Max Reisch

Im Auto um die Erde


Скачать книгу

bei starken Steigungen dient.

Image

      Turkomenen-Frau in Nord-Afghanistan. – Viele Turkomenen-Stämme sind nach dem Ersten Weltkrieg aus der Sowjet-Union geflohen und brachten ihre hochentwickelte Teppich-Knüpferei Karakul-Schofgercht mit (»Persianer«).

Image

      Kabul: König Amanullah ließ 1924 die erste – und einzige – Straßenbahn in Afghanistan bauen. Nach seinem Sturz wurden die Waggons als Ziegenställe zweckentfremdet. – Amanullah hatte sich den türkischen Diktator Atatürk zum Vorbild erkoren, scheiterte aber am Widerstand des islamischen Klerus. – Vorher hatte Amanullah Deutschland besucht, 2 Junkers-Flugzeuge gekauft und nie bezahlt. 1926 ging er nach Rom ins Exil.

Image

      Habibullah-Khan (Mitte) wurde 1919 ermordet, worauf sein Sohn Amanullah (links) sich zum König ausrufen ließ, jedoch schon 1926 fiel er seinen modernen Reformversuchen zum Opfer.

Image

      Die stolzen Söhne des »Urlajats«, des »Stammlandes«, dem »Nabel der Welt«, wie die Afghanen ihre Heimat nennen. Die Afridis, Waziris und Ghilzais sind die bedeutendsten Stämme.

Image

      Grenzfestung, gleichzeitig Getreidespeicher des kriegerischen Stammes der Afridi am Khyber-Pass.

Image

      Verkehrsregelung am Khyber-Pass. Die schwerfälligen, langsamen Karawanen dürfen aus strategischen Gründen nicht die neue Autostraße benützen.

Image

      Britisch-indische Sikh-Truppen bei Gefechtsübungen im Grenzgebiet der »North-Western-Frontier«.

      Hier leben die besonders freiheitsliebenden und kämpferischen Afridis.

Image

      Ewig unruhiger Khyber-Pass. Zum Schutz der »North-Western-Frontier« zwischen Indien und Afghanistan hatten die Engländer Eisenbahn und Straße ins Gebirge vorgetrieben.

Image

      Die Grenze zwischen Afghanistan und Indien am Khyber-Pass. Die Fahrbewilligung wurde nur selten erteilt, Motorräder waren bis 1933 überhaupt verboten, seit der in Indien lebende deutsche Dr. Stratil-Sauer durch den Lärm seines Motorrades den Sturz und Tod eines Reiters verursachte.

Image

      Bewilligung Nr. 24 für die Reise durch die North-West Frontier Provinz für Max Reisch und seinen Wagen Steyr 100, ausgestellt in Kabul, 25.7.1935.

      Ungarische und bayrische Afghanen

      Getreideschnitt – einmal anders • Windmühlen und sechsfüßige Mensch-Esel •

      Ein Ungar wird Afghane • Salami leider verboten • Das Bürgermeisteramt in

      der Laubhütte • Mit dem »Seelenboot« über den Hilmend • Bayrische Laute in

      Kandahar

      »Was ist denn das?« Zweimal in kurzer Folge rief mir Helmuth diese Frage zu und jedes Mal hielt ich den Wagen an, damit wir uns genauer die noch nie gesehenen Merkwürdigkeiten afghanischer Arbeitsweise betrachten konnten. Das erste Mal waren es Bauern beim Getreideschnitt auf ihren dürftigen, steinigen Feldern. Sogar unverschleierte Frauen waren darunter, schöne, rassige Geschöpfe. Aber vorerst hatten wir gar keine Augen für sie, sondern nur für die Hände der Bauern. Über ihre Linke war nämlich eine Art Handschuh gezogen, dessen Daumen und Zeigefinger durch krumme Holzstäbe riesenhaft verlängert waren. Mit dieser Art Zange umfassten sie gleich ganze Garben und schnitten sie mit einer Sichel ab. Büschelweise fielen die Halme mit unglaublicher Schnelligkeit.

      Helmuth lässt die Filmkamera anlaufen. Alle Arbeit stockt und – wie so oft schon – wilde, böse Worte werden uns und der Teufelsmaschine entgegengeschleudert.

