Bernhard Kempen

Völkerrecht


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im Schutz der Staatsangehörigen des Entsendestaates im Empfangsstaat liegen (s. auch unter II.2.). Die Erfüllung dieser Aufgaben hilft, Lösungswege bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Staaten aufzuzeigen und bereits im Vorfeld Konfliktpotentiale zu verringern.

      Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen gehört das Diplomatenrecht seit der Antike, zunächst rudimentär in der Form von Vorschriften über den Schutz von Gesandten, zum festen Bestand der Völkerrechtsordnung (→ Völkerrechtsgeschichte). In der Folge entwickelte sich das Diplomatenrecht vorrangig durch bilaterale völkerrechtliche Verträge weiter. Mit dem Abschluss des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (WÜD) von 1961 (Sart. II, Nr. 325) gelang es erstmals, die grundlegenden Vorschriften über den Status diplomatischer Missionen und ihren Schutz in einem multilateralen völkerrechtlichen Vertrag zu kodifizieren. Das WÜD wurde mittlerweile von über 180 Staaten ratifiziert und zählt aufgrund dieses hohen Ratifikationsstandes nach der Ansicht von weiten Teilen der Völkerrechtslehre zum → Völkergewohnheitsrecht. Die Regelungen des WÜD werden durch Normen des Völkergewohnheitsrechts ergänzt, soweit sich aus den bilateralen Verträgen eine hinreichend verfestigte Staatenpraxis und entsprechende Rechtsüberzeugung ergibt (s. auch Abs. 5 der Präambel zum WÜD). Abzugrenzen sind die Regelungen des Diplomatenrechts von denjenigen des → Konsularrechts.

      Die herausgehobene Stellung des Diplomatenrechts in der Völkerrechtsordnung wurde auch vom → IGH in seiner Entscheidung zum Teheraner Geiselfall (Urt. v. 24.5.1980, ICJ Rep. 1980, 3 Rn. 86 f. – Case Concerning U.S. Diplomatic and Consular Staff in Tehran) betont. Darin entschied das Gericht, das Diplomatenrecht bilde ein in sich geschlossenes System (→ self-contained régime), daher seien die im WÜD vorgesehenen Reaktionsmöglichkeiten auf eine Verletzung der diplomatenrechtlichen Vorschriften grundsätzlich abschließend. Auf allgemeine völkerrechtliche Reaktionsmöglichkeiten (→ Gegenmaßnahmen) kann nicht zurückgegriffen werden. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz bei einem extremen Missbrauch der diplomatischen Vorrechte wird in der völkerrechtlichen Lehre kontrovers diskutiert (s. insb. unter III.1.b.).

      Das WÜD enthält an verschiedenen Stellen Regelungen über die Zusammensetzung einer diplomatischen Mission sowie über die Voraussetzungen, unter denen eine diplomatische Mission errichtet und beendet werden kann. Zu beachten ist aber, dass das Völkerrecht keinen Anspruch auf die Unterhaltung einer diplomatischen Mission in einem anderen Staat gewährt. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen erfolgt vielmehr freiwillig im Einvernehmen der beteiligten Staaten auf der Grundlage der Gegenseitigkeit, Art. 2 WÜD.

      Unter einer diplomatischen Mission versteht man in der Regel eine Gruppe von Personen, die diplomatische Funktionen für den Entsendestaat im Empfangsstaat wahrnimmt. In Ausnahmefällen kann es sich allerdings auch nur um eine einzelne Person handeln. Zu den Mitgliedern einer Mission zählen der Missionschef und das Personal der Mission, Art. 1 lit. b WÜD, nicht dagegen z. B. die Familienangehörigen der Diplomaten. Das Personal der Mission besteht aus den Mitgliedern des diplomatischen Personals auf der einen Seite und dem Verwaltungs- und technischen Personal sowie dem dienstlichen Hauspersonal auf der anderen Seite, Art. 1 lit. c WÜD. Die Unterscheidung zwischen Missionsmitgliedern mit diplomatischer Funktion und Mitarbeitern, die mit anderen Aufgaben betraut sind, ist von wesentlicher Bedeutung, da das WÜD für die Mitglieder mit diplomatischem Status einen deutlich größeren Umfang an Vorrechten und Immunitäten vorsieht (s. unten, III.3.).

