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Gestaltpädagogik im transnationalen Studium


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und Methode stehen zueinander nicht in einem Kausalitätsverhältnis. Vor allem müssen wir bereit bleiben, uns von den Erlebnisweisen der erforschten Subjekte „etwas sagen zu lassen“.

      2. Hinsichtlich der Gestaltung von Lehr-/Lernprozessen ist die mit dem humanistisch-psychologischen Ansatz verbundene Vorordnung der Haltungen des Lehrenden vor die von ihm verwendeten didaktischen Methoden m. E. eine weiterhin aktuelle und überaus anspruchsvolle Position. Sie rückt die Entwicklung der Persönlichkeit des Lehrers aus dem Status einer „auch noch“ hinzukommenden Komponente oder eines Zufallsfaktors an eine wichtige, ja zentrale Stelle auch in Ausbildungszusammenhängen. Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung müssen dabei nicht unbedingt selbst zum Thema gemacht werden, aber es ist sicherlich hilfreich, wenn Themen von Lehrveranstaltungen sich auch auf biographisch relevante Zusammenhänge richten wie Kindheit, Wandel der Familie, weibliche und männliche Adoleszenz, Alter, Fragen des Lebenslaufs und der Entwicklungspsychologie, Umgang mit Fremdheit und Differenz sowie last but not least natürlich Grundfragen der Erziehung und Bildung.

      Persönlichkeitsentwicklung wird aber auch dann mitgefördert, wenn in unseren Lehrveranstaltungen nicht nur der Stoff, die Sache oder die Wissenschaft im Zentrum stehen, sondern immer zugleich auch Achtsamkeit auf die Wahrnehmung des jeweiligen Gegenübers, der Lernenden als Personen gerichtet wird. Personenorientierung kann m. E. in die wissenschaftliche Lehre besonders gut eingehen, wenn dialogische Formen des Lehrens und Lernens gepflegt werden und wenn neben der Vermittlung von Sachzusammenhängen das Denken- und Verstehenlernen mitgelehrt wird, d. h. die eigenständigen Suchbewegungen der Lernenden unterstützt werden und das aufrichtige lernende Interesse des Lehrenden finden.

      3. und letztens: Das alles ist wahrlich nichts Neues. Aber die Pointe des phänomenologischen Akzents in der Humanistischen Psychologie - und das, was zugleich ihre Grundpositionen weiterhin aktuell hält - ist auch nicht so sehr die Entdeckung von „Neuland“, sondern der fragende und unvoreingenommene Blick auf Bekanntes. Dieses wird ermöglicht durch die mit diesem Ansatz verbundene Haltung der Offenheit gegenüber der jeweiligen Situation in ihrer Einzigartigkeit. Pädagogen mit humanistisch-therapeutischen Erfahrungen entwickeln besondere Kompetenzen dafür, in einer konkreten Situation den rechten Zeitpunkt und die angemessene Art pädagogischen Tuns oder Lassens zu finden - ich verzichte hier bewusst auf den technisch klingenden Begriff der Intervention. D. h. sie entwickeln die Kunst, sich mit dem Nicht-Machbaren einzulassen und die Mischung von Verursachung und Widerfahrnis zuzulassen und auszubalancieren, die pädagogische Situationen auszeichnet. Die mit dem phänomenologischen Ansatz verbundene Offenheit macht auch das Betreiben von Wissenschaft und die intersubjektive Verständigung darüber immer wieder neu zur Aufgabe mit offenem Ergebnis und nötigt uns, aus der gesicherten Ruhe von Wissensbeständen, methodischer Kontrolle der Erkenntniswege und Handlungsroutinen herauszutreten und alte Fragen nicht für erledigt zu erklären.

      In diesem Sinne ist Humanistische Psychologie und die von ihr angeregte Humanistische Pädagogik keine „Pädagogik light“, sondern eine andere mögliche und optimistischere Perspektive auf den Mythos von Sisyphos, die m. E. neben der Perspektive des großen Siegfried Bernfeld ihre Berechtigung hat. Nicht nur die Vergeblichkeit und das Immergleiche ist darin zu sehen (der Stein, den wir den Berg hinaufbewegen, rollt immer wieder herunter); man kann den Mythos auch auffassen dahingehend, dass uns immer wieder von neuem der Stein entgegenrollt, den wir die Chance haben, neu zu bewegen. Jede Situation ist wie jedes Individuum einzigartig. Wie wir uns von Fortschrittsillusionen zu verabschieden haben und uns, wie uns Bernfeld belehrt hat, mit den Grenzen der Erziehung auch den Grenzen der Pädagogik und unseren eigenen Grenzen stellen müssen, so bedeutet das „immer wieder neu“ auch: immer wieder neu zu beginnen und immer wieder neu zu lernen.

      So stellt sich mir die Humanistische Psychologie nicht nur dar als historisch bedeutsamer Reformanstoß, sondern als bleibende Herausforderung für den einzelnen Pädagogen zur fortwährenden Aktualisierung ihrer Einsichten und Grundhaltungen in seinen pädagogischen Theorie- und Praxiszusammenhängen.