      Ruhiger hielten die Windmühlen, deren eigentümliche Anlage wir aus sicherer Entfernung von Mensch und Tier photographierten. Um eine vertikale Achse drehen sich aus Stroh geflochtene Windflügel, die aber den Wind nur von einer Seite auffangen sollen. Darum war um die andere eine ringförmige Lehmmauer in der Höhe eines zweistöckigen Hauses gebaut, die wie ein halber Turm aussah. Ein merkwürdiger Anblick! Und mindestens ebenso seltsam die Art, wie die Getreidesäcke auf kleinen Eselchen herangebracht wurden. Welche Lasten diesen Tieren zugemutet werden, hat uns immer wieder in Erstaunen versetzt. Man sieht kaum etwas anderes von ihnen als den Kopf und die zaundürren Beine. Aus einem Berg von Säcken scheinen sie herauszuragen und trippeln geschäftig dahin, wie von einem unermüdlichen Motor betrieben. Vorn auf dem Hals aber, vor den Lasten, sitzt stolz noch ein baumlanger Mann und lässt seine Füße tief herunterhängen. Wenn das Eselchen nicht mehr weiterwill oder im Sand zu versinken droht, streckt der Reiter seine Füße einfach etwas tiefer aus und marschiert kräftig mit. Urkomisch wirkt so ein sechsfüßiger Mensch-Esel.

      Hinter einer hübschen kleinen Ortschaft mit blendend weißen, flachen Häusern bekommen wir aber doch noch menschliche Objekte vor die Kamera, die wohl oder übel stillhalten mussten. Wir durchfuhren auf schmaler Furt einen Fluss und fanden am jenseitigen Ufer rund um ein Lagerfeuer die übliche Gruppe wüst aussehender, schwer bewaffneter Afghanen. Hier aber verriet uns das afghanische Wappen auf ihrem Turban, dass wir es mit wohlbestallten Polizisten zu tun hatten, und als wir, trotz allem, etwas zögernd nähertraten, winkten sie uns schon zu, schwatzten, lachten und zeigten auf ein Kellergewölbe in einem verfallenen Haus. Neugierig sahen wir hinein und fuhren mit einem Aufschrei zurück. Den Polizisten war der Fang von einem halben Dutzend Räubern geglückt, die sie nun zur nächsten Polizeistation führen wollten. Mit schweren Ketten aneinandergefesselt, hockten sie da unten und stierten uns aus so fratzenhaften Teufelsgesichtern an, dass uns bei dem Gedanken angst und bange wurde, ihresgleichen in Freiheit anzutreffen. Auf unsere Bitte wurden einige der wilden Gesellen ins Licht gezerrt und wir konnten Räuberbilder machen, soviel wir wollten.

      Verstohlen schauen wir uns aus den Augenwinkeln an. Beginnen wir etwa schon eine Ähnlichkeit mit ihnen aufzuweisen? Wir haben uns wegen eines Sonnenbrandes nicht rasieren können und schließlich beschlossen, die Bärte ruhig wachsen zu lassen, wie sie wollten. Immerhin, an den Seiten hatten wir sie uns gegenseitig zurechtgestutzt – unser Landsmann in Farrah würde nicht erschrecken, wenn wir so unvermutet vor ihm stünden. Das hatten wir nämlich zu unserem großen Erstaunen in Herat erfahren: In Farrah, dem meistgefürchteten und meistgehassten Ort Afghanistans, soll ein Österreicher leben! Infolge des entsetzlichen Klimas, tagsüber glühend heiß, nachts sehr kalt, gilt dieser Ort mit seiner Malaria und seinem Typhus so ziemlich als das Sibirien Afghanistans. Politische Sträflinge leben dort und dürfen sich zwar frei bewegen, nicht aber einen gewissen Umkreis rings um die Stadt überschreiten.

      Einem der wenigen, die sich freiwillig hier aufhalten, gilt unsere Suche. Er soll beim Bau einer Brücke als Ingenieur beschäftigt sein. Auf der Straße kommt uns ein Trupp halb europäisch gekleideter Männer mit Lammfellmützen entgegen. Ein Polizist hat uns im Wagen begleitet und deutet jetzt hin. Ich muss gestehen, ich hätte den Mann nicht mehr als Europäer erkannt. Wir sprechen ihn deutsch an. Er ist so überrascht, dass er zunächst kaum ein paar Worte herausbringt. Dann aber überstürzen sie sich und gleich in drei Sprachen, Deutsch, Afghanisch und Ungarisch.

      »Aus Budapest bin ich«, sagt er.

      Aus Budapest!