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Gestaltpädagogik im transnationalen Studium


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Bedeutung zugeschrieben wird, stellen eine den Lernprozess abrundende eigenständige Integrationsleistung dar. Sie geben Einblicke in Mikroprozesse von Persönlichkeitsentwicklung und in Situationen in der Gruppenarbeit, die diese in Bewegung brachten. Alle veröffentlichten Teilnehmerarbeiten wurden in der vorliegenden Form von den Autoren freigegeben (z. T. allerdings anonymisiert). Einzelne Texte wurden um rein referierende oder gedanklich unklar bleibende Passagen gekürzt und sprachlich leicht geglättet. Denn alle Teilnehmerberichte wurden – wie auch veröffentlicht – auf Deutsch oder Englisch geschrieben, d. h. in aller Regel nicht in der eigenen Muttersprache.

      Die jeweilige Auswahl der Berichte folgte einerseits formalen Kriterien: es sollten alle teilnehmenden Länder/Institutionen vertreten sein und es sollte andererseits die Arbeit der hauptverantwortlichen Gruppenleiter durch i. d. R. jeweils drei Teilnehmerreflexionen widergespiegelt werden. Andererseits wurden als inhaltliche Kriterien für die Auswahl vor allem das Niveau der Erfahrungsreflexion und die hergestellten Bezüge zu deren Relevanz für die professionelle Entwicklung als Pädagoge herangezogen. Wichtig war uns ferner die Dichte der situativen Beschreibungen und die Erkennbarkeit eines Zusammenhangs zwischen den entstehenden Selbsteinsichten und dem Geschehen in der Gruppe.

      Gestützt auf die schriftlichen Teilnehmeraussagen, die in den Reflektorischen Abschlussarbeiten der drei Durchgänge insgesamt enthalten sind, - ergänzt durch viele mündliche Rückmeldungen, können wir den Ertrag unseres gestaltpädagogischen Weiterbildungsangebotes im Blick auf die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit und auf die Kompetenzentwicklung im Umgang mit Heterogenität in folgenden Aspekten erkennen:

      • in der Erweiterung fremdsprachlicher Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit, durch die Exploration ungewohnter Themenbereiche (in Deutsch oder Englisch),

      • in der gewachsenen Bereitschaft, sich durch die Mühen sprachlicher Verständigung zum Verstehen des Anderen hindurchzuarbeiten,

      • in der Erfahrung, dass „Verstehen“ des Andern eine emotionale Basis hat und eine respektvolle Beziehung voraussetzt,

      • in der Offenheit, sich auf Fremdheiten einzulassen und Vorurteile zu revidieren, (so dass aus merkwürdigen Unbekannten bedeutsame Freunde werden können - eine Basisqualifikation für Pädagogen in der Arbeit mit Minderheiten und Migranten),

      • in der Erfahrung der Bedeutung von Gefühlen in Prozessen der Ausgrenzung und der Zugehörigkeit, in ihrer basalen Funktion für Lernmotivation bzw. Lernverweigerung und in ihrer Verlaufskurve in Erkenntnisprozessen,

      • in den erweiterten Möglichkeiten, Gefühle und körperliche Reaktionen bei sich selbst und bei anderen wahrzunehmen, über sie sprachfähig zu werden und sie in ihrer Relevanz für Bildungs- und Erkenntnisprozesse zu diskutieren.

      Die biografischen Erfahrungen und Reflexionen, so zeigen die Berichte, erstrecken sich auf Themen, die zugleich grundlegende Einsichten für Pädagogen ermöglichen, da sie sich auf die „Innensicht“ der Probleme des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen beziehen. So konnte die Bedeutung von Sicherheit und Geborgenheit in der Kindheit ebenso wie die Bedeutung abwesender oder kranker Eltern erfahren werden oder der Zusammenhang von Geschwisterbeziehungen zum eigenen Verhalten in Gruppen.

      Auch die Bedeutung früher Erfahrungen in Kindergarten und Schule, von Kränkungen und Demütigungen durch Lehrer und deren langfristige Auswirkungen auf Fachpräferenzen und Studienentscheidungen konnten in der biografischen Arbeit in der Gruppe hautnah nach- oder miterlebt werden. Zudem konnten Erfahrungen, die zum Themenkomplex Ablösung und Versöhnung mit den Eltern gehören, in ihrer Bedeutung für die Bereitschaft zur Annahme der Aufgabe als Lehrer und Erzieher (Einnahme einer neuen Position im Generationenverhältnis) erfasst werden. Derartige Erkenntnisse und Erfahrungen von Zusammenhängen (die im Studium allenfalls abstrakt Erwähnung finden), konnten in unseren Intensivkursen - begleitet durch hierfür speziell weitergebildete Gruppenleiter - als persönliche Einsichten formuliert werden. Sie konnten in der begleiteten Reflexion in der Lerngruppe in ihrer Relevanz für Bildungsprozesse erkannt und in vielerlei theoretische Bezüge eingeordnet werden.

