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Gestaltpädagogik im transnationalen Studium


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      Ilse und Jörg Bürmann (DE)

      Einleitung

      In diesem Buch stellen wir Vorbedingungen, Intentionen, Reflexionen und Erfahrungen dar aus unserem dreijährigen Projekt „Humanistische Pädagogik, Heterogenität und Persönlichkeitsbildung“, das im Rahmen des Erasmus-Programms der Europäischen Kommission von 2010 – 2013 durchgeführt wurde.

      1. In seiner Zielsetzung und seinem methodischen Ansatz war dieses Projekt an der „Gestaltpädagogik“ orientiert, einem humanistisch-pädagogischem Ansatz mit über 50jähriger Tradition.1 Dieser Ansatz zielt darauf ab, pädagogische Professionalität auf der Basis der Arbeit an der Persönlichkeit des Lehrenden weiter zu entwickeln. Der Aufbau von Selbstkompetenz, sozialer Kompetenz und einer prozessorientierten und kreativen didaktischen Kompetenz wird in ihm durch biografische Selbsterfahrung fundiert und mit einer Kultivierung der Wahrnehmung nach innen und außen in aktuellen und experimentellen Situationen verbunden. Dabei kommt der Aufmerksamkeit für Gefühle und Körperwahrnehmungen eine zentrale Rolle zu. Ziel ist es, die so gewonnenen Erfahrungen und Fähigkeiten zur Anregung kreativer und emotional involvierter „persönlich bedeutsamer“ Lernprozesse2 zu nutzen und die angehenden Pädagogen für ein Prozess begleitendes, offenheitstolerantes Vorgehen zu qualifizieren.

      Dieser hoch individualisierte und zugleich auf das Lernen in der Gruppe gerichtete Ansatz erschien der Projektgruppe geeignet für die Entwicklung von Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität. Denn die Steigerung der Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung unter Einbeziehung von Gefühlen fördert Empathie-Entwicklung und Verstehensprozesse und lehrt einen produktiven Umgang mit Widerständen und Irritationen sowie vor allem auch Offenheit anderen Menschen gegenüber und Interesse an deren Andersheit.

      Was den Kern unserer Projektgruppe bestärkte, dieses mit vielfältigen Belastungen verbundene transnationale EU-Projekt in Angriff zu nehmen und bis zu dieser auswertenden Veröffentlichung durchzutragen, waren die ermutigenden Erfahrungen aus unserem langjährigen Comenius-Projekt „Gestaltpädagogik als Brücke zum Fremden“ (1997 bis heute von der EU gefördert) und zwar:

      • die durchweg positiven Evaluationsergebnisse,

      • die bestärkten Überzeugungen, mit dieser „west-östlichen Brücke“, die zu bauen sich durch die Zusammensetzung der Teilnehmer als Aufgabe nach der Aufhebung der Teilung Europas als vorrangig ergab, ein Stück Versöhnungs- und Friedensarbeit im Kleinen zu leisten (saßen doch die Kinder und Enkel von Kriegsgegnern beider Weltkriege, von Tätern und Opfern, in einer Gruppe beisammen) und nicht zuletzt

      • der Wunsch, die geknüpften menschlichen Beziehungen fortzuführen und die an ihren unterschiedlichen Universitäten breitenwirksamen Hochschullehrer in der Umsetzung der im Comenius-Projekt gemachten Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen zu unterstützen.

      Nicht zuletzt – und das möchten wir an dieser Stelle betonen – war es die Bereitschaft unserer langjährigen Koordinatorin des Comenius-Projekts, Ute Kienzl (AT), die umfassende Aufgabe der Antragstellung, Koordination, Berichterstattung und Abrechnung auch für das Erasmus-Projekt zu übernehmen, ohne deren engagierten und verlässlichen Einsatz beide Projekte von uns nicht hätten durchgeführt werden können.

      Das in diesem Buch für den Leser erschlossene Projekt einer „Humanistischen Pädagogik“ mit den Schwerpunkten Umgang mit „Heterogenität“ und der - aus unserer Sicht dazu grundlegenden - „Persönlichkeitsbildung“ des Lehrers stellt also zum einen eine Fortführung unserer Arbeit dar an einer „Brücke zum Fremden“ und an dem Aufbau der hierzu notwendigen Lehrerkompetenzen, solche Brücken zu den ihnen immer „fremder“ werdenden Schülern für sich selbst zu gestalten. Zum anderen weiten wir damit unsere Zielgruppe auf Studierende aus (Lehrer, Sozialarbeiter, Sprach- und Kulturwissenschaftler, Psychologen und Theologen) und zum dritten rückt unsere Projektarbeit und die darin angestrebte Kompetenzentwicklung näher an die vorfindlichen Strukturen und Erwartungen der Pflichtmodule der jeweiligen beteiligten Hochschulen heran.

