Bernd Schmid

Systemische Personal-, Organisations- und Kulturentwicklung


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müssen aufeinander bezogen und abgestimmt werden.

      Mit der Darstellung der vier Dimensionen eines Verantwortungssystems und der Bedeutung der sorgfältigen Klärung und Abstimmung postulieren wir kein neues unrealistisches Idealbild. In Wirklichkeit werden wir es immer mit Situationen zu tun haben, in denen Verantwortung eines Funktionsträgers nicht in allen vier Dimensionen optimiert werden kann. So kann es durchaus möglich sein, dass jemandem ein Teil der erforderlichen Qualifikationen fehlt. Systemisch gesehen ist es nicht wichtig, dass alle Anforderungen 100-prozentig durch den Funktionsinhaber erfüllt werden, sondern dass in diesem Fall z.B. fehlende Qualifikationen anderswo im System aktiviert und sinnvoll im entsprechenden Verantwortungssystem integriert werden. Auch kann es vorkommen, dass ein Funktionsträger nicht mit der erforderlichen Autorisierung ausgestattet werden kann. Auch dann kann ein funktionierendes Verantwortungssystem gestaltet werden, indem der autorisierte Verantwortungsträger in relevante Prozesse eingebunden wird.

      image 1.2.2 Kooperationssystem im Passungsprozess

      2.1.2 Verantwortung als komplementäres, aufeinander bezogenes Gesamtsystem

      Die vorhergehenden Überlegungen machen deutlich, dass Verantwortung nicht nur bezogen auf die einzelnen Personen und ihre Funktionen betrachtet werden darf, sondern als komplementäres, aufeinander bezogenes Gesamtsystem verstanden und gestaltet werden muss. Nahtlose Prozesse erfordern ein System von sich ergänzenden und aufeinander bezogenen Verantwortungen (SCHMID/CASPARI 1997b).

      Wir unterscheiden deshalb zwischen einer

      • Verantwortung für... z.B. eine bestimmte Funktion mit entsprechenden Aufgaben und Leistungen. Diese Verantwortung impliziert auch formelle Zuständigkeiten, bei deren Vernachlässigung eine Person arbeitsrechtliche Probleme bekommen kann.

      • Verantwortung bezogen auf ... ein bestimmtes Zusammenwirken mit (internen und externen) »Kunden« und »Lieferanten« in den Wertschöpfungs- und Führungsprozessen. Die »Verantwortung bezogen auf« erfordert auch die Entwicklung und Pflege einer unternehmerischen Ethik und eine (Selbst-) Verpflichtung auf Komplementarität und Integrierbarkeit des eigenen Tuns.

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      Abb. 5: Komplementäre Verantwortung

       2.1.3 Ebenen von Verantwortung

      Im Weiteren ist es sinnvoll, folgende zwei Ebenen von Verantwortung zu unterscheiden:

      • Verantwortung bezüglich der Aufgaben: Ein Funktionsträger trägt Verantwortung für ein bestimmtes Set von Aufgaben, die es schlüssig wahrzunehmen gilt.

      Beispiel: Bei seiner Einstellung übernimmt der Sicherheitsbeauftragte eines Chemieunternehmens die Verantwortung für die Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit von zehn Sicherheitsstufen. Er hat bezüglich jeder Sicherheitsstufe bestimmte Verantwortungen (z.B. Qualitätssicherung für Notfallprozeduren).

      • Verantwortung bezüglich der Schlüssigkeit des Verantwortungssystems: Ein Funktionsträger ist mitverantwortlich für die Konfiguration des gesamten Verantwortungssystems bezogen auf seine Funktion.

      Beispiel: Im Laufe eines mehrjährigen Reorganisationsprozesses werden im Sicherheitskonzept des Unternehmens aus Kostengründen Sicherheitsstufen gestrichen. Dies muss Anlass sein, mit anderen im Unternehmen in einen Verantwortungsdialog einzutreten. Wenn der Sicherheitsverantwortliche seine Verantwortung nicht mehr wahrnehmen kann, ist es seine Pflicht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Wenn er dies z.B. aus Existenzängsten nicht tut, gefährdet er sich und die Vitalität seines Unternehmens.

