ist insofern sinnvoll, als sich eine Relation zwischen der finanziellen Kennzahl, die nicht der Einzahlungsüberschuss ist, und dem Unternehmenswert nur bei vergleichbaren Produktionsstrukturen und den daraus entstehenden Ausgaben herstellen lässt; denn ein Unternehmen, das einen hohen Kapital- und Materialeinsatz erfordert (wie z.B. ein Supermarkt), wird nach Abzug der Ausgaben pro Euro Umsatz eine geringere Umsatzrentabilität aufweisen als ein im Vergleich relativ kostenarmes Unternehmen (wie z.B. ein Architekturbüro). Dafür wird es aber häufig einen deutlich höheren Jahresumsatz erwirtschaften. Der Multiplikator muss diesen branchenspezifischen Besonderheiten gerecht werden, damit er zu aussagekräftigen Unternehmenswerten gelangt.
Die Fokussierung auf die Chancen- und Risikostruktur der Branche hat entscheidende Nachteile. Gesucht ist als Referenzmaßstab nicht eine andere Mittelanlage in der gleichen Branche, sondern die bestmögliche Alternativanlage des Käufers oder Verkäufers. Diese kann – und wird – aber regelmäßig außerhalb der Branche zu suchen sein, denn die Entscheidungsalternative besteht in den seltensten Fällen darin, entweder das eine oder das andere Branchenunternehmen zu kaufen bzw. den für das Unternehmen erzielten Verkaufspreis in der Branche zu reinvestieren.
Eine Gleichsetzung der in der Branche vorzufindenden Kennzahlenrelation unterdrückt zudem die betriebsindividuellen Besonderheiten des zu bewertenden Unternehmens. Kostete das Vergleichsunternehmen bei einem Jahresumsatz von 1 Mio. Euro das Zehnfache, nämlich 10 Mio. Euro, so ist bei dem zu bewertenden Unternehmen, das einen Umsatz von 500 000 Euro erwirtschaftet, nur bzw. allenfalls dann ein zehnfacher Unternehmenswert zu erwarten, wenn sämtliche Produktionsfaktoren (wie z.B. Maschinen, Mitarbeiter, Management) weitgehend identische Ertragspotenziale versprechen und gleichermaßen leistungsfähig sind. Der Branchenindikator vernachlässigt aber die individuelle Struktur des zu bewertenden Unternehmens sowie die Abhängigkeit des zukünftigen Erfolgs von der Geschäftsleitung.105 Unabhängig von der Problematik, dass für den deutschen Wirtschaftsraum eine allgemein akzeptierte Klassifikation der Unternehmen nicht vorhanden ist106 und die eindeutige Zuweisung eines Unternehmens zu einer Branche diffizil erscheint, ist daher zu bezweifeln, ob gerade das zu bewertende Unternehmen eng mit dem Branchendurchschnitt korreliert.107
c) m = starr
Eine Unternehmensbewertung mithilfe der Multiplikatormethode unterstellt das Rentenmodell und geht von der Vorteilhaftigkeit der Unternehmensfortführung aus. Alternative Unternehmensentwicklungen bleiben unberücksichtigt. Gerade bei Unternehmen, die in den ersten Perioden starken Ertrags- oder Umsatzschwankungen unterliegen, kann die Anwendung des Phasenmodells Fehlbewertungen vermeiden. Beispielsweise wird bei Unternehmensbewertungen im Zusammenhang mit Leveraged Buy Outs die Ertragssituation in den ersten Planungsjahren aufgrund der noch bestehenden beträchtlichen Schulden nach unten gedrückt, während die Ertragssituation nach Schuldenauslösung mittelfristig deutlich positiver zu bewerten ist. Die Annahme der ewigen Rente verschleiert diese Strukturunterschiede.108 Der Vergleich mit dem Liquidationswert, der auf die Suboptimalität einer Fortführung des Unternehmens hätte hinweisen können, unterbleibt ebenfalls, so dass die kritische Auseinandersetzung mit künftigen Ertragsbandbreiten nicht durchgeführt wird.109
d) m = Marktpreis