      In dieser Hinsicht stellen die gestaltpädagogischen Intensivseminare des Erasmus-Projekts für angehende Pädagogen eine außerordentlich vielschichtige und tiefgehende Lerngelegenheit dar, wenngleich von den Teilnehmern deren Chancen nicht immer gleichermaßen genutzt werden können und auch die Gruppenarbeit selbst der Fragilität sozialer Prozesse nicht immer entgehen kann. Die Lernebene, die erreicht werden kann und deren Beschreibung immer fragmentarisch bleibt, ist die der biografischen Dispositionen und erfahrungsfundierten Handlungsorientierungen. Auf sie kann nicht auf direktem Weg - durch gezielte Unterweisung - Einfluss genommen werden, sondern nur mit Anstößen für einen offenen, mehrdimensionalen Entwicklungsprozess.

      Teil I: Theoretische Beiträge zu den Grundlagen des Erasmus-Projekts

      Ilse Bürmann (DE)

      Zur Aktualität der Humanistischen Psychologie für die Pädagogik

      1. Vorbemerkung

      Im Folgenden thematisiere ich nicht nur Fragen der Beziehung der Humanistischen Psychologie zur Pädagogik, sondern immer zugleich auch meine eigene Beziehung zu beidem. Damit wird nur etwas expliziter, was aus erkenntnistheoretischer Sicht eigentlich immer geschieht, wenn ein Subjekt eine Sache oder einen Gegenstand aufzufassen und darzustellen versucht. Die mathematisierende Abstraktion physikalischer Zusammenhänge war in den vergangenen Jahrhunderten bestrebt, das erkennende Subjekt aus den beschriebenen Naturzusammenhängen methodisch zu eliminieren. Sie hat auch in weiten Teilen die Forschung über den Menschen geprägt. Andererseits hat bereits in den 50er Jahren Werner Heisenberg mit Blick auf das „nachklassische“ physikalische Weltbild formuliert:

      „Wenn von einem Naturbild der exakten Wissenschaften in unserer Zeit gesprochen werden kann, so handelt es sich eigentlich nicht mehr um ein Bild der Natur, sondern um ein Bild unserer Beziehung zur Natur.“1

      Ich betrachte es deshalb als eine forschungsmethodisch bedeutsame Perspektivenerweiterung, sich selbst als Forscher, Erkenntnissubjekt, Autor von Texten oder Vortragende ein Stück weit transparent und damit die eigene Beziehung zum „Gegenstand“ miterkennbar zu machen. Hierfür allerdings müssen die für wissenschaftliche Zusammenhänge geeigneten Formen erst entwickelt werden. Und damit bin ich eigentlich schon mitten in der Darstellung der erkenntnistheoretischen Implikationen der Sicht der Humanistischen Psychologen auf den Menschen als ein Teil der Natur, als Bestandteil des Organismus-Umwelt-Feldes, in seiner interdependenten Kontextualität oder wie die spezifische Begrifflichkeit in einzelnen Ansätzen der Humanistischen Psychologie auch immer geprägt sein mag.

      2. Humanistische Psychologie – eine kurze Rekapitulation

      Die Humanistische Psychologie ist in den frühen 60er Jahren in den USA als Sammelbewegung von Ansätzen an die Öffentlichkeit getreten, denen das naturwissenschaftliche Forschungsparadigma zur Erkenntnis des Menschen nicht angemessen schien.

      Der damals vorfindlichen Polarisierung von Therapieformen in eine vielfach dogmatisch erstarrte Psychoanalyse einerseits und eine am Behaviorismus orientierte „lernpsychologische“ Forschung und Verhaltenstherapie andererseits wollten die Pioniere der Humanistischen Psychologie eine Alternative entgegensetzen. Diese Bewegung verstand sich aber nicht nur als Verbund undogmatischer neuer Therapieformen, sondern trat mit dem Anspruch auf, einen umfassenden Paradigmenwechsel innerhalb der Psychologie einzuleiten, indem diese als lebensgerechtere, menschengerechtere Wissenschaft vom Menschen neu zu begründen und zu entwickeln sei. Sie waren bemüht, eine solche in ersten Umrissen zu entwerfen und verständigten sich auf wertorientierte Grundpositionen mit dem Ziel, auf die menschlichen Lebensverhältnisse auf allen ihren Ebenen humanisierend einzuwirken. Fundamental war dabei die Ausrichtung an einem Menschenbild, das auf dem Zusammenhang von Leib, Seele und Geist besteht, das eine Bindung wissenschaftlichen Forschens über den Menschen an Sinn- und Wertkategorien im Dienste seiner Entfaltung fordert sowie eine Bindung des therapeutischen Handelns an die Respektierung seiner Würde und das ihm innewohnende Aktivitäts- und Entwicklungspotential.