Bernhard Kempen

Völkerrecht


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des Absehens von der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft (§ 153f StPO) stark abgeschwächt wird.

      Von den vorstehend beschriebenen Fallkonstellationen der jurisdiction to prescribe und der jurisdiction to enforce sind eine Reihe weiterer Fälle abzugrenzen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass der betreffende Hoheitsakt nicht „aus sich heraus“ Auslandswirkung entfaltet. Die Wirkungen treten vielmehr nur und erst aufgrund der Rezeption durch die ausländische Rechtsordnung ein. Folgende Szenarien sind insoweit zu unterscheiden:

      Die im Zusammenhang mit der jurisdiction to prescribe erörterte Fragestellung, wie weit eine Rechtsordnung ihren Anwendungsbereich erstrecken „will“, stellt sich vornehmlich für das Öffentliche Recht (Verfassungsrecht, Strafrecht, Steuerrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Wahlrecht, Wehrrecht usw.). „Kollisionsrecht“ im Sinne des Öffentlichen Rechts ist daher typischerweise „einseitig“ in dem Sinne, dass nur Aussagen über die Anwendbarkeit der eigenen Rechtsordnung auf Auslandssachverhalte, nicht aber auch über die Anwendbarkeit fremden Öffentlichen Rechts getroffen werden. Das ist beim Internationalen Privatrecht anders. Seit der Überwindung der Statutentheorie durch Savigny ist das privatrechtliche Kollisionsrecht geprägt von der Suche nach dem „Sitz“ des Rechtsverhältnisses. Durch das (nationale) IPR des Forumstaates kann es daher zur Anwendung fremden (Privat-) Rechts kommen, jedoch nicht, weil die fremde Privatrechtsordnung diesen Fall regeln „will“, sondern weil die Rechtsordnung des Forumstaates den „Sitz“ des Rechtsverhältnisses im Ausland verortet und aufgrund des eigenen IPR die fremden Regeln auf den Sachverhalt anwendet. Eine völkerrechtliche Pflicht zur Anwendung fremden Sachrechts besteht grds. nicht. Dementsprechend besteht insoweit regelmäßig ein Ordre public-Vorbehalt (vgl. Art. 6 EGBGB; grundlegend BVerfGE 31, 58 – sog. Spanier-Beschluss).

      Hiervon zu unterscheiden ist die Fallkonstellation der Anerkennung eines im Ausland gesetzten Hoheitsakts, beispielsweise einer Enteignung. Betrifft die Enteignung nicht nur im enteignenden Staat belegenes Eigentum, sondern erstreckt sich auch auf Vermögen im Forumstaat, stellt sich die Frage, ob der Forumstaat verpflichtet ist, die Enteignung anzuerkennen. Eine derartige Pflicht lässt sich im Völkerrecht – vorbehaltlich etwaiger völkervertraglicher Regelungen – nicht feststellen. Insbesondere ist die sog. Act of State-Doktrin, der zufolge inländischen Gerichten die Überprüfung der Wirksamkeit des Hoheitsakts eines anderen Staates verwehrt ist, kein Völkerrechtssatz, sondern eine Regel des angloamerikanischen Rechtskreises. Allgemein überlässt das Völkerrecht die Entscheidung über die Gültigkeit ausländischer Hoheitsakte den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen. Die Rechtsprechung des BGH beispielsweise geht dahin, dass die Wirkungen einer Enteignung für das im enteignenden Staat belegene Vermögen grundsätzlich anerkannt werden, die Wirkungen für das in Deutschland belegene Auslandsvermögen hingegen nicht (BGHZ 62, 340 [343]). Dadurch kann es zur Entstehung „hinkender“ Rechtsverhältnisse kommen. Auch soweit eine grds. Anerkennung erfolgt, steht diese unter dem Ordre public-Vorbehalt (Art. 6 EGBGB).

      Eine völkerrechtliche Pflicht zur Nichtanerkennung völkerrechtswidriger Enteignungen besteht nicht. Anders verhält es sich nur bei Verstößen gegen ius cogens, hier ist von einem Anerkennungsverbot auszugehen (vgl. Art. 41 Abs. 2 ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit; Sart. II, Nr. 6). Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht die Ansicht vertreten, im Fall eines Ius cogens-Verstoßes bestehe lediglich eine „Pflicht zur erfolgsbezogenen Zusammenarbeit“, um einen „Zustand näher am Völkerrecht“ herbeizuführen (BVerfGE 112, 1 [31]).

      Die Anerkennung eines fremden Hoheitsaktes kann vom Forumstaat von Fall zu Fall ausgesprochen werden. Den Staaten ist es aber selbstverständlich unbenommen, völkerrechtliche Verträge über die Anerkennung zu schließen. Ein Beispiel hierfür bildet die gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen in Art. 41 des Übereinkommens über den Straßenverkehr (BGBl. 1977 II S. 811). Im Bereich des europäischen Unionsrechts sind die Grundfreiheiten vom EuGH im Gefolge der Cassis de Dijon-Rechtsprechung (Rs. 120/78) zu einem allgemeinen Anerkennungs- oder Ursprungslandprinzip ausgebaut worden. Mittlerweile ist das Anerkennungsprinzip über die Grundfreiheiten hinaus auch auf den Bereich des Strafrechts übertragen worden (Art. 82 AEUV; Sart. I, Nr. 1001), begegnet dort aber nach wie vor prinzipiellen Bedenken (befürwortend indes BVerfGE 113, 273, LS 2 – Europäischer Haftbefehl).

      Eine wiederum eigene Problematik verbindet sich mit der Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte (insbesondere Urteile). Auch hier verhält es sich so, dass der Hoheitsakt nicht aus „eigener Macht“ heraus wirken kann, dem steht die Gebietshoheit des Vollstreckungsstaates entgegen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates den Vollstreckungsbefehl erteilt. Im deutschen Recht ist die Vollstreckung ausländischer Urteile in §§ 722 f. ZPO geregelt. Der Erlass eines Vollstreckungsurteils erfolgt zwar ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (§ 723 Abs. 1 ZPO), steht aber unter einem Ordre public-Vorbehalt (§§ 723 Abs. 2, 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Im europäischen Unionsrecht sind die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten mittlerweile vielfach sekundärrechtlich geregelt (z. B. die Verordnungen Brüssel I [bzgl. Zivil- und Handelssachen] und Brüssel IIa [bzgl. Ehe- und Kindschaftssachen]).

      A › Auswärtige Gewalt (Bundesrepublik Deutschland) (Burkhard Schöbener)

       I. Begriff der auswärtigen Gewalt

       II. Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Verbandskompetenz)

       1.Allgemeines

       2.Ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

       3.Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder

       III. Kompetenzverteilung im Rahmen der auswärtigen Gewalt des Bundes (Organkompetenz)

       1.Vertretungsbefugnis des Bundespräsidenten

       2.Zentrale Gestaltungsbefugnis der Exekutive

       3.Mitwirkungsbefugnisse der Legislative

       4.Kontrollbefugnis der Judikative

      Lit.: