oder ein Mitarbeiter des Verlages (ich weigere mich, „MitarbeiterIn“ zu schreiben, denn die Zeit für den männlichen Mitarbeiter muss alleine schon aus Respekt vorhanden sein) die undankbare Aufgabe erhalten, stundenlanges, undeutliches und dialektlastiges Geplaudere ins Hochdeutsche zu transkribieren. „Nau, do wean sa se dabei fest auscheiß’n“. Die transkribierte Rohfassung wird dann an den „Schreiberling“ Clemens G. Arvay übermittelt werden und dann: Ran an die Tasten, mein lieber Freund! Zusammenfassen, streichen, kopieren, einfügen, verschieben. Kurzum: stundenlanges Geplappere in Buchform bringen. Clemens, Clemens, darum werde ich dich nicht beneiden.
Nach einigen Wochen der Vorfreude wird dann ein dickes Kuvert mit dem Manuskript in meinem Postkasten landen. Das ist dann fast ein wenig wie Weihnachten. Vielleicht noch ein paar kleine Korrekturen und Verbesserungsvorschläge meinerseits und dann ab in die Druckerpresse. So werden heute Bücher gemacht. Vielleicht hatten Sie auch die naive Vorstellung von einem Autor, der monatelang seine Ergüsse unter Schmerzen zu Papier bringt, mit dem Manuskript von Verleger zu Verleger wandert, dabei die Klinken putzt und mit Menschen, die er gar nicht so recht leiden kann, essen geht und auf die Veröffentlichung seines Werkes hofft. Ähnliche Vorstellungen hatte auch ich einmal im Kopf. Aber die Welt dreht sich nun schneller und überholt sich fallweise selbst. Hinten ist plötzlich Vorne. Es kann auch beim Motorradfahren – übrigens ebenfalls „fallweise“ – passieren, dass dich das Hinterrad überholt. Dies endet aber zumeist mit einem Bauchklatscher.
Was ich mir wünsche: „Leb wohl Schlaraffenland“ soll kein Buch über mich werden, sondern über all jene Menschen, die so wie ich auf der Suche nach dem „Guten Leben“ sind und das selbstständige Denken nicht verlernt haben. Ich zähle mich dazu. Die Lust am Schreiben hat man mir in der Schule genommen, die Freude am Sprechen nicht, da ich etwas zu sagen habe. Das Selbstdenken konnte ich mir bewahren. Aber das ist nicht unbedingt eine Frage der Bildung.
Ah, Clemens winkt herüber, die Kameras sind bereit. Möge unsere Übung gelingen!
Und damit ich es nicht vergesse: Ein Vorwort werde ich irgendwann noch schreiben müssen, aber dabei werde ich mich wohl kurz fassen.
Roland Düringer, 5. Juli 2013
Ein kurzes Nachwort als zweites Vorwort zum vorliegenden Buch
Heute ist der 25. September 2013 und die erste Version des Manuskripts zu unserem Buch ist fertig. Krystian vom Verlag war es, also ein „MitarbeiterIn“, der es in kurzer Zeit geschafft hatte, stundenlang gesprochenes, nur bedingt deutschsprachiges Wort aus Videoaufnahmen in Schriftform zu bringen. Wieder jemand, der mich sicher nicht mehr hören und sehen kann. Danke und meine Hochachtung, lieber Krystian.
Und auch meinen Respekt an dich, Clemens. Es ist dir gelungen, Ordnung und Sinn in die folgenden Seiten zu bringen und unser Gespräch lesbar und übersichtlich darzustellen. Ich weiß: Meine Gedanken springen oft schnell, ich rutsche vom Hundertsten ins Tausendste, wiederhole mich manchmal gebetsmühlenartig und schaffe es einfach nicht, das Motorrad aus philosophischen Gesprächen herauszuhalten.
Die Versuchung meinerseits war groß, das vorliegende Manuskript umfangreich zu bearbeiten, etwas hinzuzufügen, weil es mir jetzt beim Lesen noch eingefallen ist, weil es einfach noch gesagt gehört, anderes wieder wegzustreichen, weil es mir entbehrlich erscheint, manche Passagen umzuschreiben, weil man es ja viel besser hätte sagen können. Aber dann wäre es ja nicht mehr das, was es ist: ein schriftliches Dokument unserer Sommergespräche. So habe ich mich auf kleine Korrekturen beschränkt, um möglicherweise Unverständliches klarer zu machen und vom Videoband falsch Transkribiertes zu berichtigen. (Mein Zug fährt eben vom Bahnhof ab und nicht vom Bauernhof, obwohl ich – wie von Krystian sicher richtig gehört – „Baunhof“ sagte.) Denn nur so kann es bleiben, was es ist. Gesprochenes Wort, ohne ein künstliches Netz. Aussagen, die im Moment aus dem Bauch kommen und nicht mehrmals durch den Kopffilter gehetzt worden sind. Und so sollten Sie es auch lesen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bei uns, still wie ein Mäuschen, und hören Clemens und mir beim Reden zu – fast wie im „richtigen“ Leben, bloß mit einer kleinen Einschränkung: Sie können nicht mitreden. Schade eigentlich, denn wir hätten uns sicher vieles zu sagen!
Roland Düringer, 25. September 2013
Das gute Leben
Clemens G. Arvay: William James, Begründer der modernen wissenschaftlichen Psychologie und einer der einflussreichsten Philosophen der Vereinigten Staaten von Amerika, schrieb bereits 1902: „Glücklich zu werden, glücklich zu bleiben und Glück wiederzugewinnen, ist tatsächlich für fast jeden Menschen das geheime Motiv für alles, was er tut.“ Welche Rolle spielen Glück und Glücklichsein in deinem eigenen Leben und Schaffen?
Roland Düringer: Ich würde es gar nicht Glück nennen, denn das bekommt dann sofort diesen Beigeschmack, als wäre jemand anderer dafür verantwortlich, zumindest manchmal, ein bisschen. Glück kann man zum Beispiel in einer bestimmten Situation haben: „Na, da habe ich aber Glück gehabt!“ Es kann zum Beispiel Glück sein, wenn mir irgendetwas erspart bleibt. Wenn ich mit dem Motorrad fahre und nicht stürze, ist es oft Glück.
Manche erwarten auch von einem anderen Menschen, dass er sie glücklich macht. Das Unpassendste, das man jemandem sagen kann, den man liebt, ist: „Du machst mich glücklich.“ So hängt man ihm eine furchtbare Verantwortung um. Was geschieht, wenn dieser Mensch die Erwartungen nicht mehr erfüllt? Dann beginnt man womöglich, ihn abzulehnen, weil er plötzlich nicht mehr glücklich macht.
Ich bin nicht auf der Suche nach dem Glück, sondern – so, wie vermutlich viele Menschen – nach einem guten Leben. Das Schöne daran ist, dass es für jeden etwas anderes bedeutet, ein gutes Leben zu führen. Daher suchen ja auch nicht alle dasselbe. Gott sei Dank, sonst müsste man ja um das gute Leben kämpfen. (lacht)
Ein gutes Leben ist für mich viel mehr und umfassender als bloß Glück zu haben. Zu einem guten Leben gehört, dass man manchmal mit dem Motorrad auch stürzt. Wenn man das einigermaßen übersteht, kann man daraus sehr viel lernen, weil man dann weiß, wie es ist, zu stürzen. Ein gutes Leben ist für mich daher nicht zwingend ein stets nur glückliches Leben. Ein gutes Leben macht manchmal glücklich, dann auch wieder unglücklich, aber es ist eben dennoch ein gutes Leben. Stetig Unglück zu haben ist natürlich kein gutes Leben.
In diesem Punkt hat sich meine Sichtweise in den letzten Jahren sehr verändert. Die Frage „Was ist ein gutes Leben?“ beantworte ich heute anders als früher. Nachdem ich mich vor mehr als 30 Jahren entschlossen hatte, den Beruf zu ergreifen, den ich heute noch ausübe, war für mich ganz klar, was ein gutes Leben ist: Gut zu leben bedeutete für mich damals, auf der Bühne erfolgreich zu sein, ein applaudierendes Publikum zu haben. Es bedeutete, von vielen Menschen gerne im TV gesehen zu werden oder dass viele Zuseher in die Kinosäle strömten, wenn es einen Film mit mir zu sehen gab. Ich glaubte, in der Presse von Journalisten gelobt zu werden, führe zu einem guten Leben, auf der Straße erkannt zu werden, freundlich begrüßt zu werden. Das waren meine Vorstellungen vom guten Leben, die relativ lange anhielten. In dieser Phase verdiente ich viel Geld – und zwar auf eine sehr einfache Art und Weise, indem ich nämlich schlichtweg das tat, was mir am meisten Spaß machte: schauspielen. Rückblickend kann ich behaupten, dass dies eher „Glück“ war, dass ich also in einer glücklichen Lage war, mit der Tätigkeit Geld zu verdienen, die ich gerne ausübte und die ich auch dann fortgesetzt hätte, wenn ich dafür hätte bezahlen müssen.
Vor dieser Zeit hatte ich tatsächlich bezahlt, um meinen Beruf ausüben zu können. Ich musste nämlich zuerst einem sogenannten „Brotberuf“ nachgehen, um es mir leisten zu können, auf einer Bühne zu stehen und vor einer Handvoll Zusehern das zu sagen, was zu sagen mir wichtig war. Neben dem Schauspiel fuhr ich also mit einem Lieferwagen. Das war das, was ich konnte: Auto fahren. Ich arbeitete im Lager einer Handelsfirma und lieferte 30 Stunden pro Woche kleine Elektronikbauteile aus. Abends spielte ich manchmal Theater. Am Anfang hatten wir mit unserer Kabarettgruppe „Schlabarett“ im Schnitt geschätzte sieben Zuseher, an Wochenenden manchmal fünfzehn, weil wir dann acht Verwandte mit hineinzerrten. Irgendwann bemerkten wir, dass wir,