Entwicklung, ob als Individuum oder als Gesellschaft, kann und soll von der Schule mitgeprägt werden. Angesichts ernst zu nehmender drohender Szenarien im Bereich Persönlichkeitsschutz und der Bedrohung traditioneller Freiheitsrechte sowohl durch private Unternehmen wie durch staatliche Stellen wird auch die Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien ein schulisches Thema bleiben.
Das Buch ersetzt nicht die Lektüre von Literatur zur Allgemeinen Didaktik. Wir gehen davon aus, dass die Leserinnen und Leser vertiefte Kenntnisse von der Planung und Gestaltung von Unterricht haben. Ebenso beinhaltet das Buch keine Listen von digitalen Werkzeugen, die sich für den Einsatz im Unterricht eignen, und auch keine Gebrauchsanweisungen für solche Werkzeuge. Erstens finden sich dazu unzählige Informationen im Netz und zweitens besitzen solche Empfehlungen meist nur eine sehr kurze Halbwertszeit.
Das Buch erhebt nicht den Anspruch, auf die aufgeworfenen Fragen und Probleme umfassende, wissenschaftlich abgestützte Antworten zu liefern. Wir sind davon überzeugt, dass es gerade in Fragen der Bildung nicht den Königsweg gibt. Ganz bewusst bedienen wir uns auch einer einfachen, verständlichen Sprache. Verständlichkeit ist eines der obersten Ziele guten Unterrichts. Die aktuelle Literatur zu Didaktik und Pädagogik nimmt unserer Meinung nach hier oft keine Vorbildfunktion ein.
Wie soll man in das Buch einsteigen?
Die Reihenfolge der einzelnen Kapitel ist beliebig und jedes Kapitel kann auch für sich allein gelesen werden. Wir empfehlen, dass man sich beim Lesen immer die Situation im eigenen Unterricht vergegenwärtigt. Wie ist das bei mir? Habe ich die gleichen Probleme? Wie bin ich bis jetzt mit diesen Problemen umgegangen? Und ganz wichtig: Bringen Sie als Leserin oder Leser Offenheit und Interesse mit, sowohl gegenüber den Entwicklungen rund um digitale Medien als auch gegenüber der jungen, vernetzten Generation. Sehr empfehlen können wir hier vorab die Lektüre von Michel Serres’ Essay «Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation». Der bekannte, 1930 geborene französische Philosoph setzt sich darin mit dem gesellschaftlichen Wandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts auseinander. Tief greifende Veränderungen seien dadurch in Gang gesetzt worden, dass sich eine junge Generation völlig neu organisiere.
Wer sind die beiden Autoren?
Werner Hartmann hat Mathematik studiert, am Gymnasium in Baden (Schweiz) unterrichtet und sich anschließend an der ETH Zürich und der Pädagogischen Hochschule Bern in Forschung und Lehre mit ICT, Medien und Informatik beschäftigt.
Alois Hundertpfund hat Rechtswissenschaft studiert und war Lehrer an der Baugewerblichen Berufsschule Zürich sowie Dozent in der Lehrerbildung an der Universität Zürich und an der Pädagogischen Hochschule – stets mit Interesse an einer «What-works-Didaktik» unter Einbezug multimedialer Möglichkeiten.
Die Autoren danken Rémy Kauffmann, Amadeus Fetz und Beat Döbeli Honegger für Diskussionen und kritische Anmerkungen, Fiona Hasler für das sorgfältige Lektorat und die zahlreichen inhaltlichen Anregungen sowie Franziska Voigt für das gründliche Korrektorat.