      Aus diesen Rahmenbedingungen für unsere Arbeit ergaben sich für das Erasmus-Projekt veränderte Erwartungen, Aufgaben und Anforderungen, die in ihrer Bedeutung von uns z. T. erst im Laufe der Projektarbeit erfahren und gemeinsam reflektiert werden konnten.

      Die Unterschiede zwischen dem Comenius-Projekt und dem Erasmus-Intensivprogramm wurden von der Projektgruppe nach den Erfahrungen zweier Durchgänge in folgendem gesehen: Die Studierenden haben gegenüber den praktizierenden Lehrern eine andere Einstellung zu Lernfortschritten und erwarten einen gestuften Kompetenzaufbau. Ferner ist Heterogenität ihnen vom universitären Milieu her eher geläufig und kein sie stark bewegendes Thema mehr. Auch haben die in unseren Erasmus-Seminaren vertretenen Länder eine relativ große kulturelle Nähe zueinander.

      Die Comenius-Lehrerinnen haben (auch gegenüber ihrer Berufsgruppe) ein anderes Interesse an der Weitergabe ihrer persönlichen und beruflichen Erfahrungen, während die Erasmus-Studierenden eher „etwas geboten bekommen“ wollen, einen „Input“ für die eigene Entwicklung, aber auch für eine theoretische Standortbestimmung. In der freien Zeit verhalten sie sich eher als peer group als dass sie sich – wie die Comenius-Lehrerinnen – als Kolleginnen verstehen und den Austausch mit den Gruppenleitern suchen.

      Die Zielsetzung für die Gruppenarbeit im Erasmus-Projekt insgesamt unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der des Comenius-Projekts und lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Es ging den Lehrenden – bei allen unterschiedlichen Schwerpunkten – darum,

      • eine vertiefte wertschätzende Begegnung von Studierenden und Dozenten aus verschiedenen europäischen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen und historisch-kulturellen Traditionen zu ermöglichen,

      • nationale Heterogenität in der Gruppe als eine bereichernde persönliche Erfahrung kennen zu lernen, die zugleich eine pädagogische Ressource darstellt,

      • die Erfahrung zu ermöglichen, dass familien- und bildungsbiographische Grundthematiken trotz individueller und kultureller Unterschiede einen gemeinsamen, verbindenden Erfahrungshorizont darstellen,

      • die Einsicht zu vermitteln, dass eine durch biographische Selbstreflexion in die Zukunft geöffnete Persönlichkeitsentwicklung mit der Herausbildung pädagogischer Professionalität aufs engste verbunden ist,

      • Erfahrungsräume und experimentelle Situationen mit kreativen Methoden zu eröffnen, um das persönliche pädagogische Methodenrepertoire zu erweitern und das individuelle pädagogische Profil zu schärfen,

      • Sensibilität für Gruppenprozesse und Wahrnehmungsfähigkeit nach innen wie nach außen zu fördern und dabei insbesondere den eigenen Gefühlen wie denen der Gruppenmitglieder Beachtung zu schenken,

      • Grundkonzepte und Methoden der Humanistischen Pädagogik auf der Basis konkreter Erfahrungen sowohl modellhaft zu erfahren als auch in ihren theoretischen Bezügen kennen zu lernen.

      Über den Erfolg unserer Arbeit in den drei 14tägigen Intensivseminaren (2011 – 2013) zu urteilen ist nicht leicht und dürfte nach individuellen Erfahrungen und der Perspektive des Urteilenden unterschiedlich ausfallen, zumal eine methodisch anspruchsvolle Evaluation ohne gesonderte Ressourcen parallel nicht zu leisten war.

      Daher haben wir uns entschieden, einen großen Teil der Erfahrungsberichte der teilnehmenden Studenten (10 von bis heute etwa 40 eingegangenen “Reflektorischen Abschlussarbeiten“) weitgehend ungekürzt in diesen Band aufzunehmen. Die Beiträge in diesem Band können - an Stelle einer zielbezogenen Evaluation - auf ihre Weise Auskunft geben über die Gedanken und Erfahrungsprozesse, die im Zusammenhang der Arbeit mit dem gestaltpädagogischen Ansatz im Erasmus-Projekt (und darüber hinaus) stehen oder einen solchen Zusammenhang herstellen. Gerade die studentischen Erfahrungsberichte enthalten eine Dokumentation der „Ergebnisse“ des Programms aus subjektiver Sicht. Die Beiträge in diesem Buch spiegeln gemäß dem Prinzip „Heterogenität und Vielfalt in der Gemeinsamkeit“ vieles von der Struktur der Zusammenarbeit der Projektgruppe, die sich immer wieder als ein Balanceakt zwischen der Arbeit an einem Konsens und der Vereinheitlichung von