und vor allem an die Lektoren von Berrett-Koehler für ihr ausführliches Feedback. John Gallos und Michael Arthur haben das fertige Manuskript gelesen und mir damit zu einer weiteren Klärung verholfen.
Während ich an diesem Buch arbeitete, ist meine Frau gestorben. Die letzten sechs Monate ihres 25-jährigen Kampfs gegen den Krebs haben mir viele Anstöße zum Nachdenken über Helfen und Pflege gegeben. Ich danke ihr posthum für die 52 wunderbaren Jahre, die wir zusammen verbracht haben, und für die kreative häusliche Atmosphäre, die mir das Schreiben zur Freude statt zur Pflicht gemacht hat.
Edgar H. Schein, Cambridge, MA.
1. Kapitel
Was ist Helfen?*
Hilfreiches und nicht hilfreiches Helfen
Helfen ist ein komplexes Phänomen: Manchmal hilft es, manchmal nicht. Die Unterschiede will ich in diesem Buch herausarbeiten. In meiner beruflichen Laufbahn als Professor und gelegentlicher Berater habe ich oft darüber nachgedacht, was hilft und was nicht, warum manche Seminare gut laufen und andere nicht, warum Coaching und Erfahrungslernen oft erfolgreicher sind als Vorträge und warum es bei der Arbeit mit Klienten aus dem Organisationsbereich besser ist, sich auf die Inhalte statt auf die Prozesse zu konzentrieren, also nicht auf die Frage, was getan, sondern wie es getan wird. In diesem Buch will ich dem Leser die Einsicht vermitteln, die nötig ist, um dort, wo Hilfe gefordert ist oder um Hilfe gebeten wird, tatsächlich zu helfen, und sie dort, wo sie gebraucht und angeboten wird, auch anzunehmen. Beides ist meist schwieriger, als man glaubt.
Vor ein paar Tagen zum Beispiel bat mich ein Freund um Rat, der Probleme mit seiner Frau hatte, aber als ich ihm Vorschläge machte, meinte er unwirsch, das habe er alles schon versucht, und implizierte zudem, solche Vorschläge könne nur ein ausgesprochen unsensibler Mensch machen. Das erinnerte mich an viele ähnliche Erfahrungen, bei denen die Bitte um oder das Angebot von Hilfe erfolglos geblieben war und Unbehagen hinterlassen hatte.
Dann fiel mir ein Beispiel für erfolgreiche Hilfe ein: Eine Frau im Auto hatte mich nach dem Weg zur Autobahn gefragt. Ich fragte, wohin sie denn wolle, und erfuhr, dass sie in die Bostoner Innenstadt wollte. Als ich ihr sagte, dass die Straße, auf der wir waren, direkt in die Innenstadt führe und sie die Autobahn gar nicht brauche, bedankte sie sich sehr herzlich, weil ich sie nicht zu der Autobahn geschickt hatte, nach der sie gefragt hatte.
Nach meiner Erfahrung bleibt Hilfe, ob erbeten oder angeboten, besonders häufig bei Computerproblemen nutzlos. Wenn ich bei einer Hotline anrufe, verstehe ich meist nicht einmal die diagnostischen Fragen, mit denen die Helfer herausfinden wollen, wie sie mir helfen können. Will mich ein Computerfachmann Schritt für Schritt durch ein Problem führen, fällt es mir schwer zu sagen: »Halt! Ich habe den ersten Schritt noch gar nicht verstanden.« Ein Computerlehrer allerdings hat mich zuerst gefragt, wofür ich meinen Computer vor allem benutzen wolle, und als ich ihm sagte, ich brauche ihn hauptsächlich zum Schreiben, hat er mir alle Programme und Hilfsmittel erklärt, die das Schreiben erleichtern. Das war hilfreich. Wenn ich aber meiner Frau beim Computer helfen soll, mache auch ich immer wieder denselben Fehler: Ich sage ihr, was ich tun würde, sie fühlt sich überfordert, und am Ende sind wir beide frustriert.
Freunde, Lektoren, Berater, Lehrer und Coachs haben oft Vorschläge gemacht und Tipps gegeben, die für mein jeweiliges Problem irrelevant waren. Und wenn ich diese dann so freundlich wie möglich ignorierte, machten mich die selbsternannten Helfer in irritiertem Ton darauf aufmerksam, sie hätten mir ja nur helfen wollen, und unterstellten damit, es sei meine Schuld, wenn ich ihre Hilfe nicht annehmen könne.
Eine meiner Töchter bat mich einmal um Hilfe bei einer Mathematikaufgabe. Ich unterbrach meine Arbeit, löste ihr Problem – und dann ging sie schmollend weg, ohne sich auch nur zu bedanken. Was hatte ich falsch gemacht? Als dann eine andere Tochter Hilfe bei einer Hausaufgabe wollte, sagte ich: »Erzähl doch mal …« Dabei stellte sich heraus, dass sie über ein schwieriges soziales Problem an der Schule reden wollte, das mit der Hausaufgabe gar nichts zu tun hatte. Es war ein gutes Gespräch, und hinterher ging es uns beiden besser.
