Kris Han

Die Hure von Armageddon


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      Der General blieb noch einen Augenblick stehen, um die Reaktion seiner Soldaten zu ergründen. Dann befahl er seinem Stellvertreter Nehesy die Männer wegtreten zu lassen.

      Als die Soldaten ihre Quartiere bezogen hatten, blieb Oberst Nehesy zurück. „Herr, ich weiß, es ziemt sich nicht danach zu fragen, was dich bewegt hat, ohne Botschaft von Pharao die Soldaten abzuziehen. Doch ich trage deine Entscheidung mit. Bleibt die Verpflegung aus, dann wird der Hunger auch die letzten verbliebenen Soldaten zu Flucht bewegen. Was mich betrifft, bitte ich dich darum, mir Urlaub zu gewähren. Ich möchte mich zurück nach Xois, auf das Gut meiner Eltern, begeben. Die Ländereien hat einstmals der Pharao Nehesy, der Herr über das Nildelta war, meinem Urgroßvater geschenkt. Aus Dankbarkeit haben mir die Eltern den Namen unseres Gönners gegeben. Meine Frau lebt auf dem Gut und erwartet dort ihr erstes Kind.“

      General Neferhotep nickte. „Die verbliebenen Soldaten kann ich mit meinen Offizieren auch gut ohne dich nach Auaris führen. Gehe hin zu deiner Frau. Nimm dir ein paar Soldaten mit, und halte dich bereit, falls du gerufen wirst.“

      Neferhotep hoffte, in Auaris Pharao zu treffen, der sich sehr oft in der Festungsstadt aufhielt. Der Marsch dahin wurde beschwerlich. Viele Dörfer lagen brach, von ihren Bewohnern verlassen. Dämme und Kanäle befanden sich in einem erbärmlichen Zustand, und die verbliebenen Menschen hatten nichts zu essen. Um die Versorgung der Soldaten zu sichern, musste er den Bauern das Wenige, das sie noch hatten, wegnehmen.

      Als der General mit seiner Truppe vor den Toren der Stadt ankam, war er sehr verunsichert. Die Tore standen offen, aber keine Wachen waren da, um den Einlass zu kontrollieren. Ein Geruch von Verwesung schlug ihm entgegen. Viele Häuser waren beschädigt, einige zerstört. In mehreren Bezirken hatten Brände gewütet. Neferhotep ließ augenblicklich Gefechtsbereitschaft herstellen. Er fürchtete Fremde könnten die Stadt überfallen haben. Dann erschienen zwei Kinder. „Sind Raubbanden in Auaris eingefallen? Was ist da geschehen, dass die Stadt so verwahrlost darnieder liegt? Los, sagt mir schon, was passiert ist! Ich bin ein General Pharaos“, wandte er sich an den älteren Jungen.

      „Du musst weit weg gewesen sein, dass du nicht weißt, welch schreckliches Unheil über uns gekommen ist. Unsere Eltern, alle sind gestorben. Es gab Erdbeben, Hagel und Heuschrecken. Alle Menschen wurden krank. Wir hungern. Die Lebenden sind abgehauen.“

      Neferhotep erschrak wegen dieser Auskunft. Seine Frau und sein Sohn lebten im Palast. Er vergaß seine Vorsicht und rannte zum Palast. Wenigstens dort hielt man die Pforte verschlossen. Ein Wächter kam, um ihn einzulassen. Der General rannte weiter zur Terrasse. Dort fand er zu seiner Erleichterung seine Frau Iput und den kleinen Sohn. Überglücklich nahm er den Kleinen auf den Arm und küsste seine Frau. „Was ist hier geschehen? Welcher furchtbare Gott war der Stadt und seinen Bewohnern nicht wohlgesonnen? Sag mir doch, wo ist seine Majestät, Pharao Djedhotepre Dedumose, dein Vater?“

      Seine Frau begann zu schluchzen. „So hast du gar nichts mitbekommen? Das ganze Übel, welches über Ägypten kam? Es war schlimm. Alles begann damit, dass ein Priester der israelitischen Sippen mit der Forderung kam, seine Verwandten aus Ägypten ziehen zu lassen. Vater war doch immer ein kraftvoller Regent. Die aufsässigen Gaufürsten hat er gezüchtigt und die Landesgrenzen wieder sicher gemacht. Doch als dieser alte Mann, Moses, ein Prophet seines Volkes erschien, kam es mir vor, als freue sich Pharao darüber. Voller Ehrfurcht sprach er von den Heldentaten des General Moses, der an der Spitze des ägyptischen Heeres alle Fremdvölker besiegt hatte. Mein sonst so gestrenger Papa, er lächelte, wenn er Anekdoten aus seiner Jugendzeit erzählte, und Tränen standen in seinen Augen. Moses war sein großes Vorbild, die beiden haben gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Vater hat den Wesir fortgeschickt, als dieser vorschlug, Moses zu töten. Mir wurde bewusst, Pharao, der Gott Ägyptens, ist auch nur ein Mensch. Jeder andere hätte wegen Beleidigung der Majestät sterben müssen! Doch da gab es offenbar etwas, das wir wohl nie erfahren werden“

      „Wo ist unser Herr, der Pharao? Ist er nach Itaui gegangen, oder führt er Krieg gegen Feinde Ägyptens? Ich habe sehr lange Zeit keine Befehle und Nachrichten bekommen. Die Versorgung der Soldaten ist ausgeblieben. Was ist geschehen?“ wollte Neferhotep erfahren.

