historisch war vor allem der Deutsche Bund (1815 – 1866) typusprägend.
II. Völkerrechtssubjektivität des Gesamtstaates
Aus der Perspektive des Völkerrechts wird der Bundesstaat wie ein Einheitsstaat behandelt und prinzipiell nur der Gesamtstaat als Völkerrechtssubjekt angesehen. Die → Völkerrechtssubjektivität des Bundesstaates besteht originär und absolut, also unabhängig von einer Anerkennung durch andere Staaten (h.M.). Als natürliches Subjekt des Völkerrechts ist er zur Wahrnehmung sämtlicher völkerrechtlich anerkannter Rechte und Pflichten berechtigt. Er ist auf völkerrechtlicher Ebene u. a. der Inhaber der → Gebietshoheit über das gesamte Gebiet des Bundesstaates und übt die Personalhoheit über seine Staatsangehörigen aus. Für die völkerrechtliche Rechtsordnung ist die innerstaatliche Rechtslage in der Regel ohne Bedeutung; die umfassende Völkerrechtsfähigkeit des Bundesstaates erfährt z. B. keine Minderung, wenn die Bundesverfassung dem Gesamtstaat innerstaatlich Beschränkungen auferlegt hat. Dementsprechend kann ein Bundesstaat gegenüber seinen Vertragspartner auch nicht die Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung unter Berufung auf sein innerstaatliches Recht verweigern (vgl. Art. 27 S. 1 WVRK). Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesamtstaat die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtung nicht selbst gewährleisten kann, weil sie innerstaatlich dem Zuständigkeitsbereich der Gliedstaaten unterfällt. Die innerstaatliche Rechtslage findet allerdings ausnahmsweise Berücksichtigung, wenn eine sog. Bundesstaatsklausel in einen völkerrechtlichen Vertrag aufgenommen wurde. Eine solche Klausel kann z. B. eine Reduktion der völkerrechtlichen Verpflichtungen des Gesamtstaates im Falle einer innerstaatlichen Zuständigkeit der Gliedstaaten auf eine bloße Unterrichtungspflicht vorsehen. Eine solche Regelung enthält z. B. Art. 34 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbekonvention, Sart. II, Nr. 410).
III. Völkerrechtssubjektivität der Gliedstaaten
Die Gliedstaaten besitzen hingegen grundsätzlich keine Völkerrechtssubjektivität. Sie können allerdings in der Bundesverfassung dazu ermächtigt werden, als selbstständige Träger von Rechten und Pflichten am Völkerrechtsverkehr teilzunehmen, indem ihnen die Befugnis zur eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten zugewiesen ist. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung können sie eine partielle Völkerrechtssubjektivität erlangen, nicht jedoch eine umfassende Völkerrechtsfähigkeit wie sie der Gesamtstaat besitzt.
Eine solche Ermächtigung sieht z. B. das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Art. 32 Abs. 3 GG vor. Danach sind die Bundesländer mit Zustimmung des Bundes zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge berechtigt, wenn der Vertragsinhalt innerstaatlich dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfällt (→ auswärtige Gewalt). Sollten die Länder auf der Grundlage dieser Vertragsschlusskompetenz einen völkerrechtlichen Vertrag mit Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten geschlossen haben, erlangen sie eine von ihren Vertragspartnern abgeleitete Völkerrechtssubjektivität. Die Völkerrechtssubjektivität wirkt allerdings nur relativ im Verhältnis zu den Vertragspartnern und nicht gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Staaten. Der Umfang der Völkerrechtsfähigkeit ist zudem auf die Wahrnehmung der im Vertrag konkret verliehenen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten beschränkt. Der Gliedstaat ist somit z. B. nicht berechtigt, sich gegenüber seinem Gesamtstaat auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten zu berufen.
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De facto-Regime, stabilisiertes
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De facto-Regime, stabilisiertes (Christian Raap)
III. Völkerrechtliche Rechte und Pflichten
Lit.:
J.A. Frowein, Das de facto-Regime im Völkerrecht. Eine Untersuchung zur Rechtsstellung „nichtanerkannter Staaten“ und ähnlicher Gebilde, 1968; ders., De facto Régime, EPIL I, 1992, 966; ders., De Facto Regime, EPIL II, 2012, 1052; S. Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten: Grundlagen und Rechtsfolgen einer international koordinierten Sanktion dargestellt am Beispiel der Türkischen Republik Nord-Zypern, 2006; S. Turmanidze, Status of the De Facto State in Public International Law. A Legal Appraisal of the Principle of Effectiveness, Diss. Hamburg, 2010.
Ein stabilisiertes de facto-Regime ist ein Gemeinwesen, das ein Territorium über einen längeren Zeitraum effektiv beherrscht, ohne → Staat im Sinne des Völkerrechts zu sein. Es wird als beschränktes → Völkerrechtssubjekt angesehen.
I. Beispiele
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es de facto-Regime nur vereinzelt (z. B. die „Konföderierten Staaten von Amerika“ [1861 – 1865], das „Kaiserreich Mandschukuo“ in Nordostchina [1932 –1945], von der nationalen Koalition beherrschte Gebiete im Spanischen Bürgerkrieg [1936 – 1939]). Seither tritt dieses Phänomen vermehrt auf. Als wichtige Beispiele sind die „Republik China“ auf der Insel Taiwan (seit 1972), die DDR auf dem Gebiet des 1945 nicht untergegangenen Deutschen Reiches (von 1949 bis zu ihrer Aufnahme in die → Vereinten Nationen 1972), die „Demokratische Republik Vietnam“ (Nordvietnam, 1954 – 1976), die „Türkische Republik Nordzypern“ (seit 1983) und die „Republik Somaliland“ (seit 1991) zu nennen. Hinzugekommen sind auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion die „Republik Abchasien“ (seit 2008) und die „Republik Südossetien“ (seit 2008), die „Republik Bergkarabach“ (seit 1991) und die „Transnistrische Moldauische Republik“ (Transnistrien, seit 1992). Schließlich war das sog. Taliban-Regime, das von 1996-2001 weite Teile Afghanistans beherrschte, ein stabilisiertes de facto-Regime.
II. Rechtliche Einordnung
Ein stabilisiertes de facto-Regime kennzeichnet, dass es ein bestimmtes Territorium beherrscht und sein Anspruch, Staat zu sein, nicht oder nicht allgemein anerkannt wird (daher findet sich in der Literatur auch die Bezeichnung „nichtanerkannter Staat“). Es entsteht infolge eines Bürgerkrieges (→ Kriegsrecht [Recht der bewaffneten Konflikte]) oder durch eine tatsächliche Abspaltung von einem anderen Staatsverband.
Das de facto-Regime genügt nicht vollumfänglich den an einen Staat gestellten Anforderungen, weil zumindest einzelne der für einen Staat konstitutiven drei Elemente (→