die die Unterrichtsentwicklung anzuschliessen hat. Der Lernprozess wird durch eine externe, strukturierende Begleitung unterstützt, die eine doppelte Kompetenz auf der Ebene des Unterrichts und der Weiterbildung verlangt. Zentrale strukturierende Massnahmen sind dabei einerseits ein reflexiver Zyklus, andererseits ein iterativer induktiv-deduktiver Verlauf des Weiterbildungsangebots.
1 Einleitung
Vorstellungen darüber, wie Lehrpläne oder Bildungsreformen allgemein Wirkung entfalten, wie sich Schule und Unterricht weiterentwickeln sollen und welche Rollen die Weiterbildung, die Schule und die Lehrpersonen dabei spielen, sind auch ein Produkt historischer Entwicklungen. In diesem Beitrag geht es um die historische und die theoretisch-empirische Rahmung der im Kanton Bern am Institut für Weiterbildung und Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Bern (IWM) zur Lehrplaneinführung entwickelten Weiterbildungskonzeption und der darin steckenden Begriffe und Konzepte.
Ein neuer Lehrplan weckt immer auch die Erwartung, dass sich die Schule weiterentwickelt. Wie sich die Vorstellungen darüber historisch verändert haben, wird im ersten Kapitel skizziert. Eine zentrale Veränderung betrifft den Fokus auf die Unterrichtsentwicklung, die letztlich Lernen von Lehrpersonen bedeutet. Das wird im zweiten und dritten Kapitel dargelegt. Im vierten Kapitel wird argumentiert, dass eine Reform als eine von aussen an die Schule herangetragene Aufgabe, wie die Einführung eines neuen Lehrplans, für die Unterrichtsentwicklung beziehungsweise das Lernen von Lehrpersonen ganz bestimmte Voraussetzungen schafft. Für die Gestaltung eines Weiterbildungsangebots1 gilt es daraus folgernd verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die in Kapitel 5 beschrieben sind. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die in Kapitel 6 angesprochene Kompetenz der Dozierenden, die solche Weiterbildungsangebote inszenieren. Abschliessend werden weiterbildungsdidaktische Folgerungen gezogen, die dem Entwicklungsprozess der Einführungsangebote des IWM zugrunde lagen.
2 Schulentwicklung und Unterrichtsentwicklung: Ein Rückblick und eine begriffliche Einordnung
Neue Lehrpläne – ihre Funktionen
Lehrpläne werden immer wieder erneuert. Damit reagieren Schulsysteme auf neue Erwartungen an die öffentliche Schule, weil die Zukunftstauglichkeit der schulischen Bildung optimiert werden soll (Vollstädt, 2003). Zum einen legitimiert ein Lehrplan bildungspolitisch und staatsrechtlich die öffentliche Bildung in der Schule. Ein neuer Lehrplan ist zuerst einmal eine neue rechtliche Grundlage für das, was im Unterricht durch die Lehrpersonen gelehrt beziehungsweise von den Schülerinnen und Schülern gelernt werden soll. Lehrpläne stellen ein staatsrechtliches Instrument dar, das letztlich den Unterricht steuern soll, selbstverständlich verbunden mit der Annahme, dass durch seine Umsetzung die schulische Praxis besser wird (Hopmann, 2013; siehe auch Beitrag 2). Den an der Schule Beteiligten dient der Lehrplan zum anderen als Orientierungs- oder Steuerungsinstrument, indem er Bildungsziele benennt, schul- und unterrichtsorganisatorische Parameter setzt (z.B. die Verteilung der Unterrichtszeit auf die Fächer), aber auch ein Bildungs- und Lern- und Unterrichtsverständnis transportiert. Zudem orientiert sich auch die Produktion neuer Lehrmittel daran (Adamina, 2014).
Empirisch zeigt sich, dass Lehrpläne eher indirekte Wirkung auf die Unterrichtspraxis haben, insbesondere durch Lehrmittel (Vollstädt, 2003), weil diese für die zentralen Akteure der Umsetzung in die Unterrichtspraxis, die Lehrpersonen, bedeutsamer sind (vgl. dazu auch Bähr & Künzli, 1999).
Verändern der Unterrichtspraxis der Lehrpersonen durch Unterrichtsentwicklung
Immer schon wird mit neuen Lehrplänen mehr oder weniger explizit eine veränderte Unterrichtspraxis und damit auch ein verändertes Handeln der Lehrpersonen im Unterricht verbunden (Ladwig, 2010). In den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wird im deutschsprachigen Raum dieser Lernprozess von Lehrpersonen, das eigene Handeln und damit den Unterricht zu verändern, zunehmend als «Unterrichtsentwicklung» bezeichnet. Der Begriff kommt im Anschluss an den Terminus «Schulentwicklung» auf, mit dem die Einzelschule als Ansatzpunkt für Veränderungen und Reformen in den Fokus gerückt wurde.
