Daniel Moser-Léchot

Geschichte der Kapverdischen Inseln (E-Book)


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der Kinder war eine der wenigen Chancen für den sozialen Aufstieg, um beispielsweise in Ämter oder in Klöster zu gelangen.24 Die Mehrzahl der illegitimen Kinder wurde indes nicht anerkannt und blieb folglich Sklave oder Sklavin. In den Quellen tauchen die freigelassenen Mestizen und Mestizinnen selten auf, da sie nicht im Verkehr mit der Verwaltung standen und deshalb in den Registern nicht genannt wurden. Sie zahlten keine Steuern und besassen kein ländliches Eigentum. Die Lage der Freigelassenen war oft schwierig, da es kaum freie Lohnarbeit gab.

      Im Verkehr zwischen Cabo Verde und Guinea wurden die Freigelassenen als Matrosen und Übersetzer eingesetzt. Schwarze waren auch im Sklavenhandel tätig, sei es selbstständig oder im Auftrag eines Herrn. Nach 1546 konnten Schwarze und Mestizen in die Verwaltung eintreten. Da unter den Portugiesen eine Versetzung nach Cabo Verde nicht besonders beliebt war, erhielten Freigelassene mit der Zeit Aufstiegsmöglichkeiten in der Verwaltung.

      In Ribeira Grande gab es auch eine Reihe von Ausländerinnen und Ausländern (forasteiros), die sich nur für eine bestimmte Zeit auf Cabo Verde aufhielten.

      Über die Bewohnerinnen Ribeira Grandes ist wenig bekannt: In den Berichten der portugiesischen Verwalter wurden zwar die alleinstehenden Frauen erwähnt, nicht aber die Verheirateten und die Witwen. In den Akten erscheinen einzelne Frauen im Zusammenhang mit Straffällen und Beziehungsgeschichten.

      Für die Sklavinnen und Sklaven war die Ankunft auf Cabo Verde traumatisch. Es lassen sich hierbei drei Gruppen unterscheiden:

      •Die Mehrzahl wurde in den Häfen der Insel ausgeladen und wartete auf den Transport nach Amerika. In den Urkunden erschienen sie als peças (Stücke). Sie trugen keine Namen.

      •Die zweite Gruppe bildeten diejenigen, die auf der Insel für landwirtschaftliche Arbeiten eingesetzt werden sollten. Auch sie trugen vorerst keine Namen.

      •Die dritte Gruppe bildeten die Haussklavinnen und -sklaven sowie Spezialisten und Spezialistinnen des Handwerks. In den Urkunden trugen sie Namen, im Gegensatz zu den peças.25

      Haussklavinnen und -sklaven hatten am ehesten Chancen, nach den Testamenten des Sklavenhalters freigelassen zu werden. Ihre Lage war aber prekär: Bei Ungehorsam konnten sie auf die Landgüter gebracht oder im Hafen verkauft werden.

      Es war wohl eher selten, dass Sklaven als Handwerker in Ribeira Grande lebten. Die wenigen weissen Handwerker auf der Insel begannen, Sklaven in handwerklichen Berufen auszubilden; Sklaven mit handwerklichen Fähigkeiten erzielten auf dem Markt hohe Preise. Die wichtigsten Sklaven waren, wie bereits erwähnt, die Händler-Sklaven: Sie reisten selbstständig an die afrikanische Küste, kauften Sklavinnen und Sklaven ein und brachten sie nach Cabo Verde.26

       Die Verbannten

      Verschiedene Begnadigungsurkunden zeigen, dass die Kapverdischen Inseln offenbar schon ab 1472 als Verbannungsort benutzt wurden. Seit dem 17. Jahrhundert stieg die Zahl der Deportierten stark an, im 18. und 19. Jahrhundert noch in höherem Ausmasse. Auch Sinti und Roma sowie Menschen jüdischer Herkunft gehörten häufig zu den Verbannten. Diese Praxis der Verbannung war unter den Kolonialmächten Grossbritannien, Frankreich und Spanien allgemein üblich.

      Zwischen 1802 und 1882 wurden 2433 Männer und 81 Frauen nach Cabo Verde verbannt, also durchschnittlich etwa 38 Personen pro Jahr. Die Gouverneure versuchten, die Verbannten auf alle Inseln zu verteilen, doch lebten viele auf Santiago. Da es sich bei den Verbannten vor allem um Männer handelte, stieg die Zahl der Mestizen und Mestizinnen an.27

      Der Grund für das Interesse von Portugal am Archipel von Cabo Verde beruhte im 15. und 16. Jahrhundert in erster Linie auf dessen geografischer Lage: Die Inseln bildeten eine günstige Ausgangsposition für den Handel mit der rund 500 Kilometer entfernten Guineaküste – eine sichere Distanz zu den afrikanischen Königreichen Wolof, Cayor, Baol, Sine, Saloum und weiteren.28 Nach 1500 wurde Cabo Verde zur Zwischenstation für den Indienhandel und für den europäischen Handel mit Südamerika.

