Bernhard Kempen

Völkerrecht


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zu bestimmten Themen zählen.

      Individualbeschwerden über die Verletzung von Rechten durch eine Vertragspartei der AMRK können von jedermann – Einzelpersonen, Gruppen und juristischen Personen – bei der IAMRK eingelegt werden. Eine besondere Unterwerfungserklärung des betroffenen Vertragsstaates ist hierfür nicht erforderlich.

      Zunächst erfolgt eine Vorabprüfung und die Zuleitung der Beschwerde an den betroffenen Staat, der Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Daran schließt sich die Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde entsprechend den in Art. 46 und 47 AMRK niedergelegten Voraussetzungen an. Hierzu zählen u. a. die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs, eine sechsmonatige Beschwerdefrist und das Verbot einer anderweitigen Anhängigkeit des Verfahrensgegenstands. Die Beschwerdebefugnis ist nicht auf die Betroffenen beschränkt, Beschwerdeführer und Opfer der behaupteten Menschenrechtsverletzung müssen also nicht identisch sein.

      Bei der anschließenden Prüfung der Begründetheit sind beide Parteien aufgefordert, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen; die IAMRK kann zudem Untersuchungen einleiten und Anhörungen durchführen. Dabei wirkt sie in allen Verfahrensstadien auf eine gütliche Einigung hin. Maßstab für die Entscheidungen sind die Konvention und die sonstigen menschenrechtlichen Verträge der OAS (s. o.). Für OAS-Mitgliedstaaten, die die Konvention nicht ratifiziert haben, oder für Sachverhalte aus Zeiten vor der jeweiligen Ratifizierung dient die Amerikanische Menschenrechtserklärung von 1948 als Maßstab. Kommt die IAMRK zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsverletzung vorliegt, so erstellt sie einen Bericht, in welchem sie die Staatenverantwortlichkeit in Bezug auf die Verletzung feststellt, Maßnahmen zur Beendigung bzw. Wiedergutmachung der Verletzung empfiehlt und Empfehlungen allgemeiner Art z. B. zu erforderlichen Rechtsänderungen erteilt.

      Nach Zuleitung des Berichts ist der Staat aufgerufen, die empfohlenen Maßnahmen innerhalb der im Bericht gesetzten Frist zu ergreifen. Danach entscheidet die IAMRK abschließend, ob diese ausreichend sind, oder ob, soweit der betroffene Staat dessen Zuständigkeit anerkannt hat, der Fall an den Gerichtshof überwiesen wird. Eine solche Vorlage erfolgt grundsätzlich immer, es sei denn, die IAMRK beschließt mit absoluter Mehrheit, den Fall nicht weiterzuleiten (Art. 45 Abs. 1 IAMRK-Verfahrensordnung). Auch der betroffene Staat kann die Angelegenheit dem Gerichtshof vorlegen. Hat der Staat die empfohlenen Maßnahmen nicht ergriffen und wird der Fall nicht an den Gerichtshof überwiesen, so wird der abschließende Bericht veröffentlicht.

      In besonders schweren und dringenden Fällen kann die IAMRK auf Antrag oder aus eigener Initiative einstweilige Anordnungen erlassen, und zwar auch unabhängig von einem anhängigen Beschwerdeverfahren (Art. 25 der Verfahrensordnung). Die Konvention sieht weiterhin die Möglichkeit eines Staatenbeschwerdeverfahrens vor der IAMRK vor (Art. 45 AMRK); hierfür ist eine gesonderte Unterwerfungserklärung sowohl des beschwerdeführenden als auch des betroffenen Staats erforderlich. In der Praxis kommt diesem Verfahren kaum Bedeutung zu, es gab bislang lediglich eine derartige Beschwerde (Nicaragua v. Costa Rica, 2007).

      Streitige Verfahren vor dem Gerichtshof können nur von der IAMRK, im Ergebnis einer Individualbeschwerde, oder von einem Vertragsstaat eingeleitet werden (Art. 61 AMRK). Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der betroffene und ggf. der beschwerdeführende Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anerkannt hat. Mit der Vorlage eines Falls wird die IAMRK vom unabhängigen Mediator und Entscheidungsgremium zur Partei. Der Beschwerdeführer ist hingegen nicht Partei; er kann weder die Sache nach eigenem Ermessen weiterverfolgen noch unmittelbar Beschwerde beim Gerichtshof einlegen. Opfer der behaupteten Verletzungen sind einem Verfahrensbeteiligten weitgehend gleichgestellt. Insbesondere können sie eigenständig auftreten und, bei Bindung an den Tatsachenvortrag der IAMRK, eine abweichende rechtliche Strategie verfolgen. Der Gerichtshof stellt den Sachverhalt selbst fest und erhebt die nötigen Beweise; an die Tatsachenfeststellung der IAMRK ist er nicht gebunden.

