Hauptsache von Anfang an und fortgehend befördert.» (Ebd., S. 315)
Das war natürlich immer Illusion, denn ein «lückenloses» Fortschreiten aller Schülerinnen und Schüler nach gleichem und dabei möglichst schnellem Tempo hat es nie gegeben und kann es auch nicht geben, selbst oder gerade dann nicht, wenn man die Anforderungen nach unten hin nivellieren würde.
Die historische Ausgangslage für das Zürcher Gesetz lässt sich mit zwei Zahlen erläutern, die auch den Abstand zu heute kennzeichnen:
–1834 mussten im Kanton Zürich genau 43 653 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden.13
–Dafür standen 446 ausschließlich männliche Lehrkräfte zu Verfügung.
Die Relation gibt einen Eindruck von der zulässigen Klassengröße, aber auch von der Schule selbst, die nämlich noch weitgehend identisch war mit der Klasse. Unterrichtet wurden hundert Schüler pro Klasse. Eine Unterteilung nach Jahrgängen gab es noch nicht, die Schüler wurden gemeinsam in einem Raum unterrichtet, fast ausschließlich von einem Lehrer und seinem Gehilfen.
Und Unterricht war das gesamte Angebot der Bildung. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder Kindergärten noch Sonderschulen, keine Kleinklassen und auch keine organisierte Berufsbildung, für die der Staat Verantwortung getragen hätte. Aus dem Gesetz folgte aber, dass auf dieser Grundlage auch die Lehrerbildung neu geordnet werden musste. 1832 wurde das erste Lehrerseminar in Küsnacht eröffnet, Direktor wurde Ignaz Thomas Scherr, der den Konservativen auch deswegen ein Dorn im Auge war. Politische Kämpfe um die Lehrerbildung soll es ja bis heute geben.
Danach ist die Volksschule stetig ausgebaut worden. Sie wurde nicht nur zeitlich erweitert, sondern hat auch allmählich ein anderes Gesicht gewonnen. Ursprünglich sollte die Volksschule allein zur Elementarbildung beitragen, wobei ein starker Bezug zu den Notwendigkeiten des Berufslebens gesucht wurde. Dieser Bezug wurde mit der Etablierung einer eigenen Berufsbildung weitgehend aufgegeben.
Konkret hieß das, Lernbereiche wie das geometrische Zeichnen zu verlagern oder einzuschränken. Umgekehrt konnte die Elementarmathematik erweitert und ausgebaut werden. Die Volksschule entwickelte auf dieser Linie eigene Fächer, mit denen bestimmt wurde, was unter schulischer Allgemeinbildung zu verstehen war.
Ein weiteres Merkmal war die Entwicklung der Volksschule zu einem Quasimonopol des Staates. Die zahlreichen Privatschulen in den größeren Städten hatten vor allem den Bereich der Sekundarschule versorgt. Als dieser obligatorisch wurde, sind die Privatschulen an den Rand gedrängt worden (Tobler, 1944, S. 169f.). Bis heute hat die Schweiz eine vergleichsweise niedrige Zahl an Privatschulen, was vor allem damit zusammenhängt, dass staatliche Subventionen nur sehr selektiv eingesetzt werden.
Diese Geschichte dauert an und hat zu sehr stabilen Institutionen geführt. Dass Volksherrschaft mit Volksbildung zu tun hat, ist im Bewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer fest verankert. Heute ist das Gewicht der Gymnasien gewachsen, es gibt einen überkantonalen Lehrplan, die Lehrerbildung ist einheitlich akademisiert worden, aber die zentrale Achse im Bildungssystem ist immer noch die zwischen Volksschule und Berufsbildung.
Literatur
Angulo, A. J. (Ed.) (2016). Miseducation. A History of Ignorance-Making in America and Abroad. Baltimore: Johns Hopkins University Press.
Annen, M. (2005). Säkularisierung im 19. Jahrhundert. Der Kanton Schwyz als historisches Fallbeispiel. Bern: Lang.
Bänninger, J. J. (1871). Der Schulreformator Doktor Thomas Scherr. Sein Leben und sein Wirken. Zürich: J. Herzog.
Bericht (1833). Bericht des Kleinen Rates an den Grossen Rat über die Privaterziehungsanstalt in Willisau. Luzern.
Condorcet (1989). Ecrits sur l’instruction publique. Second volume: Rapport sur l’instruction publique. Texte présenté, annoté et commenté par Charles Coutel. Préface de Catherine Kintzler. Paris: Edilig.
Das neue und nützliche Schulbüchlein (1798). Das neue und nützliche Schulbüchlein, zum Gebrauch und Unterricht für die wissbegierige Jugend im Bündnerlande. Malans.