      „So weißt du es nicht? Fast zeitgleich mit dem Propheten Moses kamen viele Plagen einher. Mein älterer Bruder starb an einer fremdartigen Seuche. Hm, und schließlich gestattete Pharao den Israeliten zu gehen. Selbst da war immer noch diese Bewunderung, die er dem Moses entgegenbrachte. Nun ja, beide waren alte Männer. Aber Vater war der Gott Ägyptens! Ganz plötzlich ist er eins mit Osiris geworden, er war doch noch ganz gesund? Ach, ich bin verwirrt“, und sie begann zu schluchzen.

      „Beruhige dich, ich bin jetzt bei dir. Du wirst sehen, alles wird gut. Nun, wer ist der Nachfolger des guten Gottes Dedumose? Die Eintracht der Maat muss erhalten bleiben. Sollten wir Grund haben uns zu fürchten? Ägypten hat starke Götter. Sie werden uns beschützen.“ Neferhotep sah seine Frau fragend an.

      „Nachfolger meines Vaters? Nachdem die Priester den guten Gott mit sich genommen hatten, um ihn auf seine Reise für die Ewigkeit vorzubereiten, hat sich mein Bruder Chonsemweset der Insignien der Macht bemächtigt. Wie du weißt, war er immer sehr aufbrausend und jähzornig. Er wollte es nicht hinnehmen, dass die Sippen der Israeliten so einfach aus dem Land gehen durften. Mit dem gesamten Streitwagenheer ist er ihnen nachgejagt. Als wäre das Land noch nicht genug gestraft, kam ein weiteres Unglück hinzu. Alle Männer, Zugtiere und Wagen sind im Schilfmeer versunken. Niemand kann sagen, was genau geschehen ist. Wegen der vielen Plagen haben die Menschen Auaris verlassen. Vaters neue Frau, dieses Flittchen, sie ist gleich abgehauen, sowie die ersten Unwetter aufkamen. Nun gibt es in Ägypten keinen Pharao“, klärte ihn Iput auf.

      „Ich erkenne erst jetzt das ganze Unheil. Weit weg, an der Königsmauer wussten wir lange Zeit nichts von dem Verderben, das ein zürnender Gott gebracht hat. Erst als die Nachrichten aus der Hauptstadt und die Verpflegungslieferungen ausblieben, da bekam ich Angst, es könnte etwas passiert sein. Kann nun noch größeres Unheil über uns kommen?“, drückte Neferhotep seine Furcht aus.

      „Nein, Schlimmeres ist uns erspart geblieben. Doch du sollst wissen, wie ich immer noch Ekel empfinde, wenn ich an den Wesir denke, diesem alten Scheusal. Sein hohes Alter hielt ihn nicht davon ab, selbst nach den zwei Kronen zu greifen. Er hat Eunuchen geschickt. Sie kamen und haben mich in seinen Palast gezerrt. Ich sollte seine Frau werden, um ihm die Legitimität zur Herrschaft zu geben. Es war ihm egal, dass ich bereits mit dir verheiratet war. Ich fühlte Angst, ja ich wusste, er würde dir nach dem Leben trachten“

      General Neferhotep fasste seinen Dolch. „Wo ist er? Ich werde diesen Schuft eigenhändig in die Unterwelt schicken!“

      Seine Frau schluchzte erleichtert. „Das Scheusal lebt nicht mehr. Seine Anmaßung war selbst für den Gott zu viel, der all diese Plagen über Ägypten geschickt hat. Dieser fette alte Wesir hatte auf dem Thron, auf dem nur der Herr der beiden Länder sitzen darf, Platz genommen, um sich huldigen zu lassen. Ich musste neben ihm auf einem Königinnenthron sitzen.“ Die Prinzessin hielt mit ihrer Erzählung inne und atmete tief bevor sie fortfuhr. „In der Wand des Thronsaales war ein Riss, dem niemand Beachtung schenkte. Darin hatten sich Wespen eingerichtet. Das Räucherwerk der Priester hat die Tiere wild gemacht. Sie flogen wie erregt durch den Raum. In seiner Überheblichkeit schlug der fette alte Lustgreis nach einem Insekt. Doch die Wespe war schneller, flog in seinen offenen Mund und stach ihn in den Hals. Er röchelte, es hat nicht lange gedauert, dann hatte ihn der Totengott fest gepackt. Die meisten Anwesenden gingen. Viele schienen erleichtert, waren wohl nur aus Furcht vor dem anmaßenden Wesir gekommen.“

      Neferhotep nahm seine Frau in seine Arme. Beide schwiegen eine Weile, hatten die furchtbaren Geschehnisse der vergangenen Wochen verdrängt und waren einfach nur glücklich. Doch sehr bald war der General mit seinen Gedanken zurück in der Realität.

      „Wie furchtbar, Ägypten wird auseinanderfallen! Ich sehe, hier können wir nicht bleiben. Die ganze Stadt stinkt. In manchen Häusern liegen noch verwesende Tote. Wer soll da die Dämme instand halten und Ziegel fertigen? Die Sippen der Israeliten, die das bisher gemacht haben, sind nicht den Horusweg gegangen. Alle Wege, die nach Kanaan führen, haben meine Soldaten kontrolliert. Hm, bleibt wohl nur der Zug durch den Sinai. Da kann