      Jörg Bürmann (DE)

      Gestaltpädagogik als Brücke zum Fremden

      1. Europa im Wandel und die schwierige Suche nach neuen Gemeinsamkeiten.

      Wir leben in einer Zeit, in der Veränderung zur Normalität wird. Der technisch-wirtschaftliche Wandel hat in den letzten fünfzig Jahren nicht nur Produktion und Handel in den großen Städten wie nachfolgend auch in den ländlichen Bereichen Europas tiefgreifend verändert, sondern er hat auch die Lebensweise der Menschen, die familiären Strukturen, das Verhältnis der Geschlechter und die Situation von Kindern und Jugendlichen radikal umgestaltet. Hinzu kommt für die Länder des ehemaligen Ostblocks der lange Aufbruch in ein neues Gesellschaftssystem -von der Einbindung in kollektive Interpretations- und Handlungszusammenhänge in die Doppelstruktur einerseits einer individualisierten Entscheidungsoffenheit, andererseits aber einer weitgehenden Unterordnung gesellschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten unter die Systemzwänge globaler Märkte.

      Die Veränderungen in den Schulen Europas durch den Wandel der Bedingungen des Aufwachsens und die dadurch geprägten Schüler gehen wohl weit über die Bedeutung jeder offiziellen Institutionsreform hinaus. Lehrer und Schüler können immer weniger auf traditionelle Weisen schulischen Lernens wie des Umgangs miteinander zurückgreifen. Kaum etwas kann noch als selbstverständlich, als Konsens, vorausgesetzt werden. Lernvoraussetzungen, Regeln des Schullebens, Umgangsformen, Klassengemeinschaft, Schulklima -ja selbst die Möglichkeiten, sich in einer Sprache zu verständigen, müssen u. U. in jeder Gruppe, in jeder Klasse und Schule neu erarbeitet werden. Die Verschiedenartigkeit von Schülern und Lehrern -jeweils untereinander wie im Verhältnis zueinander - in den prägenden Erfahrungen ihres Lebens, im Blick auf die Welt und in den Entwürfen wie in den realen Perspektiven ihres Lebens stellt die Organisation gemeinschaftlichen Lernens vor wachsende Probleme. Diese können sich nur durch eine erweiterte Verständigung über Ziele und Formen, über Bedürfnisse und Wünsche sowie durch neu einzuübende demokratisch angemessene Formen der Entscheidung und Mitgestaltung aller Beteiligten in altersgestufter Verantwortung gemeistert werden.

      Schule und Unterricht, in denen jeder eine Chance hat und niemand ausgegrenzt wird, haben es mit vielerlei Heterogenitäten zu tun. Die Unterschiede nationaler Kulturen sind dabei nicht das größte Problem und vielleicht gar ein eher abnehmendes.

      Die Einigung Europas stellt sich dar als ein Prozess voller Widersprüche: Auf der einen Seite werden die „Reichen" in Europa (und der Welt) einander immer ähnlicher in Lebensformen und Konsumkultur.

      In den internationalen Flughäfen und Hotels, an den Badestränden und in den Yachthäfen am Mittelmeer, bei den Festspielen von Salzburg oder Venedig, in den Bestsellern, Zeitschriften und Modetrends treten Tradition und Herkunft immer mehr in den Hintergrund. Auf der anderen Seite entwickeln sich Lebensformen und Erfahrungsperspektiven gesellschaftlicher Gruppen in den jeweiligen Ländern immer weiter auseinander; kulturelle Differenz wird damit verstärkt ein Problem jeweils benachteiligter Gruppen.

      Für die breite Bevölkerung Europas wird kulturelle Differenz nicht nur als Problem des Aufeinandertreffens nationaler Kulturen erlebt, sondern vor allem als Auseinanderdriften heterogener Lebens- und Erfahrungswelten von Milieus und Generationen.

      Das Erleben der Verschiedenartigkeit gehört immer mehr zur alltäglichen Erfahrung. Der Umgang mit ihr erfordert schon im familiären Bereich und im Nahbereich privaten und beruflichen Handelns Verständigungsbereitschaft, Offenheit, Selbstrelativierung und Neugierverhalten, welche zugleich als wichtige Bestandteile interkultureller Kompetenz anzusehen sind.

      Das Finden neuer Gemeinsamkeiten in Europa kann nicht allein durch das Aufspüren verbindender Traditionen in Kunst, Kultur und Religion gelingen, zumal damit neue Ausgrenzungen nahe gelegt werden können. Vielmehr bedarf die Zielsetzung, Einheit in der Vielfalt lebbar zu machen, des Ansetzens an der Erfahrung von Heterogenität. Erst wenn die Erfahrung von Heterogenität selbst als bereichernde Vielfalt erlebt wird, kann sie tragende Basis werden für neue offene und niemanden ausschließende Wertorientierungen.

      Dabei können Traditionen der europäischen Geistesgeschichte