      Maßstab für die Prüfung der Individual- und Staatenbeschwerden durch den Gerichtshof sind die AMRK und gem. deren Art. 77 solche Verträge, die dem Gerichtshof bestimmte Zuständigkeiten übertragen, namentlich das Protokoll von San Salvador hinsichtlich der Koalitionsfreiheit in dessen Art. 8 und des Rechts auf Bildung in dessen Art. 13 (siehe Art. 19 Abs. 6 des Protokolls). Der Gerichtshof hat in gleicher Weise die Bestimmungen der Interamerikanischen Konvention zur Verhütung und Bestrafung von Folter vom 9.12.1985 und der Interamerikanischen Konvention über gewaltsames Verschwindenlassen von Personen vom 9.6.1994 angewendet, obwohl diese ausdrücklich nur die Zuständigkeit der IAMRK erwähnen. Bei der Auslegung stützt sich der Gerichtshof ergänzend auf sonstige menschenrechtliche Standards und solche des humanitären Völkerrechts.

      Stellt der Gerichtshof eine Verletzung fest, so kann er weitgehende Rechtsfolgen anordnen, insbesondere Schadensersatz für Vermögens- und Nichtvermögensschäden, Wiedergutmachung und Folgenbeseitigung jeglicher Art. Die Urteile sind bindend. Die Überwachung der Urteilsumsetzung und -vollstreckung ist nicht institutionalisiert; der Gerichtshof überwacht die Befolgung seiner Urteile selbst. Er kann die Nichtumsetzung eines Urteils in seinem jährlichen Bericht an die OAS-Generalversammlung rügen (Art. 65 AMRK).

      In schwerwiegenden und dringenden Fällen kann der Gerichtshof einstweiligen Rechtsschutz gewähren (Art. 63 Abs. 2 AMRK), und zwar – auf Antrag der IAMRK – auch in Bezug auf Fälle, die noch nicht bei ihm anhängig sind. Die Anordnungen sind bindend. Auch hier ist Voraussetzung, dass der betroffene Staat die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anerkannt hat.

      Schließlich kann der Gerichtshof Gutachten erstellen, die ein Mitgliedstaat – unabhängig von einer Unterwerfungserklärung – oder eines der Organe der OAS innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs anfordern kann (Art. 64 AMRK). Gutachten können in Bezug auf die Auslegung der AMRK, zur Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit der AMRK, oder bzgl. der Auslegung sonstiger Verträge zum Schutz der Menschenrechte in den amerikanischen Staaten eingeholt werden. Der Gerichtshof interpretiert diese Zuständigkeit sehr weit: als jeden Vertrag umfassend, der von einem Mitgliedstaat ratifiziert worden ist und Individual- oder Menschenrechte betrifft.

      Die AMRK und ihr Schutzsystem haben einen wichtigen Beitrag nicht nur zur Förderung und Durchsetzung der Menschenrechte, sondern auch zur Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Süd- und Mittelamerika geleistet. Die Schwierigkeiten, mit denen die Region zu kämpfen hat, vor allem Armut, soziale Segregation, Diktaturen, häufige politische Unruhen und allgemein die Probleme der rechtsstaatlichen Institutionen, spiegeln sich in der Rechtsprechung wider. Die wichtigsten Themenkomplexe, mit denen sich Gerichtshof und Kommission vor allem in den ersten zwei Jahrzehnten ihres Bestehens befassten, waren das gewaltsame Verschwindenlassen, bewaffnete Konflikte, Verfahren vor Militärgerichten und Straflosigkeit. Immer noch von großer Bedeutung sind Verfahren betreffend die Tätigkeit von Vollstreckungsorganen, bzgl. der Haftbedingungen sowie solche hinsichtlich der Rechte indigener Völker. Immer wieder haben Kommission und Gerichtshof den besonderen Charakter der AMRK als menschenrechtlicher Vertrag und den Grundsatz des effet utile betont, und damit auch eine extensive Auslegung begründet. Damit hat die Rechtsprechung insbesondere des Gerichtshofs Anstoß für die Weiterentwicklung der Rechtsprechung und des Menschenrechtsstandards in den Mitgliedstaaten der OAS und darüber hinaus gegeben.

      Institutionell lässt sich in gleicher Weise ein Entwicklungsprozess erkennen. Lag der Arbeitsschwerpunkt der IAMRK in den ersten Jahren auf dem direkten Kontakt mit den Mitgliedstaaten, den sie vor allem durch Vor-Ort-Besuche und die Berichtstätigkeit ausübte, so stellt heute die Bearbeitung der Individualbeschwerden einen immer größer werdenden Teil ihrer Tätigkeit dar. Angesichts der beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen und der steigenden Zahl von Beschwerden – 2010 gingen 1598 Beschwerden bei der IAMRK ein, eine Verdreifachung gegenüber 1997 – gerät das System an seine Grenzen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Verfahrensdauer. Für den Gerichtshof gilt ähnliches.

      Kritisch beurteilt wird noch immer, dass der Individualbeschwerdeführer keinen direkten Zugang