Silas Jäkel

Afrika - Leben, Lachen, frei sein


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muss ihren schweren Koffer selber ziehen und er hat die Hand in der Hosentasche.“ Wirklich ein wahrer Gentleman …

      „Hello guys. Puuh.“ Erschöpft und abgekämpft setzte sich das Mädchen auf einen Sitz. Ihre grüßende Handbewegung war alles andere als von Elan geprägt. Sie hatte dunkle Ränder unter den Augen, die durch ihren schwarzen Eyeliner noch mal verstärkt wurden. Ihr rotes Haar hatte sie sporadisch zu einem Dutt gebunden. Einzelne Haare standen wild zu Berge. Ich vermutete, dass sie auf dem Flug wie ich nach Johannesburg nicht so viel schlafen konnte. Sie wirkte gereizt und desinteressiert und schien nicht wirklich in Plauderlaune zu sein. So traf es sich gut, dass Menschenkenner McKenzie gleich den Dialog mit ihr suchte.

      „Whääääts up.“ Er beugte sich neugierig nach vorne in den Gang. „I äääm McKäääänzie from the United Stätes of Ääämääääricää. I live in Määässääächusetts. Who are you?“

      „Ich äh, me?“ Überrascht von McKennzies plötzlich vorgetragenem Lebenslauf schaute sie ihn an. „My name is Jessica or Jessi. I come from Züri.“

      “Nice” Zufrieden lehnte sich McKenzie wieder zurück.

      „Ah, aus der Schweiz. Das Alpentrio ist jetzt vollständig.“ Wieder bildeten sich in Jessicas Blick kleine Fragezeichen. „Marlene kommt aus Österreich und ich aus Deutschland. Servus Jessica.“ Ich grinste sie an. „Wir haben gewettet, dass du aus der Schweiz kommst.“

      „Ahh, versteh. Und wie heißt er? Ich konnte seinen Namen nicht verstehen.“ Sie deutete mit ihren Augen in McKenzies Richtung, der mittlerweile wieder verträumt aus dem Fenster schaute. Dies hatte er auf der Fahrt zum Flughafen schon die ganze Zeit getan.

      „Das wissen wir noch nicht hundertprozentig“, gab ich grinsend zu. „Vielleicht gibt es nachher eine Teilnehmerliste, auf der wir seinen Namen rausfinden können.“

      „Ich hoffe es. Hoffentlich kommen wir schnell an. Bei den Temperaturen gehe ich in meiner Hose noch ein.“ Sie zupfte an ihrem schwarzen T-Shirt, sodass die vielen silbernen Armreife an ihrem Handgelenk klimperten. Erst jetzt fielen mir ihre ganzen Tattoos auf, die unter dem Schmuck ihre Arme zierten.

      „Wieso hast dich nicht umgezogen?“, fragte Marlene sie. Ich schaute auf Jessis lange schwarze Hose, die an einigen Stellen Löcher hatte. Darunter trug sie eine schwarze Netzstrumpfhose. Auch wenn ich noch nie in meinem Leben eine schwarze Netzstrumpfhose getragen hatte, konnte ich bei ihrem langbeinigen Outfit gut nachempfinden, wie sie sich bei der Hitze fühlen musste. Meine Jeans war im Koffer vermutlich immer noch von der Fahrt gestern am Trocknen.

      „Mein Flug war aus Dubai schon verspätet losgegangen und mir wurde gesagt, dass ich nach der Landung direkt abgeholt würde. Hätte ich gewusst, dass der Heini da vorne mir erst zwei Stunden später entgegenkommt, dann hätte ich mich umgezogen, anstatt die ganze Zeit zu warten. Ich wollte ihn nicht verpassen. Zumal ich ja selber schon zu spät gelandet war.“

      „Ja wir mussten auch schon zwei Stunden auf ihn warten“, berichtete Marlene von unserem Warten in der Unterkunft.

      „Plus eine Stunde warten am Bahnhof “, ergänzte ich sie. „Also bei drei Stunden Wartezeit sind wir auch schon.“ Drei Stunden - Wahnsinn. Ans Mittagessen auf der Farm dachte ich schon lange nicht mehr. Ich beschloss, heute nichts mehr zu planen und einfach alles auf mich zukommen zu lassen. Auf dem Bus stand nicht umsonst der Slogan der Farm geschrieben:

      Expect the unexpected.

      „Stimmt, du hast recht. Also Jessi, du bist nicht die Erste, die heute auf den Bus warten musste. Vielleicht beruhigt dich das ein wenig.“ Marlene lächelte.

      „Na ja, solange wir schnell ankommen und ich meine Hose wechseln kann, ist alles gut.“ Der Fahrer startete den Motor. Er schien Jessis Appell mitbekommen zu haben. Langsam fuhren wir mit dem Bus vom Flughafengelände. Während sich ein Flugzeug im Landeanflug über unseren Köpfen seinem Ziel näherte, sollte unser nächster Halt auf dem Weg zur Farm erst in anderthalb Stunden in Gobabis stattfinden.

