      3.2 Entwicklung beruflicher Interessen

      Zur Analyse der altersspezifischen Veränderung wurden Varianzanalysen mit Messwiederholung berechnet. Nachfolgend werden die Ergebnisse der MANOVAs mit Messzeitpunkt (T1, T2, T3) und Geschlecht (männlich, weiblich) als unabhängige Variablen separat für alle RIASEC-Dimensionen dargestellt.

       Praktisch-technisches Interesse (R)

      Da der Mauchly-Test auf eine Verletzung der Sphärizität hinweist (Mauchly-W(2) = .96, p < .05), werden zur Berechnung des p-Wertes die nach Huynh-Feldt korrigierten Freiheitsgrade verwendet (ε = .97). Es zeigt sich eine signifikante Veränderung des praktisch-technischen Interesses mit zunehmendem Alter der Teilnehmenden (F(1.94, 477.78) = 17.18, p < .05, partielles η² = .07). Bonferroni-korrigierte paarweise Vergleiche zeigen, dass das praktisch-technische Interesse zu T1 (M = 3.41, SD = .06) signifikant höher ist als zu T2 (M = 3.24, SD = .06) und T3 (M = 3.09, SD = .06). Das praktisch-technische Interesse der Jungen fällt höher aus als jenes der Mädchen (F(1, 246) = 21.71, p < .05). Allerdings ergeben sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entwicklung des praktisch-technischen Interesses von Mädchen und Jungen (F(1.94, 477.78) = 1.59, p < .21).

       Intellektuell-forschendes Interesse (I)

      Die Varianzanalyse mit Messwiederholung (Sphärizität angenommen: Mauchly-W(2) = .98, p = .15) zeigt eine signifikante Veränderung des forschenden Interesses mit zunehmendem Alter (F(2, 496) = 22.73, p < .05, partielles η2 = .09). Bonferroni-korrigierte paarweise Vergleiche zeigen, dass das forschende Interesse zu T1 (M = 3.69, SD = .06) signifikant höher ist als zu T2 (M = 3.55, SD = .06) und T3 (M = 3.35, SD = .06). Das forschende Interesse fällt bei Jungen geringer aus als bei Mädchen (F(1, 246) = 5.93, p < .05). Allerdings ergeben sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entwicklung des forschenden Interesses von Mädchen und Jungen (F(2, 496) = 2.40, p = .09).

       Künstlerisch-sprachliches Interesse (A)

      Die Varianzanalyse mit Messwiederholung (Sphärizität angenommen: Mauchly-W(2) = .98, p = .14) zeigt eine signifikante Veränderung des künstlerisch-sprachlichen Interesses mit zunehmendem Alter (F(2, 496) = 5.94, p < .05, partielles η2 = .02). Bonferroni-korrigierte paarweise Vergleiche zeigen keine signifikante Veränderung zwischen T1 (M = 3.60, SD = .05) und T2 (M = 3.54, SD = .05), aber eine signifikante Abnahme des künstlerisch-sprachlichen Interesses zwischen T1 und T3 (M = 3.43, SD = .05). Mädchen berichten über ein deutlich stärkeres künstlerisch-sprachliches Interesse als Jungen (F(1, 246) = 89.70, p < .05). Allerdings ergeben sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entwicklung des künstlerisch-sprachlichen Interesses von Mädchen und Jungen (F(2, 496) = .07, p = .49).

       Soziales Interesse (S)

      Da der Mauchly-Test auf eine Verletzung der Sphärizität hinweist (Mauchly-W(2) = .97, p < .05), werden zur Berechnung des p-Wertes die nach Huynh-Feldt korrigierten Freiheitsgrade verwendet (ε = .98). Es zeigt sich eine signifikante Veränderung des sozialen Interesses mit zunehmendem Alter der Teilnehmenden (F(1.96, 481.27) = 13.70, p < .05, partielles η² = .05). Bonferroni-korrigierte paarweise Vergleiche zeigen keine signifikante Veränderung zwischen T1 (M = 3.74, SD = .05) und T2 (M = 3.81, SD = .05), aber eine signifikante Abnahme des sozialen Interesses zwischen T1 und T3 (M = 3.56, SD = .05). Mädchen berichten über ein stärkeres soziales Interesse als Jungen (F(1, 246) = 13.37, p < .05). Allerdings ergeben sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Entwicklung des sozialen Interesses von Mädchen und Jungen (F(1.96, 481.27) = .87, p = .42).

       Unternehmerisches Interesse (E)

      Die Varianzanalyse mit Messwiederholung (Sphärizität verletzt: Mauchly-W(2) = .95, p