      Im 15. Jahrhundert waren die wichtigsten Handelsgüter im Export Gold, Sklavinnen und Sklaven, Elfenbein, Malagueta (eine rote Pfefferschote), Hirse und Reis (für die Ernährung der Sklavinnen und Sklaven) – also Handelswaren, die bereits früher für den portugiesischen Afrikahandel von Bedeutung gewesen waren. Nach Schätzungen gelangten jährlich etwa 1400 Sklavinnen und Sklaven von der westafrikanischen Küste nach Cabo Verde. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts stiegen ihre Preise stark an.29

      1473 bewilligte König Afonso V in einer Urkunde ausdrücklich das Privileg, auf den Inseln Sklavinnen und Sklaven («escravos, escravas, machos e fêmeas») zu halten. Die Urkunde sicherte zudem die Rechte der Einwohnerinnen und Einwohner (moradores) zum Sklavinnen- und Sklavenhandel gegenüber den Lançados. Dieser Handel bildete die wichtigste Einnahmequelle der Bewohnerinnen und Bewohner von Cabo Verde. Für den König hatte der Handel mit dem afrikanischen Kontinent Priorität, nicht die Entwicklung der Landwirtschaft auf den Inseln.

      Portugiesische Kaufleute besassen im Handel mit der Guineaküste dank Verträgen mit dem portugiesischen König eine zeitlich befristete Monopolstellung. Sie kamen in Konflikt mit Bewohnerinnen und Bewohnern von Cabo Verde, die ihren bisherigen Handelsverkehr fortsetzten.30

      Um den Sklavenhandel zwischen Guinea, den Inseln von Cabo Verde und Portugal entwickelte sich nach 1512 ein weiterer Konflikt: Der König befahl, dass die Sklavinnen und Sklaven direkt von Guinea nach Lissabon gebracht würden, also kein Zwischenhalt auf den Inseln stattfinden sollte – zum Schaden der Siedler und Siedlerinnen auf Cabo Verde. Diese verdächtigten unter anderem die cristãos novos (neu zum Christentum konvertierte Juden und Jüdinnen), das Königshaus schlecht informiert zu haben. König Manuel I verfolgte die jüdische Gemeinschaft im gesamten portugiesischen Herrschaftsgebiet seit 1496, verbot aber die Diskriminierung der cristãos novos 1512. 1536 setzte mit der päpstlichen Bulle «Cum ad nihil magis» der Kampf der Inquisition gegen die Juden und Jüdinnen in Spanien und Portugal ein.31

      Von der Massnahme des direkten Transports waren viele Händler, Escudeiros, Cavaleiros und Fidalgos betroffen. Schliesslich wurden die direkten Sklaventransporte von Guinea nach Portugal (und nicht indirekt über die Kapverdischen Inseln) doch nicht durchgeführt, nicht zuletzt auch wegen der Gefährdung des Schiffsverkehrs zwischen Guinea und Portugal durch Stürme und französische Piraten.

      Portugiesische Händler beklagten sich über die hohen Preise – vor allem für Brot und Wein sowie für Tuch und Eisen auf Cabo Verde.

      Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts veränderte sich der portugiesische Handel mit der Guineaküste. Mit der Erschliessung von Spanischamerika stieg der Bedarf an Arbeitskräften, das heisst von Sklavinnen und Sklaven aus Afrika, entsprechend erhöhten die Sklavenhändler die Preise und ihre Gewinne stiegen. Die Sklavinnen und Sklaven wurden in erster Linie auf die Insel Santo Domingo gebracht, später nach Honduras und Peru.32

      Die Mehrzahl der Sklavinnen und Sklaven auf Cabo Verde stammten von der Guineaküste, verwaltungsmässig waren Häfen in Guinea wie Cacheu und Bissau den Kapitanaten in Cabo Verde unterstellt– eine administrative Trennung erfolgte erst im Jahre 1879.

      Da sich die Franzosen in Senegal immer stärker durchsetzten, verschob sich der portugiesische Sklavenhandel weiter nach Süden. Andere Exportgüter von der Guineaküste blieben Hirse, Reis und Wachs sowie Elfenbein, das nach Europa weitertransportiert wurde.33

       Der Erwerb von Sklavinnen und Sklaven

      Die Portugiesen unternahmen bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts Sklavenjagden unter der einheimischen Bevölkerung in Nordafrika, so auf den Kanaren unter den Guanches und auf Arguim unter den Mauren. Heinrich der Seefahrer erkannte früh, dass die Sklavenjagden für die Entwicklung des Handels an der afrikanischen Küste schädlich waren und die guten Beziehungen zu den afrikanischen Völkern störten. Anstatt Raub schlug er Warentausch vor; zeitweise fanden offenbar beide Methoden nebeneinander Anwendung.