Bernhard Kempen

Völkerrecht


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den ständigen diplomatischen Missionen können von dem Entsendestaat diplomatische Repräsentanten in einen Empfangsstaat auch für eine zeitlich befristete Tätigkeit entsendet werden, um z. B. über spezielle Fragen in einem direkten Gespräch zu verhandeln oder einen besonderen Auftrag auszuführen. Diese sog. Spezialmissionen (auch Ad-hoc-Diplomatie genannt) haben in den letzten Jahren im Rahmen von Staatenkonferenzen oder bei der Krisenbewältigung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Stellung einer Person als Sonderbotschafter setzt ein beiderseitiges Einverständnis der beteiligten Staaten über die Funktion der Spezialmission voraus. Weiterhin muss der Zweck der Reise gerade in der Repräsentanz des Entsendestaates bestehen; private Reisen von Vertretern des Entsendestaates erfüllen diese Voraussetzung nicht.

      Die Rechtsgrundlage für die Spezialmissionen bilden in der Regel bilaterale Verträge zwischen den beteiligten Staaten, in denen der Status des Diplomaten und der Umfang der Vorrechte und Immunitäten geregelt werden. Dagegen ist das Übereinkommen über Spezialmissionen von 1969, welches im Wesentlichen auf die Vorschriften des WÜD verweist, bislang nur von wenigen Staaten ratifiziert worden und daher nur von geringer Bedeutung. Der Versuch, aus dem Übereinkommen und den bilateralen Verträgen Normen des Völkergewohnheitsrechts herzuleiten, wird durch den Umstand erschwert, dass die bilateralen Verträge in der Regel nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. Dennoch hat der BGH (NJW 1984, 2048) in dem Tabatabai-Fall, bei dem ein iranischer Sonderbotschafter wegen Drogenbesitzes verhaftet worden war, die Zulässigkeit einer Strafverfolgung mit dem Argument verneint, es bestehe eine völkergewohnheitsrechtliche Regel, nach der im Falle einer Einigung von Entsende- und Empfangsstaat über eine bestimmte Aufgabe eines Diplomaten diesem Immunität verliehen und er insoweit den geschützten Mitgliedern der ständigen Mission eines Staates gleichgestellt werden könne.

      Der Austausch von diplomatischen Vertretern erfolgt längst nicht mehr nur zwischen Staaten. Um die Funktionsfähigkeit der → Internationalen Organisationen sicherzustellen und den ständigen Kontakt zwischen den Mitgliedstaaten sowie eventuell auch zu Nichtmitgliedstaaten aufrechtzuerhalten, entsenden Staaten regelmäßig Delegationen zu Internationalen Organisationen. Die Rechtslage ist komplizierter als im bilateralen Verhältnis zwischen zwei Staaten, da die Internationalen Organisationen über kein eigenes Staatsgebiet verfügen. Sie können daher Privilegien und Immunitäten an die Repräsentanten eines Staates nur im Einvernehmen mit ihrem jeweiligen Sitzstaat verleihen. In der Regel ist zu diesem Zweck in dem Sitzabkommen, das eine Internationale Organisation mit ihrem Sitzstaat abschließt, eine Regelung enthalten, die den staatlichen Vertretern bei der Internationalen Organisation dieselben Rechte und Pflichten zusichert, wie sie den diplomatischen Missionen im bilateralen Bereich zustehen. In der Vergangenheit wurde zwar darüber hinaus der Versuch unternommen, die Regelungen der einzelnen Sitzabkommen zu vereinheitlichen. Allerdings ist der entsprechende völkerrechtliche Vertrag, das Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu Internationalen Organisationen universellen Charakters von 1975, aufgrund des Fehlens der benötigten Anzahl an Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten.

      D › Diplomatischer Schutz (Burkhard Schöbener)

       I. Allgemeines

       II. Rechtliche Natur des diplomatischen Schutzes

       III. Voraussetzungen des diplomatischen Schutzes

       1.Völkerrechtswidriges Verhalten

       2.Staatsangehörigkeit/Staatszugehörigkeit

       3.Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs

       IV. Ausgewählte Sonderfälle der Ausübung diplomatischen Schutzes

       1.Mehrstaatigkeit

       2.Staatenlosigkeit

       3.Bestimmung der Staatszugehörigkeit juristischer Personen

       4.Übertragung des Rechts auf diplomatischen Schutz

       5.Internationale Organisationen

       V. Art und Umfang der Schutzausübung

       VI. Anspruch auf diplomatischen Schutz in der BR Deutschland

      Lit.:

      C.F. Amerasinghe, Diplomatic Protection, 2008; L. Gramlich, Diplomatic Protection against Acts of Intergovernmental Organs, GYIL 27 (1984), 386; ILC, Draft Articles on Diplomatic Protection with Commentaries, 2006; Th. Kleinlein/D. Rabenschlag, Auslandsschutz und Staatsangehörigkeit, ZaöRV 67 (2007), 1227; G. Ress/T. Stein (Hrsg.), Diplomatischer Schutz im Völker- und Europarecht, 1996; G. Ress, Der internationale diplomatische Schutz und die Grund- und Menschenrechte, HGR VI/2, 2009, § 179; M. Ruffert, Diplomatischer und konsularischer Schutz, HStR X, 3. Aufl. 2012, § 206.

      Unter diplomatischem Schutz versteht man eine Handlung zugunsten von natürlichen oder (privatrechtlichen) juristischen Personen gegenüber völkerrechtswidrigem Verhalten fremder Hoheitsgewalten (→ Verantwortlichkeit, völkerrechtliche) durch den → Staat, dessen → Staatsangehörigkeit/Staatszugehörigkeit die betroffene Person innehat (Heimatstaat). Das Ziel des diplomatischen Schutzes besteht darin, einen anderen Staat zur Einhaltung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen sowie ggf. eine Wiedergutmachung für die entstandenen Schäden zu erlangen. In der Regel