Beobachtete Marktpreise entsprechen nicht oder nur zufällig subjektiven Grenzpreisen, da sich in den Ertragserwartungen des Markts andere Wertschätzungen widerspiegeln als in den individuellen Erwartungen des Unternehmenskäufers oder -verkäufers.110 Diese einseitige Orientierung am Markt geht zulasten des Subjektivitätsprinzips. Auch das Zukunftsbezogenheitsprinzip als Grundsatz ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung wird vernachlässigt, wenn „in der Vergangenheit beobachtete Marktpreise, die bestenfalls bis in die Gegenwart reichen“, herangezogen werden. „Die gegenwärtigen Marktpreise aggregieren zwar die Zukunftserwartungen des Vergleichsobjekts, ob diese aber auf das Bewertungsobjekt übertragbar sind, bleibt fraglich.“111
Weiterführende Literatur
Ballwieser, Wolfgang, | Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Dieter Rückle (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Finanzwirtschaft und der Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Erich Loitlsberger, Wien 1991, S. 47–66 |
Böcking, Hans-Joachim/Nowak, Karsten, | Marktorientierte Unternehmensbewertung – Darstellung und Würdigung der marktorientierten Vergleichsverfahren vor dem Hintergrund der deutschen Kapitalmarktverhältnisse, FB, 1. Jg. (1999), S. 169–176 |
Löhnert, Peter G./Böckmann, Ulrich J., | Multiplikatorverfahren in der Unternehmensbewertung, in: Volker H. Peemöller (Hrsg.), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Herne 2019, S. 841–863 |
Moxter, Adolf, | Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 1983, S. 132–167 |
Nowak, Karsten, | Marktorientierte Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Wiesbaden 2003, S. 159–219 |
Olbrich, Michael/Frey, Niko, | Multiplikatorverfahren, in: Karl Petersen/Christian Zwirner (Hrsg.), Handbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Köln 2017, S. 405–419 |
74 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (1983), S. 10; Ballwieser/Leuthier, Betriebswirtschaftliche Steuerberatung: Grundprinzipien, Verfahren und Probleme der Unternehmensbewertung (Teil II), DStR 1986, S. 604 (S. 607). 75 Vgl. Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung (1997), S. 45; Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 49). 76 Vgl. Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1573–1577). Die Autoren weisen auf Probleme, Beurteilungskriterien und Richtlinien zur Findung von Vergleichsunternehmen hin. 77 Vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung mit Hilfe von Multiplikatoren, in: Rückle (Hrsg.), FS Loitlsberger (1991), S. 47 (S. 52). 78 Vgl. Bausch, Die Multiplikatormethode – Ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Unternehmenswert- und Kaufpreisfindung in Akquisitionsprozessen?, FB 2000, S. 448 (S. 450–451); Henselmann, Unternehmensrechnungen und Unternehmenswert (1999), S. 250. 79 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 159. 80 Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 160. 81 Vgl. Sanfleber-Decher, Unternehmensbewertung in den USA, WPg 1992, S. 597 (S. 600); Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1576). 82 Vgl. Bausch, Die Multiplikatormethode – Ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Unternehmenswert- und Kaufpreisfindung in Akquisitionsprozessen?, FB 2000, S. 448 (S. 450); Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung (1997), S. 259. 83 Vgl. Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1574). 84 Vgl. zur ausführlicheren Darstellung Buchner/Englert, Die Bewertung von Unternehmen auf der Basis des Unternehmensvergleichs, BB 1994, S. 1573 (S. 1574–1575); Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 162–164; Sanfleber-Decher, Unternehmensbewertung in den USA, WPg 1992, S. 597 (S. 598–599). 85 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 165–166. 86 Vgl. Nowak, Marktorientierte Unternehmensbewertung (2003), S. 168. 87 In den USA existieren solche Informationsdatenbanken, z.B. The Mergerstat Review, vgl. Nowak, Marktorientierte