      2.2 Symbiosen als wesentliche Störungen im Verantwortungssystem

      Wenn Verantwortungen in einem System nicht wahrgenommen werden, entstehen leicht sog. dysfunktionale Symbiosen (SCHIFF u.a. 1975). Während in der Natur auch Symbiosen als natürliche Zweckgemeinschaften bekannt sind, die für alle Beteiligten Nutzen stiften, schädigen dysfunktionale Symbiosen die eigenen Lebensinteressen und/oder das umgebende Lebensmilieu. Für die Beteiligten selbst stellen sie – meist unbewusst – ein scheinbar »gutes Geschäft« dar, führen aber letztlich zu einer Beeinträchtigung von Gesundheit und Wohlbefinden. Zwischen sich und anderen bestehende dysfunktionale Symbiosen zu erkennen und damit sinnvoll umgehen zu können, ist daher ein zentraler Schritt in Richtung des Lebens einer als passend erlebten Verantwortungskultur.

      Wir definieren symbiotische Beziehungen in zwei Dimensionen komplementär:

      Dysfunktionale symbiotische Beziehungen sind solche,

      • in denen Verantwortung nicht wahrgenommen oder verschoben wird, oder in denen das daraus entstehende Unbehagen verschoben wird;

      • in denen Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden.

       2.2.1 Entstehung und Funktion von Symbiosen

      1. Nicht-Übernahme von Verantwortung: Der Ausgangspunkt des symbiotischen Prozesses besteht darin, dass jemand (Person A) eine mit seiner Funktion verbundene Verantwortung aus irgendwelchen Gründen nicht wahrnimmt. Dadurch wird im System ein Unbehagen erzeugt.

      Die PE-Abteilung des Unternehmens, welches sich im Reorganisationsprozess befindet, müsste sich eigentlich angesichts neuer Anforderungen und knapper Ressourcen neu positionieren. Während der Vorgesetzte den wachsenden (aber noch ungerichteten) Druck von verschiedenen Seiten an die Mitarbeiter weitergibt, ohne sich grundlegenden strategischen Fragen zu stellen (was Teil seiner Führungsverantwortung ist), gerät das Team angesichts knapper werdender Ressourcen zunehmend in Konfliktsituationen und in Streit über die »richtige« PE-Arbeit.

      2. Verschiebung des Unbehagens: Die Nichtübernahme von Verantwortung bewirkt im System eine Verschiebung des Unbehagens an eine andere Stelle. Eigentlich sollte der Verantwortliche (oder andere Beteiligte) das wachsende Unbehagen als Gelegenheit wahrnehmen, über (seine) Verantwortung (evtl. mit anderen) nachzudenken. Wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird, entsteht durch die Verschiebung des Unbehagens folgendes Phänomen:

      3. Einladung in die Symbiose: Andere beteiligte Personen lassen sich von der unbewussten »Einladung« von A dazu »veranlassen«, selbst ihnen nicht angemessene Verantwortung zu übernehmen. Damit treten sie zusammen mit dem Verantwortlichen in die dysfunktionale Symbiose ein. Ein wirksamer Verantwortungsdialog wird vermieden, um Konfrontation zu vermeiden und/oder um eigene »Vorteile« zu schützen.

      Ein Mitarbeiter aus der PE-Abteilung, der sich schon immer für mehr Zusammenarbeit ausgesprochen hat, nimmt das Unbehagen wahr und versucht verschiedene Formen des strategischen Dialogs anzuregen. Schließlich beauftragt der Vorgesetzte auf sein Drängen hin einen Berater damit, das Team in strategischen Fragen zu beraten. In einem Zwei-Tage-Workshop wird die Situation analysiert, erste Lösungsansätze entwickelt und es werden Arbeitsgruppen vereinbart. Da der Vorgesetzte dafür jedoch keine Beiträge leistet, insbesondere die Spielräume und Anforderungen der Organisationsumwelt nicht vertritt und verantwortet und auch danach wenig Interesse daran zeigt, sich und den Bereich umzusteuern, bleiben die Arbeitsgruppen weitgehend wirkungslos. Dawird beiauch wirksam, dass das weitere Team größtenteils nur wenig Interesse an Veränderungen hat, da ihnen wenig einsichtig ist, weshalb sie traditionelle Freiheitsgrade zugunsten gemeinsamer strategischer Absprachen aufgeben sollten. Vielleicht spielen die externen Berater letztlich auch noch mit, wenn sie immer wieder Aufträge abarbeiten, ohne dass sich an den entscheidenden Stellen etwas tut.

      Wenn eine Person B Verantwortung übernimmt, die einer Person A zukommt und für die A vielleicht autorisiert oder verpflichtet ist, trägt B damit dazu bei, dass das System in seiner Dysfunktionalität aufrechterhalten und stabilisiert wird. Wenn jemand