Juni 2011 den aus Rebellen bestehenden Nationalen Übergangsrat lediglich als „legitime Vertretung des libyschen Volkes“ (nicht: des libyschen Staates). Demgegenüber anerkannte Italien den Übergangsrat bereits im April 2011 als „the countryʼs only legitimate interlocutor on bilateral relations“. Die UN-Generalversammlung hat den Übergangsrat am 16.9.2011 und damit rund einen Monat vor dem Tod Gaddafis als Vertreter Libyens zugelassen.
V. Anerkennung Internationaler Organisationen
Da → Internationale Organisationen nur und erst durch einen → völkerrechtlichen Vertrag errichtet werden, gelten nach h.M. für ihre Anerkennung grundlegend andere Bedingungen als für die Anerkennung von Staaten. Während die Mitgliedstaaten die Völkerrechtspersönlichkeit einer Internationalen Organisation durch ihre Mitgliedschaft – und sei es auch nur implizit – anerkannt hätten, müssten sich Drittstaaten nach dem Grundsatz „pacta tertiis nec nocent nec prosunt“ (Art. 34 WVRK; Sart. II, Nr. 320) den Gründungsvertrag nicht entgegenhalten lassen. Drittstaaten sind nach dieser Lesart frei, eine Internationale Organisation als völkerrechtlich nicht existent zu betrachten, d. h. der Anerkennung kommt hier – anders als bei den Staaten – konstitutive Wirkung zu.
An dieser Sichtweise sind jedoch Zweifel anzumelden. Zunächst einmal existiert, sobald der Gründungsvertrag ins Werk gesetzt worden ist, also Organe gebildet worden sind, die für die Internationale Organisation und die Mitgliedstaaten bindende Beschlüsse verabschieden, in der sozialen Realität eine faktische Situation, die der Anerkennung im Sinne eines „Zur-Kenntnis-Nehmens“ zugänglich ist. Zudem besteht für das Völkerrecht auch hier ein Interesse daran, die Internationale Organisation unabhängig von ihrer Anerkennung rechtlichen Bindungen zu unterwerfen. Insbesondere das → Gewaltverbot entfaltete auf der Grundlage der konstitutiven Theorie Wirkung nur für die „hinter“ der Organisation stehenden Mitgliedstaaten; sofern freilich die Organisation mit Organen ausgestattet ist, die einen von den Mitgliedstaaten losgelösten Willen bilden können, verfehlte das Gewaltverbot seine handlungsleitende Wirkung.
Darüber hinaus wird durch die Bejahung einer objektiven Völkerrechtssubjektivität Internationaler Organisationen keine mit dem Pacta tertiis-Verbot unzulässige Rechtsfolge gesetzt. Sofern sich ein Drittstaat weigert, mit einer Internationalen Organisation völkerrechtliche Verträge zu schließen, ist die Situation keine andere als bei nichtanerkannten Staaten. Im Rahmen der deliktischen (nichtvertraglichen) Haftung sieht sich ein Staat bei Bejahung der objektiven Völkerrechtspersönlichkeit Internationaler Organisationen zwar einem Anspruchsgegner gegenüber, dessen Entstehung er nicht zugestimmt hat. Dieses Phänomen ist jedoch auch von anderen Verträgen her bekannt (z. B. Gebietsabtretungs- oder Fusionsverträge) und bildet kein Spezifikum von Gründungsverträgen Internationaler Organisationen. Folglich kann ein legitimes Interesse eines Staates, einem bestimmten Völkerrechtssubjekt als Deliktsschädiger gegenüberzustehen, nicht anerkannt werden.
Der IGH hat im sog. Bernadotte-Fall den Vereinten Nationen objektive Völkerrechtssubjektivität zugesprochen (Gutachten „Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations“ von 1949). Vom Standpunkt der h.M. handelt es sich hierbei um einen Sonderfall, der mit der Quasi-Universalität der UN begründet wird.
A › Auslandswirkung von Hoheitsakten (Marten Breuer)
Auslandswirkung von Hoheitsakten (Marten Breuer)
III. Jurisdiction to prescribe
2.Anerkennung fremder Hoheitsakte
3.Vollstreckung ausländischer Hoheitsakte
Lit.:
J. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998; C. Kreß, Völkerstrafrecht und Weltrechtspflegeprinzip im Blickfeld des Internationalen Gerichtshofs, ZStW 114 (2002), 818; W. Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; J. Menzel, Internationales Öffentliches Recht, 2011; C. Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005.
I. Allgemeines
Dass die innerstaatliche Rechtsordnung Wirkungen nicht mehr nur auf dem jeweils eigenen → Staatsgebiet entfaltet, erscheint in Zeiten der Globalisierung mit ihrer enormen Zunahme an Waren-, Personen- und Finanzverkehr als geradezu selbstverständlich. Mit der damit angesprochenen Frage nach möglichen Auslandswirkungen von Hoheitsakten verbindet sich indes eine kaum zu überschauende Vielzahl von Rechtsproblemen. Zu Systematisierungszwecken erscheint es zunächst hilfreich, zwischen der Regelungshoheit (jurisdiction to prescribe) und der Durchsetzungshoheit (jurisdiction to enforce) zu unterscheiden. Eine bisweilen anzutreffende dritte Kategorie der jurisdiction to adjudicate erscheint demgegenüber verzichtbar. Auch wenn es aus Gründen der Logik geboten erscheinen mag, die Regelungs- vor der Durchsetzungshoheit zu behandeln, wird hier der besseren Darstellung halber der umgekehrte Weg gewählt.
II. Jurisdiction to enforce
Nach allgemeinem Völkerrecht darf ein → Staat Hoheitsakte grds. nur auf seinem eigenen Territorium vornehmen. Dieser Grundsatz ist Ausfluss der → Gebietshoheit und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der territorialen → Souveränität und dem Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten. Die Personalhoheit allein bietet keine hinreichende Grundlage, um ohne Zustimmung des betroffenen Territorialstaates hoheitlich im Ausland tätig zu werden. In diesem Sinne kann die → humanitäre Intervention zur Rettung eigener Staatsangehöriger nicht als völkerrechtskonform gelten, auch wenn sie vielfach praktiziert wird (Beispiel: Befreiung israelischer Geiseln in Entebbe 1976).
Als Ausnahmen vom grundsätzlichen