      Endlich angekommen im Zentrum von Gobabis, hielt der Bus mit quietschenden Bremsen neben der asphaltierten Straße. Von Windhoek nach Gobabis hatte es ungefähr drei Kurven und Kreuzungen gegeben. Die ganze Zeit ging es mitten durch die Steppe geradeaus. Alle paar Kilometer sah man zwar mal ein paar Rinder, die Schatten unter Bäumen suchten und in der Nähe von Farmen lebten, jedoch bekamen wir auf der Fahrt nicht einen Menschen zu Gesicht. Hier in Gobabis änderte sich das Bild. Rinder gab es hier zwar auch und nicht gerade wenig. Sie standen eingezäunt hinter Gattern oder ließen sich in der Hitze den Wind vom Anhänger aus um die Nase wehen. Doch anders als in der Prärie lebten hier auch Menschen. Viele Menschen. Kinder spielten neben der Straße mit Flaschen und Konservendosen, Frauen trugen Wasserkanister auf ihren Köpfen durch die Gegend oder kochten am Straßenrand auf offenem Feuer. Es gab ganze Siedlungen von Blechhütten, die notdürftig zusammengeschustert waren. Anstelle von Türen und Fenster hingen Tücher und Decken vor den Eingängen, oftmals mit mehreren Löchern. Mit skeptischen Blicken beäugten uns die Einheimischen, als wir an ihnen vorbeifuhren. Wir mussten im ärmeren Teil von Gobabis gelandet sein. Häuser gab es hier auch, jedoch waren die für Geschäfte, Imbisse und Supermärkte reserviert. Wir standen direkt vor einer großen Kreuzung. Ampeln gab es keine. Direkt gegenüber von uns lag eine große Tankstelle, vor der große Geländewagen parkten. Das bunte Treiben hinter der Kreuzung deutete auf eine Einkaufsmeile hin. Ich entdeckte einen kleinen Spar zwischen zwei Boutiquen. Bisher dachte ich, dass es diesen nur in Österreich gäbe. Ich hoffte, dass der Spar ähnliche Snacks wie am Wörthersee führte. Es war mittlerweile weit nach Mittag und gute sechs Stunden her, dass ich etwas gegessen hatte. Auch Marlenes Augen leuchteten, als sie das Spar-Zeichen auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte. Wir weckten McKenzie, der die ganze Zeit mit der Stirn gegen den Haltegriff des Vorderplatzes gelehnt haben musste und jetzt einen roten Abdruck über seiner Brille trug, und stiegen aus dem Bus. Die beiden Mitarbeiter taten es uns gleich und stiegen mit aus. Nur der Fahrer blieb sitzen und kurbelte wie ein Bekloppter seine Fensterscheibe runter.

      „I am back in thirty minutes. So, you have time to buy some staff in the supermarket.“ Er zeigte mit dem Finger auf den Spar, den wir ja schon entdeckt hatten. „I have to take care some things. Thirty minutes. See you“ Ohne genauer darauf einzugehen, kurbelte er die Scheibe wieder hoch, setzte den Blinker und fuhr davon. Die Staubwolke hatte sich noch nicht richtig gelegt, da war er schon hinter der Kreuzung verschwunden und nicht mehr zu sehen. Wir wechselten die Straßenseite und liefen, verfolgt von mehreren Blicken, zum Spar. Er war klimatisiert. Die Freude stand uns bei der trockenen Hitze förmlich ins Gesicht geschrieben. Die erste funktionierende Klimaanlage in Afrika, dachte ich mir und schnappte mir am belüfteten Eingang einen Einkaufskorb. Mit knurrenden Mägen liefen wir durch die Gänge. Jessi suchte direkt die Getränkeabteilung auf, während Marlene und ich umgehend zum Bäcker liefen.

      „Wo ist McKenzie?“, fragte Marlene, als wir gemeinsam auf die Frau hinter der Theke warteten, die gerade noch einen anderen Kunden bediente. Ich zuckte mit den Schultern.

      „Keine Ahnung. Der hat am Eingang irgendwas von peanut butter genuschelt und ist dann mit seinem Korb abgebogen.“ Die Kundin neben uns bestellte noch ein paar Steaks, die direkt neben der Brottheke angeboten wurden. Richtig appetitlich sah anders aus. Die Steaks schwammen in einer roten Brühe, die ein wenig an Blut erinnerte. Ganz anders die Käsebrötchen. Goldbraun überbacken grinsten sie mich in der Vitrine an.

      „Nimm mich, nimm mich!“

      „Ich glaube, ich nehme zwei Käsebrötchen. Weißt du, ob Jessi auch was wollte?“

      „Sie wollte eigentlich nur Zigaretten und einen Energydrink kaufen. Wir können ihr ja ein Käsebrötchen mitbringen. Ich nehme auch zwei. Frage ist, ob wir für McKenzie was mitbestellen sollen.“ Ich drehte mich um und sah McKenzie, der gerade in die Keksabteilung abbog. Von Weiten sah er mit seinem roten Balken auf der Stirn jetzt wirklich aus wie Harry Potter. In seinem Korb lagen zwei XXL-Peanut-Butter-Gläser. Ich grinste.

      „Ich glaube, dass er schon selber satt wird.“ Er erfüllte wirklich alle Klischees eines Amerikaners. Der, der mit ihm auf ein Zimmer kommen sollte, tat mir jetzt schon leid. Bei den zwei großen