2.1 Schulforschung: Schule spielt keine Rolle – Schule spielt doch eine Rolle
Historisch und empirisch hat sich die Unterrichtsentwicklung als Mittel zur Veränderung herauskristallisiert. Um unser Verständnis von Unterrichtsentwicklung einzuordnen und zu klären, wird im Folgenden kurz skizziert, wie die Unterrichtsentwicklung historisch und empirisch zum zentralen Element der Schulentwicklung wurde, um die Schule und die Unterrichtspraxis zu verändern. Es hat wesentlich auch damit zu tun, dass sich die empirische Beforschung von Schule und Unterricht in dem, was sie genau und wie sie es untersucht, wandelt. Damit einher gehen andere Antworten auf die Frage, was eine gute Schule und guten Unterricht ausmacht.
Die gleichermassen einflussreiche wie kontrovers diskutierte Studie des US-amerikanischen Soziologen James S. Coleman in den 1960er-Jahren (Coleman et al., 1966) zu Fragen der Ungleichheit beziehungsweise Gleichheit von Bildungschancen kam zum Ergebnis, dass der Leistungsunterschied zu grossen Teilen auf den sozialen und familiären Hintergrund der Schülerinnen und Schüler zurückzuführen ist. Mit anderen Worten, Schulen haben im Verhältnis zu den Eltern wenig Einfluss auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Damit kam für eine Verbesserung der Situation auch nicht eine Veränderung von Schule und Unterricht in den Blick. Das Ergebnis basiert auf dem Einbezug von Schuleigenschaften wie zum Beispiel der Ausstattung der Schule, Ausgaben pro Schüler oder Gehälter, also inputseitige Faktoren auf der Ebene der Schule.
Untersuchungen zur Qualität von Schulen in den 1970er-Jahren – als Reaktion auf die Coleman-Studien – zeigten hingegen insbesondere grosse Unterschiede zwischen den Schulen auf, die auf Merkmale der einzelnen Schulen zurückgeführt wurden: Schule spielt also eine Rolle (z.B. Rutter, Maughan, Mortimore & Ouston, 1979; Mortimore, Sammons, Stoll, Lewis & Ecob, 1988). Dass die einzelne Schule als «pädagogische Handlungseinheit» hoch bedeutsam ist, fand breite Anerkennung (Fend, 1986). Forschungsmethodisch haben komplexere konzeptuelle Modelle, die Variablen auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems berücksichtigen, sowie die Weiterentwicklung statistischer Verfahren, insbesondere die Mehrebenenanalyse, dazu beigetragen (Teddlie & Stringfield, 2007; Scheerens, 2015).
Mit Begriffen wie «Schulethos» (Rutter et al., 1979), Schulkultur oder Schulklima (Fend, 1977, 1986; La Schoen & Teddlie, 2008) wurden sozioemotionale Merkmale einer Schule wie Werte, Normen und kollegiale Kooperation, die zur Schulqualität beitragen, beschrieben. Teddlie und Stringfield (2007) fassen aus verschiedenen Studien folgende neun Eigenschaften effektiver Schulen zusammen:
1 effektive Schulleitung («leadership»)
2 allgegenwärtiger Fokus auf das Lernen
3 positive Schulkultur
4 hohe und angemessene Erwartungen an alle
5 kontinuierliche Überwachung («monitoring») der Fortschritte auf allen Ebenen
6 effektiver Unterricht
7 produktiver und angemessener Einbezug der Eltern
8 Weiterentwicklung des Personals in der Schule
9 Betonen der Verantwortung und Rechte der Schülerinnen und Schüler
Solche Schuleffektivitätsstudien nahmen ihren Anfang in Grossbritannien und den USA und wurden dann auch im übrigen europäischen Raum übernommen (Creemers, 2007).
2.2 Schulentwicklung
Ermöglichung von Schulautonomie und Installierung der Schulleitung
Aus diesen Forschungsergebnissen liess sich die Notwendigkeit ableiten, dass erfolgreiche Schulreformen bei den einzelnen Schulen anzusetzen haben. Das Interesse fokussierte auf die Frage, warum sich Schulen in ihren Wirkungen unterscheiden. Mit der Ermittlung von verschiedenen Merkmalen von Schulen, die in Zusammenhang mit den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler stehen, wird die Frage bedeutsamer, wie mithilfe der gewonnenen Forschungserkenntnisse die Schul- und Unterrichtspraxis verändert werden kann. Die Erkenntnisse der Schulforschung zu den Zusammenhängen