Fellenberg, E. v. (Hrsg.) (1808). Landwirtschaftliche Blätter von Hofwyl. Erstes Heft. Bern: Maurhofer & Dellenbach.
Fuchs, M. (2015). Lehrerinnen- und Lehrerperspektiven in der Helvetischen Republik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt (Studien zur Stapfer-Schulenquête von 1799).
Gesetz (1832). Gesetz über die Organisation des gesammten Unterrichtswesens im Canton Zürich. Erste Abtheilung: Organisation der Volksschulen. In: Officielle Sammlung der seit Annahme der Verfassung vom Jahre 1831 erlassenen Gesetze, Beschlüsse und Verordnungen des Eidgenössischen Standes Zürich. Zweyter Band (S. 313–341). Zürich: Schulthess.
Lange, C. F. (1836). Feldgärtnerei-Colonien oder Ländliche Erziehungs-Anstalten für Armenkinder, zur gartenmäßigen Betreibung des Ackerbaus, als das allerwohlfeilste, zweckmäßigste und durchgreifendste Mittel gegen das Ueberhandnehmen der Armennoth, aus vielfachen Thatsachen und unläugbaren Erfahrungen nachgewiesen und praktisch dargestellt. Dresden/Leipzig: Arnold.
Lexikon der Pädagogik (1952). Lexikon der Pädagogik in 3 Bänden. Band III. Bern: Francke.
Osterwalder, F. (1996). Pestalozzi – Ein pädagogischer Kult. Pestalozzis Wirkungsgeschichte in der Herausbildung der modernen Pädagogik. Weinheim: Beltz.
Schmidt, K. (1861). Die Geschichte der Pädagogik in weltgeschichtlicher Entwicklung und im organischen Zusammenhange mit dem Culturleben der Völker dargestellt. Dritter Band: Die Geschichte der Pädagogik von Luther bis Pestalozzi. Cöthen: Paul Schettler.
Stapfer, P. A. (1800). Einige Bemerkungen über den Zustand der Religion und ihrer Diener in Helvetien. Bern.
Tanner, K. (1787). Vaterländische Gedanken über die mögliche gute Auferziehung der Jugend in der helvetischen Demokratie. Zürich.
Tobler, E. (1944). Instituts-Erziehung. Ein Beitrag zur Geschichte der praktischen Erziehung in der deutschen Schweiz von der Zeit Pestalozzis bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Aarau: Gebr. Oberholzer
Otfried Jarren
Natürlich: Wenn ein Kommunikationswissenschaftler schreibt, so ist es nicht überraschend, dass er auf die große, die gestiegene Bedeutung von Kommunikation und auf die besondere Relevanz von Wissenschaftskommunikation in allen ihren Facetten aufmerksam macht. Und damit zugleich für das Fach und für entsprechende Ausstattungs- und Forschungsnotwendigkeiten wirbt. Doch: Der Medien- wie Öffentlichkeitswandel findet statt, betrifft somit auch das eigene Fach – vielleicht dieses Fach sogar in besonderer Weise.
«Mediengesellschaft» und «Medialisierung» heißen die Stichworte. Hochschulen wie Wissenschaftsorganisationen bauen ihre entsprechenden Stabsstellen auf und aus, etablieren ganze Abteilungen, differenzieren die für Kommunikation zuständigen Organisationseinheiten nach Kanälen wie Zielgruppen. An einigen Universitäten wird bereits über die Institutionalisierung von dezentralen Kommunikationsabteilungen gesprochen. Warum? Es kommen, auch in kommunikativer Hinsicht, erkennbar weitere Aufgaben auf die Universitäten zu: Outreach-Aktivitäten gewinnen ebenso wie Formen von Citizen Science an Bedeutung. Die Open-Bewegung hat die Universitäten erfasst: Open Access, Open Science. Also noch mehr Kommunikation?
Neben der Pressearbeit, die schon lange eigentlich Medienarbeit ist, sind Studierendenmarketing, Tage der offenen Tür, Science Cafés, Science Slams, Einsatzformen von Social Media, YouTube-Kanäle, Wissenschaftsmagazine gedruckt wie digital im Netz, Veranstaltungen, Messebeteiligungen usw. usf. zum Standardrepertoire geworden.
Und natürlich wird nicht nur gegen außen immer mehr und differenzierter kommuniziert, sondern auch nach innen. Zwar gab es das stets, doch sind die Ansprüche der Mitarbeitenden gestiegen, meint das Führungspersonal. Aber die Hochschulleitungen wollen, zumal wenn sie unternehmerisch unterwegs sind, Führungskommunikation und Leadership. Deshalb wird der interne kommunikative