Inhaltsverzeichnis
1. Information und Wissen: Verwesentlichung
2. Soziale Intelligenz und Verständigung
3. Kritisches und flexibles Denken
4. Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität
5. Abstraktion und Modellbildung
6. Nutzung digitaler Werkzeuge
7. Rollenbilder privat, beruflich und öffentlich
8. Kreatives, produktives Denken
9. Informelles und selbstbestimmtes Lernen
Mit der Digitalisierung einhergehend steht uns eine unüberschaubare Menge an Daten und Informationen fast überall und jederzeit zur Verfügung. Die Herausforderung besteht nicht darin, Zugang zu diesen Daten und Informationen zu erhalten, sondern darin, diese zu filtern und auf die relevanten Inhalte zu reduzieren. Das effiziente und effektive Recherchieren, das Unterscheiden zwischen wesentlichen und unwesentlichen Informationen und das Beurteilen der Stichhaltigkeit stellen heute Schlüsselqualifikationen dar. Wer sich nicht in der Belanglosigkeit des Internets verlieren will, muss sich zudem bewusst sein, dass der Zugang und Besitz von Informationen nicht mit Wissen und Erkenntnis gleichzusetzen ist. Gerade in der Schule zeigt sich, dass Arbeiten von Schülerinnen und Schülern oft sehr umfangreich und professionell gelayoutet werden, inhaltlich aber nur aus einer unstrukturierten Aneinanderreihung von mit Fleiß zusammengetragenen Informationen aus dem Internet bestehen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema, das Verknüpfen von Wissen aus verschiedenen Fachgebieten und eine Synthese, verbunden mit der Erzeugung neuen Wissens, finden nicht statt. Hier zeigt sich ein Paradigmenwechsel: War es in der Buchgesellschaft ein wichtiges Ziel, überhaupt genügend Quellen und Informationen zu erschließen, verlangt die Informationsgesellschaft die Fähigkeit zur Filterung, zur Reduktion und zur Vertiefung.
Bis zur Erfindung des Buchdruckes blieb der Zugang zu Informationen und damit zum Wissen auf einen kleinen, ausgewählten Kreis von Personen beschränkt. Mit dem Buchdruck vergrößerte sich dieser Kreis, verbunden mit Entwicklungen wie der Aufklärung, der Einführung von Schulen, der Demokratisierung sowie veränderten Machtgefügen. Allerdings blieb auch in der Buchgesellschaft das Publizieren von Büchern und Zeitschriften das Privileg von wenigen. In der Informationsgesellschaft kann fast jeder unkompliziert und nur mit geringen Kosten verbunden Informationen ins Netz stellen. Die Darstellung dieser Informationen beschränkt sich dabei nicht nur auf Text und Bild. Das Publizieren von Audio-Beiträgen und Videos bis hin zu 3-D-Objekten ist ohne großen Aufwand möglich. Für die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Schulen und für jeden Einzelnen von uns eröffnen sich neue, teilweise spektakuläre Möglichkeiten. Gleichzeitig birgt diese technische Entwicklung, wie andere vor ihr, neue Risiken.
Wir profitieren – nicht ohne Nebenwirkungen – von der uns heute zur Verfügung stehenden großen Informationsmenge. Ein gutes Beispiel dafür ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Sie stellt die herkömmlichen gedruckten Enzyklopädien bezüglich Umfang und Aktualität in den Schatten und ist für die meisten zum beliebten Nachschlagewerk geworden. Und die Risiken? Die unüberschaubare Menge an Informationen stellt uns vor große Herausforderungen. Im «Mitmach-Web» kann jeder mitschreiben und wir können uns nicht mehr auf eine vorgängige Selektion der Inhalte durch eine zentrale Redaktion – etwa eines Verlags oder einer Zeitschrift – verlassen. Die Stichhaltigkeit und der Wahrheitsgehalt von Informationen muss von uns selbst kritisch hinterfragt werden. Zudem ist die Gefahr groß, relevante Informationen im weltweiten Datenmeer zu übersehen. Zwar erleichtern uns die digitalen Medien den Zugang zu Informationen, sie erhöhen jedoch auch die Anforderungen an unsere Informationskompetenz massiv. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Wahl der Informations- und Kommunikationskanäle. Neben den klassischen Medien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen eröffnet uns eine Vielzahl weiterer Kanäle (zum Beispiel Blogs, soziale Netzwerke, Newsletter, Messenger-Dienste) den