      Die Mitglieder mit diplomatischer Funktion sind in drei Klassen eingeordnet, Art. 14 Abs. 1 WÜD. An der Spitze stehen die Botschafter oder Nuntien (die Bezeichnung Nuntius wird für den Vertreter des → Heiligen Stuhls verwendet), Art. 14 Abs. 1 lit. a WÜD. Im Rang darunter befinden sich die Gesandten, Minister oder Internuntien, Art. 14 Abs. 1 lit. b WÜD. Beide Gruppen müssen vom Staatsoberhaupt des Entsendestaates beglaubigt werden. Die dritte Klasse bilden die Geschäftsträger (Attachés, Botschaftsräte und Botschaftssekretäre), bei denen eine Beglaubigung durch den Außenminister genügt, Art. 14 Abs. 1 lit. c WÜD. Da der Austausch von Diplomaten immer auf der Grundlage der → Reziprozität erfolgt, müssen beide beteiligten Staaten immer Vertreter desselben Rangs austauschen.

      Die Position des Vorsitzenden (Doyen) des diplomatischen Corps (die Gesamtheit der diplomatischen Missionen in einem Empfangsstaat) übernimmt entweder der am längsten im Empfangsstaat tätige Botschafter, Art. 16 Abs. 1 WÜD, oder der Vertreter des Heiligen Stuhls, soweit eine entsprechende Übung in dem Empfangsstaat besteht, Art. 16 Abs. 3 WÜD. Der Doyen nimmt Handlungen im Namen des diplomatischen Korps vor und kann z. B. bei einem Verstoß des Empfangsstaates gegen seine diplomatischen Pflichten offiziell Protest beim Empfangsstaat einlegen.

      Die Aufgaben der diplomatischen Missionen werden, nicht abschließend, in Art. 3 WÜD genannt. Sie umfassen die Vertretung des Entsendestaates im Empfangsstaat (Vertretungsfunktion), den Schutz der Interessen des Entsendestaates und seiner → Staatsangehörigen im Empfangsstaat (Schutzfunktion), die Information des Entsendestaates mit allen rechtmäßigen Mitteln über die Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat (Informationsfunktion) sowie die Verhandlung mit der Regierung des Empfangsstaates und die Förderung der Beziehungen zwischen beiden Staaten auf wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Ebene (Kommunikationsfunktion). Um diese Funktionen zweckmäßig erfüllen zu können, befinden sich die diplomatischen Missionen in aller Regel am Regierungssitz des Empfangsstaates.

      Die Errichtung einer diplomatischen Mission erfolgt durch die Bestellung eines Missionschefs. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst die Auswahl einer geeigneten Person durch den Entsendestaat. Anschließend muss der Entsendestaat die Zustimmung des Empfangsstaats (sog. Agrément) einholen, Art. 4 Abs. 1 WÜD. Der Empfangsstaat kann sein Einverständnis mit der ausgewählten Person aber auch verweigern, ohne diese Entscheidung begründen zu müssen, Art. 4 Abs. 2 WÜD. Sollte der Empfangsstaat dagegen seine Zustimmung erteilen, wird der Missionschef vom Staatsoberhaupt des Entsendestaates ernannt, vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a WÜD. Das Verfahren wird durch die Überreichung des Beglaubigungsschreibens oder einer formgetreuen Abschrift hiervon abgeschlossen, Art. 13 WÜD. Die weiteren Mitglieder des Personals der Mission bedürfen keiner expliziten Zustimmung des Empfangsstaates. Ausgenommen sind lediglich die Staatsangehörigen des Empfangsstaates und die Militär-, Marine- und Luftwaffenattachés, bei denen dem Empfangsstaat im Vorfeld ihre Namen zwecks Zustimmung mitgeteilt werden müssen, Art. 7 WÜD.

      Das WÜD sieht daneben in den Art. 5 f. WÜD einige Erleichterungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch Kleinstaaten vor. So kann ein Missionschef vom Entsendestaat zugleich für mehrere Empfangsstaaten bestellt werden, Art. 5 WÜD oder ein Missionschef bei einem Empfangsstaat für mehrere Entsendestaaten tätig werden, Art. 6 WÜD. Ein Beispiel für den zuletzt genannten Fall ist die Wahrnehmung der liechtensteinischen Angelegenheiten, die in vielen Staaten durch den Vertreter der Schweiz erfolgt.

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