Ärzte, Therapeuten, Sozialarbeiter und Berater aller Art wissen aus Erfahrung, dass Hilfe trotz bester Absichten fehlschlagen kann. Als Consultant und Karrierecoach für Manager in den verschiedensten Organisationen habe ich oft Lösungen für die vorgetragenen Probleme gefunden, nur um später festzustellen, dass mein Rat nicht funktioniert hatte und der Klient meinen Vorschlag nicht umsetzen konnte oder wollte. Und in der Supervision ist es mir oft genug passiert, dass man sich für Interventionen, die auf dysfunktionales Verhalten in der Gruppe zielten, herzlich bedankte, ohne dass sich das Verhalten veränderte.
Hilfe beschränkt sich natürlich nicht auf die Interaktion zwischen Einzelpersonen. Wenn Gruppen- und Teamarbeit ihre Ziele erreichen soll, müssen die Mitglieder ihre Rollen richtig spielen. In der Regel definiert man ein effektives Team nicht unbedingt als Gruppe von Menschen, die in der Lage sind, sich gegenseitig in angemessener Weise zu helfen. Aber genau das ist gute Teamarbeit: erfolgreiche gegenseitige Hilfe. Interessanterweise redet man in der Teamarbeit immer nur dann von »Hilfe«, wenn sie fehlt, wenn also zum Beispiel ein Mitglied zu einem anderen sagt: »Was du da getan hast, war nicht hilfreich«, oder: »Warum hast du mir nicht geholfen?«
Wie man sich im Team hilft, kann man im amerikanischen Football sehen, wo der Ballträger nur durchkommt, wenn ihm die Linemen den Weg freihalten. Viele erfolgreiche Ballträger laden ihre Linemen nach einem gewonnen Spiel als Dank für die Unterstützung zum Essen ein. Und wenn ein Läufer hinter der Linie angegriffen wird, sieht jeder, dass Hilfe gefehlt hat.
Helfen und Hilfe annehmen ist also komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Dieser scheinbar so alltägliche und ausgesprochen notwendige Prozess steckt voller Schwierigkeiten und misslingt häufig. Dieses Buch geht von der Voraussetzung aus, dass Helfen ein wichtiger, aber komplizierter Prozess ist. Es beschäftigt sich mit der Frage, was es wirklich bedeutet, zu helfen oder Hilfe anzunehmen, welche psychologischen, sozialen und kulturellen Fallen sich in diesem Prozess verbergen und wie man sie vermeidet. Die oben angeführten Beispiele zeigen, dass Hilfe weit mehr umfasst als die professionelle Hilfe, die wir von Ärzten, Anwälten, Geistlichen und Sozialarbeitern erwarten. Worum also geht es und wie können wir dafür sorgen, dass Hilfe hilfreich ist?
Die vielfältigen Bedeutungen des Helfens
Helfen ist ein sehr allgemeiner Begriff; er reicht vom Ritter in schimmernder Rüstung, der die Jungfrau vor dem Drachen rettet, bis zum Consultant, der daran arbeitet, die Kultur einer Organisation so zu verändern, dass neue strategische Ziele erreicht und bessere Leistungen möglich werden. Aus der Klientenperspektive beschränkt sich Hilfe nicht nur auf das, was vereinbart wurde, sondern schließt auch das spontane und großzügige Verhalten von Menschen ein, die erkennen, wann Hilfe gebraucht wird, selbst wenn man nicht darum gebeten hat.
Helfen spielt in zahlreichen Situationen im Leben eine Rolle (s. Abb. 1), es geschieht ständig, ob formell oder informell, und viele der in Abbildung 1 beschriebenen Rollen müssen wir in verschiedenen Situationen selbst übernehmen. Geht man noch einen Schritt weiter, lässt sich sagen, dass Helfen Bestandteil jeder Form von organisierter Arbeit ist, denn Organisation bedeutet ja gerade, dass man die Arbeit nicht allein tun kann. Bezahlte Hilfe beschränkt sich keineswegs auf Dienstboten und Pfleger, sondern umfasst alle Angestellten in einer Organisation, die Aufgaben erfüllen, die man selbst nicht erfüllen kann. Entsprechend ist auch pflichtbewusste Arbeit eine Form der Hilfe. Denken Sie an die Spannungen zwischen Abteilungsleitern und Mitarbeitern, wenn letztere ihre Aufgaben nicht gewissenhaft erledigen oder ersterer ihnen die dazu nötige Zeit oder Ressourcen nicht zur Verfügung stellt. Zwischen Mitarbeitern und ihren Vorgesetzten gibt es so etwas wie einen psychologischen Vertrag über die Art der Hilfe, die sie von einander erwarten können.
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